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Ambitionierte Olympiapläne
1,5 Milliarden: So sind Winterspiele in der Schweiz möglich

Olympic Rings are pictured in front of The Olympic House, headquarters of the International Olympic Committee (IOC) at the opening at the opening of the executive board meeting of the International Olympic Committee (IOC), in Lausanne, Switzerland, Tuesday, March 28, 2023. The International Olympic Committee (IOC) Executive Board is set to discuss the results of consultations regarding the status of athletes from Russia and Belarus in its meeting set to run until March 30. (KEYSTONE/Laurent Gillieron)
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Ist es ein Luftschloss oder ein realistisches Grossprojekt? Die Schweiz denkt über die Austragung von Olympischen und Paralympischen Winterspielen nach. Schon im Jahr 2030 könnte es so weit sein, so jedenfalls die ambitionierten Gedankenspiele beim Dachverband Swiss Olympic. Dies auch deshalb, weil dem Internationalen Olympischen Komitee (IOK) ein Gastgeber für die Spiele in knapp sechs Jahren fehlt.

Swiss Olympic hat deshalb eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, um auszuloten, ob der Megaevent eine Möglichkeit wäre für das Land mit überschaubarer Grösse. Schliesslich waren die letzten Winterspiele stets an Orte in deutlich grösseren Ländern vergeben worden: Peking (2022), Pyeongchang (2018), Sotschi (2014) oder Vancouver (2010).

Diese Studie der obersten Schweizer Sportinstanz liegt nun vor und kommt zum Schluss: Olympia ja, aber… Dies zumindest deutet ihr Titel an, in dem nicht von 2030 die Rede ist, sondern von «203x». Swiss-Olympic-Präsident Jürg Stahl sagt in einer Medienkonferenz am Mittwochmittag aber klar: «Der Exekutivrat von Swiss Olympic priorisiert die Spiele von 2030. Ich bin überzeugt, dass die Schweiz die Kraft und Motivation hat, diese Spiele durchzuführen.»

Was soll der Event kosten?

Ziel ist, nachhaltige und mehr oder weniger kostenneutrale Spiele zu organisieren. So sollen ausschliesslich bestehende Stadien genutzt werden, die bestenfalls olympiatauglich gemacht werden müssen. Knapp 1,5 Milliarden Franken soll das Budget betragen, wobei dies nur der Betrag ist, den das Organisationskomitee zur Verfügung hat. Der also für die Durchführung der Spiele verwendet wird. Zum Vergleich: 2014 in Sotschi betrug dieses Budget 16 Milliarden Dollar.

Weitere Bauten (Strassen, ÖV, Nachhaltigkeitsprojekte) oder vor allem die in der Regel hohen Sicherheitskosten ausserhalb der Sportanlagen sind damit nicht gedeckt. Diese Summe müsste von der öffentlichen Hand finanziert werden. Als Anhaltspunkt: Die Sicherheitskosten für die (vom Volk abgelehnte) Bewerbung von Sitten für die Winterspiele 2026 waren mit gut 400 Millionen Franken veranschlagt gewesen.

Wie viel in diesem Punkt bei der «Vision 203x» auf die Schweiz und vor allem die Kantone zukäme, wird in der Studie nicht erwähnt. Auch in der Medienkonferenz vom Mittwoch wurde nicht darauf eingegangen.

Eine Defizitgarantie durch den Staat verlangt das IOK im Gegensatz zu früheren Austragungen nicht mehr. Allerdings muss eine Reserve von 200 Millionen Franken ausgewiesen werden können. Die kann aber auch von Sponsoren kommen. Hingegen müssten die Kosten für die Paralympischen Spiele, rund 100 Millionen Franken, von der öffentlichen Hand getragen werden.

Wo sind welche Sportarten geplant?

In der Studie steht: «Es sollen keine neuen Wettkampfstätten gebaut werden.» Allerdings gilt diese Aussage schon beim Eisschnelllauf nicht, denn es gibt in der Schweiz keine taugliche 400-Meter-Rundbahn. Auch bestehen aktuell weder Projekte für einen Neubau, noch kommt für Swiss Olympic eine mobile Anlage infrage. Wie es in der Studie heisst, werden demnach die Arenen in Inzell (GER) und Heerenveen (NED) geprüft. Ebenfalls wird die Anlage der Olympischen Spiele von Milano-Cortina 2026 ins Auge gefasst.

Ein Fragezeichen ist hinter den Eiskanal zu setzen. Laut Swiss Olympic ist die Bobbahn von St. Moritz vorgesehen, auf der schon 1928 und 1948 gefahren wurde. Doch als Natureisbahn wird ihre Tauglichkeit für einen Megaevent, wie es Olympia heutzutage ist, von Experten angezweifelt. Zumal selbst im Engadin die Temperaturen im Februar längst nicht mehr so tief sind. Mit Bob (Mono, Zweier, Vierer), Schlitteln und Skeleton müsste die Bahn drei Disziplinen mit etlichen Trainings- und Wettkampfläufen aushalten.

Das Tessin hat sich aktiv um die Austragung einiger Wettkämpfe beworben: Curling, Ski Freestyle, Eishockey der Frauen. In der aktuellen Stadionübersicht fehlt der Kanton nun zwar – aber es sollen alle vier Sprachregionen des Landes berücksichtigt werden. Offen ist, wo Curling gespielt werden könnte. Basel oder Bern sind mögliche Alternativen.

Was ist der Vorteil der Schweiz?

Bisher hatten Olympische Spiele eine «Host-City», eine zentrale Austragungsstadt oder -region. Nun könnte die Schweiz als «Host-Country» der Spiele 203x als Austragungsland eine Premiere in der Olympiageschichte schaffen. Die Machbarkeitsstudie kommt zum Schluss, dass die Schweiz prädestiniert sei für dezentrale Spiele in allen vier Landesteilen – auch dank einem hervorragend ausgebauten öffentlichen Verkehrsnetz.

Als weiteren Vorteil und Grundlage für die Machbarkeit nennt die Studie die vielen Europa- und Welttitelkämpfe, die bis 2030 in der Schweiz stattfinden werden. Allein bis 2027 richtet das Land in mindestens 9, wenn nicht sogar in 10 von 14 olympischen Wintersportarten Weltmeisterschaften aus. Das Know-how all dieser lokalen Organisationskomitees und der Freiwilligengruppen soll für den Megaevent genutzt werden.

Wo sollen die Sportlerinnen und Sportler wohnen?

Die Studie hat ergeben, dass die Schweiz grundsätzlich über genügend Betten und Zimmer in Hotels verfüge. Gemäss IOK werden für die 3200 Athletinnen und Athleten sowie deren Betreuende und die Offiziellen 5300 Betten benötigt. Gemäss Konzept sollen die Betten möglichst nahe den Wettkampfstätten liegen. Ein olympisches Dorf, wie es die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mögen, ist nicht geplant.

epa09604650 Media workers wearing face masks visit the Olympic and Paralympic village for athletes, who will attend the Beijing 2022 Olympic and Paralympic Winter Games, during a media tour, in Beijing, China, 26 November 2021. The 2022 Beijing Winter Olympics is scheduled to take place from 04 to 20 February 2022, followed by the Paralympics from 04 March to 13 March 2022.  EPA/ROMAN PILIPEY

Zusätzliche Betten und Zimmer werden für die sogenannten IOK-Stakeholder-Gruppen benötigt. Das heisst: Funktionäre des IOK sowie der internationalen und nationalen Verbände, Schiedsrichterinnen und Kampfrichter, Techniker und Medienschaffende sowie Sponsoren und Gäste. Insgesamt werden 23’800 Zimmer nötig sein – nicht in jedem Fall sind das aber Hotelzimmer. Zusätzlich rechnet Swiss Olympic mit 2,25 Millionen Zuschauern.

Wie steht die Bevölkerung zum Grossanlass?

Eine Zustimmung der Bevölkerung sei unabdingbar, sagt Ruth Wipfli Steinegger, Vizepräsidentin von Swiss Olympic. Eine im vergangenen September durchgeführte repräsentative Umfrage zum Projekt in der gesamten Schweiz hat gezeigt, dass zum aktuellen Zeitpunkt 67 Prozent der Befragten im Grundsatz für Olympische und Paralympische Spiele in der Schweiz sind. Eine Mehrheit kann sich auch eine finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand vorstellen. Eine repräsentative Umfrage, die im Auftrag von «20 Minuten» und Tamedia erstellt wurde, kam zu einem ähnlichen Schluss.

Laut einem Expertenbericht ist die Gefahr, dass Volksabstimmungen in den verschiedenen Kantonen Teile des Events gefährden könnten, «verhältnismässig klein». Aber sie besteht: Vor Sion 2026 war schon die Bewerbung von Davos und St. Moritz für die Winterspiele 2022 an der Urne abgelehnt worden. Beim Projekt «Switzerland 203x» sind in den Kantonen Graubünden und Wallis nun wieder viele Bewerbe geplant.

Das Konzept sieht nun vor, dass an einen anderen Standort ausgewichen wird, sollte eine Wettkampfstätte aufgrund von Referenden oder Einsprachen nicht nutzbar sein.

Die Frage, die sich viele stellen: Wie ambitioniert ist das Vorhaben, bereits frühestens im Februar 2030 Olympische Spiele zu organisieren? So unterstützt die Stadt Bern laut Bericht die Durchführung zwar grundsätzlich. Sie weist mit Blick auf 2030 und 2034 aber auf einen in ihren Augen zu engen Zeitplan hin.

Wie geht es jetzt weiter?

Bereits am 24. November 2023 entscheiden die Delegierten der Sportverbände an der Versammlung des Sportparlaments definitiv, ob die Pläne weiterverfolgt werden sollen und der Dialog mit dem IOK gesucht werden soll. In diesen Gesprächen erwartet das IOK laut Machbarkeitsstudie diverse Unterlagen, ehe ein offizielles Bewerbungsdossier eingereicht werden kann: Informationen über die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen, die Finanzierung, aber auch das CO2-Budget.

Weil das IOK beschlossen hat, die Winterspiele 2030 und 2034 gemeinsam zu vergeben, drängt die Zeit sowieso. Schon beim nächsten IOK-Kongress unmittelbar vor den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris werden die Events vergeben. «Wir stehen unter enormem Zeitdruck», ist Ruth Wipfli Steinegger bewusst.

Das gilt allerdings auch für das IOK: Offizielle Kandidaturen gibt es weder für 2030 noch für 2034. Jedoch Interessenten für beide Jahre: einerseits Schweden mit Stockholm und Are, das für 2026 der italienischen Bewerbung unterlegen war. Andererseits Frankreich mit den Regionen Provence-Alpes-Côte d'Azur und Auvergne-Rhône-Alpes, dessen Trumpf eine Staatsgarantie durch Präsident Emmanuel Macron ist – das aber schon Paris 2024 organisiert. Als Favorit für 2034 gilt Salt Lake City im US-Bundesstaat Utah.