Schweizer NationalmannschaftSo soll erneuter Wirbel im Duell gegen Serbien verhindert werden
Ein kleines Stadion im Süden des Landes, personalisierte Tickets und erhöhte Polizeipräsenz: In der Nations League soll es zwischen der Schweiz und Serbien endlich nur um Fussball gehen.
- Das bisher noch punktlose Schweizer Nationalteam spielt am Samstag (20.45 Uhr) in der Nations League gegen Serbien.
- In den letzten beiden Duellen gegen die Serben kam es bei der WM 2018 und der WM 2022 jeweils zu Diskussionen und Unruhen.
- Das Duell findet im kleinen Stadion in Leskovac statt, auch die Sicherheitsvorkehrungen rund um die Partie wurden erhöht.
Man muss schon eine ordentliche Portion Fantasie besitzen, um Parallelen zwischen dem Stadion in Leskovac und dem Old Trafford zu erkennen. Okay, beide haben eine rechteckige Rasenfläche und zwei Tore, was hilft, wenn man ein Fussballspiel austragen will. Dann hört es aber ziemlich schnell auf mit den Gemeinsamkeiten – und trotzdem nennen die Fans aus Leskovac ihr 2023 eröffnetes Stadion nach dem Vorbild in England: Old Trafford.
Am Samstag trifft das Schweizer Nationalteam in der Nations League hier auf das Team aus Serbien. Nicht in Belgrad oder Novi Sad, sondern im Süden des Landes. Knapp 75 Kilometer von Kosovos Hauptstadt Pristina entfernt und nur 70 Kilometer von Gjilan, wo Xherdan Shaqiri geboren wurde. 60’000 Menschen leben in Leskovac, das für seine Textilindustrie bekannt ist – darum auch der emotionale Bezug zu Manchester.
Dass am Samstag hier gespielt wird, liegt daran, dass der serbische Verband bemüht ist, Länderspiele auch mal ausserhalb von Belgrad auszutragen. Nicht immer nur im Stadion Rajko Mitić, genannt «Marakana», in Belgrad mit seinen fast 60’000 Plätzen. 8000, wie in Leskovac, müssen auch mal reichen. Und vielleicht ist das für das Duell gegen die Schweiz ja genau das Richtige.
Die Doppeladler-Debatte nach dem WM-Spiel in Kaliningrad
Die Vorgeschichte der Duelle zwischen der Schweiz und Serbien sollte ja hinlänglich bekannt sein. Falls nicht, hier noch mal der Schnelldurchlauf: Bei der WM 2018 treffen die Schweizer in der Gruppenphase in Kaliningrad auf Serbien und erleben einen Tag, der den Verband nachhaltig durchrütteln sollte.
Nationalspieler mit familiären Wurzeln in Kosovo – allen voran Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri – werden nicht nur im Stadion, sondern schon während Wochen im Vorfeld beleidigt oder bedroht. Der Hintergrund ist: Ihre Familien stammen aus dem vorwiegend albanisch bevölkerten Kosovo, auf das Serbien bis heute Anspruch erhebt.
Auf dem Rasen entlädt sich beim 2:1 der Schweizer alles in zwei Toren von Xhaka und Shaqiri, dem Doppeladler-Jubel, dem Kommentar von Sascha Ruefer («Auch Shaqiri macht den Adler. Ich fasse es nicht. Das ist ein politisches Statement!») und allem, was dann folgt. Geboren ist die grosse Debatte über Identität, Herkunft, Schweizer-Sein und Eben-nicht-Schweizer-Sein.
In Katar, bei der WM 2022, gibt es beim Duell der beiden Länder dann erneut Diskussionsstoff: Xhaka provoziert die serbische Bank, es gibt Rudelbildungen, Beleidigungen, elf Gelbe Karten und einen jubelnden Schweizer Captain im Trikot von Teamkollege Ardon Jashari, der zufällig den gleichen Nachnamen hat wie der kosovarische Unabhängigkeitskämpfer Adem Jashari.
Natürlich fragt man sich: Was passiert wohl dieses Mal?
Personalisierte Tickets und erhöhte Polizeipräsenz
Die Verbände sind bemüht, die Brisanz im Vorfeld abzudimmen. «Für uns sind das alte Geschichten», sagt Nationaltrainer Murat Yakin. «Es geht um Fussball – um nichts anderes», sagt Remo Feuler, dessen Frau Wurzeln in Serbien hat. Und trotzdem lässt sich das Thema nicht einfach wegignorieren. 22 Spieler auf dem Rasen, ganz viele Offizielle daneben, die Schweiz, die unbedingt den ersten Sieg will, und 8000 Personen auf den Tribünen – das sind viele Faktoren.
Taulant Xhaka sagte vor wenigen Tagen im «Blick», dass er seinem Bruder raten würde, nicht nach Serbien zu reisen: «Ich weiss aus erster Hand, wie viel Druck und Emotionen man in dieser Partie aushalten muss.» Immerhin ist Granit Xhaka der letzte Direktbetroffene, der von dem Spiel bei der WM 2018 übrig geblieben ist.
Kommt hinzu, dass die serbischen Fans seit der EM unter Beobachtung der Uefa stehen. Beim Turnier in Deutschland ist es zu mehreren Vorfällen gekommen, in den Stadien und ausserhalb: Darum gibt es für das Spiel nur personalisierte Tickets, die Polizeipräsenz ums Stadion sowie die Teamhotels wurde erhöht, und der Verband weist die Besuchenden – nur 70 von ihnen aus der Schweiz – darauf hin, auf Provokationen zu verzichten.
Mitgebrachte Fahnen werden kontrolliert, und es wird – als wäre das nicht eh klar – darauf hingewiesen, keine Gegenstände auf den Rasen zu werfen oder politische Parolen zu skandieren. Damit es dieses Mal nur um Fussball geht und man sich nach dem Spiel zum Beispiel der Frage widmen kann, wie viel Old Trafford denn jetzt wirklich im Dubočica-Stadion von Leskovac steckt.
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