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Parlament behandelt Medienrecht
«Das wäre das Ende des Investigativ-Journalismus»

Berichten Journalistinnen und Journalisten über geheime Daten aus einer Schweizer Bank, droht ihnen eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren. Das verunmöglicht selbst dann eine freie Berichterstattung, wenn die Daten grosse Missstände aufzeigen würden. Etwa, dass die Bank korrupte Despoten oder kriminelle Banden bedient.

Diese strikte Regelung gilt seit 2015 und brachte der Schweiz international harsche Kritik ein. Die UNO-Berichterstatterin für Meinungsfreiheit wandte sich letztes Jahr direkt an den Bundesrat und warnte öffentlich vor einer «Kriminalisierung von Journalismus». Das Schweizer Gesetz verstosse gegen die Menschenrechtskonvention.

Es könnte schlimmer werden

Die Mehrheit des Nationalrats erkannte Handlungsbedarf. Mit dem Segen des Bundesrats stimmte sie im Februar dafür, die strikte Regelung zu lockern. Im Dezember kommt die Sache nun in den Ständerat. Und da dürfte die Motion der Verfechter der Medienfreiheit nicht nur versenkt werden – die Position der Medien könnte sich sogar noch deutlich verschlechtern.

Denn: Die für das Geschäft zuständige Wirtschaftskommission des Ständerats empfiehlt die Motion zur Ablehnung. Als Ersatz hat sie ein Postulat aufgesetzt mit dem Titel «Handhabung der weiteren Verwendung illegal erworbener Daten». Und da geht es plötzlich um etwas ganz anderes.

Der Text hat eine Stossrichtung, die Experten und Medienrechtler alarmiert. Sie sagen, nach dem Wortlaut des Postulates drohe eine akute Gefährdung der Pressefreiheit. Das Postulat beauftragt den Bundesrat nämlich, zu prüfen, «ob die Veröffentlichung rechtswidrig erhobener Daten unter Strafe gestellt werden soll». Dabei geht es nicht nur um Bankdaten, sondern ganz generell um jegliche geheimen Informationen.

«Mit diesem Verbot dürften ​​Journalisten künftig nur noch mit Daten recherchieren, die der Datenherr freigibt.»

David Zollinger, Medienrechtler

In der Begründung des Postulats heisst es, persönliche Daten sollen künftig vor einer Veröffentlichung durch die Medien geschützt sein, wenn sie rechtswidrig erlangt wurden. Zeitungsberichte oder Radiosendungen sollen nur noch bei systematischen Verstössen gegen Gesetze möglich sein. «Illegal erworbene persönliche Daten» könnten hingegen lediglich «den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt werden».

«Würde das Parlament ein solches Verbot beschliessen, dann dürften ​​Journalisten künftig nur noch mit Daten recherchieren, die der Datenherr freigibt», erklärt David Zollinger, Anwalt, Medienrechtler und früherer Staatsanwalt in Zürich. «Wenn also eine Firma die Umwelt verschmutzt oder ein Spital zu teure Behandlungen abrechnet, dann dürften Medien darüber nur noch berichten, wenn die Firma oder das Spital die Daten dafür freigibt.»

Strafen sind schon heute hart

In der Praxis kommt so etwas kaum vor, die Akteure sind im Gegenteil bestrebt, so etwas zu verheimlichen. Oftmals gelangen solche Machenschaften erst ans Licht, weil Whistleblower Belege unter der Hand weitergeben, um auf einen solchen Missstand hinzuweisen. Damit gehen diese Personen in der Schweiz bereits heute beträchtliche Risiken ein. Denn oft brechen sie so ihr Berufsgeheimnis, zum Beispiel das Arzt- oder das Bankgeheimnis. Damit können sie schon nach heutigem Recht hart bestraft werden.

Doch Journalistinnen können bislang in den meisten Fällen straffrei über solche «rechtswidrig erhobenen Daten» berichten, sofern ein öffentliches Interesse besteht. «Wenn es nun aber auch für die Medien ein Verbot gäbe, über solche geleakten Daten zu berichten, wäre das letztlich das Ende des Investigativ-Journalismus in der Schweiz», sagt Zollinger. «Der Journalismus wäre oft auf das reduziert, was der Staat, die Wirtschaft oder andere Akteure in der Gesellschaft offiziell bereit sind zu sagen.»

«Die Unsicherheiten hätten zur Folge, dass möglicherweise wichtige Themen vermieden werden.»

Rechtsprofessor Urs Saxer

Urs Saxer, Rechtsprofessor und Experte für Medienrecht, weist darauf hin, dass ein solches Verbot im Strafgesetz die Medien vor grosse Probleme stellen würde. «Journalisten müssten bei jeglicher Information, die sie nutzen wollen, zunächst noch sicherstellen, dass sie nicht illegal erhoben wurde. Ansonsten laufen sie Gefahr, sich persönlich strafbar zu machen.» Bei anonym zugespielten Daten wäre das so gut wie unmöglich. «Die damit verbundenen Unsicherheiten würden abschreckend wirken und hätten zur Folge, dass möglicherweise wichtige Themen vermieden werden. Genau dies sollte nicht eintreten.»

Auch Matthias Schwaibold, Anwalt und langjähriger Medienrechtler, weist auf die Probleme hin, die der Staat den Medien damit aufbürden würde. «Es stellt sich zum Beispiel die Frage, was ‹rechtswidrig erhoben› eigentlich heisst», sagt Schwaibold. «Nach welchem Recht wird darüber entschieden? Gilt das auch, wenn die Mullahs in Teheran oder die Chinesen sagen, die Daten seien ‹rechtswidrig erhoben› worden? Anerkennen wir das dann und verbieten unseren Medien, darüber zu berichten?»

Kommission sieht Handlungsbedarf

Der scheidende Ständerat Alex Kuprecht, SVP Schwyz, war Präsident der Wirtschaftskommission und einer der Initiatoren des Postulates. Laut ihm ist das Postulat nicht eine Umkehrung, sondern lediglich eine Ausweitung der Motion aus dem Nationalrat. Die Kommission habe erwogen, dass die Motion zu kurz greife, und habe einen viel grundsätzlicheren Handlungsbedarf gesehen, so Kuprecht. Im Postulat stehe, dass auch das legitime Interesse der Öffentlichkeit an einer Aufklärung von systematischen Gesetzesverletzungen berücksichtigt werden solle. Es müsse also auch geprüft werden, wo man auf eine Strafbarkeit der Medien verzichten könnte. «Es kommen aber zunehmend auch Daten durch Cyberangriffe in Umlauf», sagt Kuprecht. «Solche Daten sollten grundsätzlich vor der Veröffentlichung in den Medien geschützt bleiben.» Dieses Problem werde sich künftig noch verschärfen.

Den Beschwichtigungen zum Trotz ist das Vorgehen der Wirtschaftskommission des Ständerats für die Verfechter der ursprünglichen Motion aus dem Nationalrat ein Affront. «Die Medien müssen den Grossbanken auf die Finger schauen können, um dreckige Geschäfte aufzudecken», sagt der Waadtländer SP-Nationalrat Samuel Bendahan. «Der Ständerat will dieses Anliegen nun ins Gegenteil verkehren. Wir wollten eine Stärkung der Medienfreiheit, nun ist daraus eine veritable Attacke auf den Journalismus geworden.» Eine solche Einschüchterung von Journalistinnen und Journalisten sei für die Demokratie brandgefährlich.