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Personalpanne im Bundeshaus
Amherds Hoffnungsträger stolpert über pikante Vorwürfe

Bundesraetin Viola Amherd, Mitte, praesentiert Jean-Daniel Ruch, der vom Bundesrat zum Staatssekretaer fuer Sicherheitspolitik ernannt wurde, links, neben Vizekanzler Andre Simonazzi, rechts, am Freitag, 15. September 2023 in Bern. Ruch, aus dem bernjurassischen und bald zum Kanton Jura gehoerenden Moutier stammend, ist bisher Schweizer Botschafter in der Tuerkei und uebernimmt per Anfang 2024 die Leitung des neuen Staatssekretariates SEPOS als Kompetenzzentrum fuer Sicherheitspolitik des Bundes. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
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Jean-Daniel Who? Das war eine verbreitete Reaktion im und um das Bundeshaus, als Verteidigungsministerin Viola Amherd Mitte September den ersten Staatssekretär für Sicherheitspolitik präsentierte.

Jean-Daniel Ruch hatte niemand wirklich auf dem Zettel. Doch er schien gut zu passen für die neu geschaffene Führungsposition im Verteidigungsdepartement (VBS): Der 60-jährige Jurassier hat die Eidgenossenschaft stets an Brennpunkten der Weltpolitik vertreten: als Botschafter zuerst in Belgrad, dann in Tel Aviv, heute in Ankara. 

An der Medienkonferenz in Bern zu seiner Ernennung Mitte September spielte der designierte Staatssekretär auf Odysseus an, der nach langer Reise in die Heimat zurückkehrt. Jetzt aber endet die Reise Ruchs nicht im zweithöchsten Exekutivamt nach dem Bundesrat.

Erste Vorwürfe mit der Ernennung

Was ist passiert? Auskünfte will niemand geben, Jean-Daniel Ruch schon gar nicht. Aber Recherchen zeigen folgendes Bild: Bald nach Ruchs Ernennung wurden in Bern erste Zweifel laut an dessen Eignung für den Topposten. Bei den kolportierten Vorwürfen ging es insbesondere um – soweit bekannt einvernehmliche – Beziehungen zu Frauen. Allzu konkret waren diese Vorwürfe dem Vernehmen nach nicht. Das VBS fragte bei seinem künftigen Kadermann nach. Ruch tat alles als falsche Gerüchte ab. 

Kurz darauf überfiel die Hamas Israel. Und der Karrierediplomat geriet in die Schlagzeilen. Ruch hatte einst mit der Terrororganisation verhandelt – im Auftrag der damaligen Aussenministerin Micheline Calmy-Rey. SVP-Nationalrat Alfred Heer bezeichnete ihn nun als «nützlichen Idioten für die Hamas» und forderte den Rücktritt. 

Ruch zog sich zurück

Fast gleichzeitig tauchten neue, etwas konkretere Vorwürfe auf: Es ging dabei auch um Prostitution in der Residenz des Botschafters. Dieses Mal waren es Medienvertreter, die es genauer wissen wollten. 

Ruch wurde erneut konfrontiert. Was danach passierte, liess sich nicht in Erfahrung bringen. Fest steht, dass Ruch sich entschied, auf den Posten zu verzichten, den er am 1. Januar 2024 hätte antreten sollen.

Strafrechtlich relevante Vorwürfe sind keine aufgetaucht. Die kolportierten Anschuldigungen betreffen das Privatleben. Die Anforderungen an Diplomaten sind in dieser Hinsicht hoch. «Das Verhalten von EDA-Angestellten ist durch Integrität, Respekt und Loyalität sowie Ehrlichkeit, Rechtschaffenheit und Unbestechlichkeit gekennzeichnet», heisst es in einem internen Verhaltenskodex.

«Angestellte vermeiden insbesondere als Vertreterinnen und Vertreter der Schweiz im Ausland jede Handlung, die den Ruf der Schweiz beschädigen oder gefährden könnte.»

EDA-Verhaltenskodex

Die strengen Richtlinien sollen verhindern, dass Vertreter des Bundes erpressbar werden. «Angestellte vermeiden insbesondere als Vertreterinnen und Vertreter der Schweiz im Ausland jede Handlung, die den Ruf der Schweiz beschädigen oder gefährden könnte», heisst es im Kodex weiter. 

In jenen Ländern, in denen Ruch stationiert war, müssen Diplomatinnen und Diplomaten damit rechnen, dass sie überwacht werden – insbesondere wenn sie mit Konfliktparteien geheime Gespräche führen. Auch weniger exponierte Mitarbeitende der Schweizer Diplomatie müssen sich gemäss Kodex «bewusst sein, dass sich ihr persönliches Verhalten und ihre Tätigkeit innerhalb und ausserhalb des Arbeitsplatzes auf die Glaubwürdigkeit und das Image des EDA und der Schweiz auswirken».

Schweizer Botschafterinnen und Botschafter müssen sich alle fünf Jahre einer strengen Personensicherheitsprüfung stellen. Dabei wird auch das Privat- und Sexualleben auf mögliche Schwachstellen durchleuchtet. Bei Ruch fand die letzte solche Prüfung 2019 statt. Damals tauchten keine Probleme auf. 

Er war Topvorschlag

Eingeleitet hatte Ruchs nun gescheiterten Karrieresprung eine hochkarätige Findungskommission. Ihr gehörten neben VBS-Generalsekretär Toni Eder auch die Chefin der Bundespolizei, Nicoletta della Valle, sowie Markus Seiler an, der frühere Nachrichtendienstchef und heutige Generalsekretär des Aussendepartements (EDA). 39 Bewerbungen waren eingegangen.

Die Findungskommission führte – wie bei solchen Kaderstellen üblich –  Auswertungen und mehrere Gesprächsrunden und ein externes Assessment durch. Danach unterbreitete sie der Verteidigungsministerin einen Vorschlag.  Zwei Bewerber wurden Viola Amherd als sehr geeignet empfohlen. Einer der Topvorschläge war Jean-Daniel Ruch.

Odyssee ohne Happy End

Auf eine erneute Personensicherheitsprüfung verzichtete das VBS. 

Am Dienstagnachmittag musste es den anderen Departementen mitteilen, dass Ruch doch nicht Staatssekretär werden wolle. Die Neuigkeit sickerte zu Radio SRF durch, das am Mittwoch seine Morgennachrichten damit begann. 

Etwas später teilte das EDA mit, dass Ruch den Botschafterposten in Ankara auf Ende Jahr verlässt. Mitte 2024 wird er ganz aus dem Staatsdienst ausscheiden. Die Odyssee bleibt ohne Happy End.