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Armeefinanzen der Schweiz
Amherd will 3,5 Milliarden ausgeben – obwohl sie Zahlungen aufschieben muss

Bundespraesidentin Viola Amherd, rechts, spricht neben Korpskommandant Thomas Suessli, Chef der Armee, links, an einer Medienkonferenz zur Armeebotschaft 2024, am Mittwoch, 14. Februar 2024, im Medienzentrum Bundeshaus in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
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Lücken bei der Artillerie! Ein Heer ausser Gefecht! Und das in einer Zeit, in der die Lage in Europa brandgefährlich ist! Wenn Armeechef Thomas Süssli in den letzten Tagen über die Schweizer Verteidigungsfähigkeit sprach – und das tat er oft –, malte er ein düsteres Bild. Dass Süssli auf allen Kanälen zu Wort kam, hatte aber eigentlich einen anderen Grund: die aktuelle Situation bei den Armeefinanzen. Die Armee muss Zahlungen in Höhe von über einer Milliarde Franken auf die nächsten Jahre verschieben. Amherd betonte bisher nur kurz und knapp: Die Armee könne ihre Rechnungen bezahlen. Es blieben viele Fragezeichen.

Jetzt, nur rund zwei Wochen nach der ersten Schlagzeile zum «Finanzloch» der Armee, will Viola Amherd beim Parlament neue Rüstungskäufe beantragen. Um das zu erklären, sitzt die Verteidigungsministerin am Mittwoch neben Armeechef Süssli und Rüstungschef Loher vor Dutzenden Journalisten. 

Kritische Fragen von bürgerlichen Bundesräten

Zuerst listet Amherd mehrere Beträge auf: 2024 plant sie ein Rüstungsprogramm für 490 Millionen Franken. Für die Zeit von 2024 bis 2027 beantragt sie einen Verpflichtungskredit von 3,52 Milliarden Franken für Armeematerial. Der Zahlungsrahmen, also die maximalen Ausgaben der Armee, sollen von 2025 bis 2028 sogar satte 25,8 Milliarden Franken betragen – ein rekordverdächtiger Betrag. Amherd versichert gleichzeitig: Dass der Bundesrat jetzt mehr Geld für die Armee beantrage, bedeute nicht, dass dieses sofort ausgegeben werde. Dann holt sie zu einer Medienschelte aus – was für die Mitte-Bundesrätin ungewöhnlich ist. 

Sie sagt, die Armee habe kein Finanzloch. Das sei nicht richtig dargestellt worden. «Aus finanzpolitischer Sicht sind die aktuellen Verhältnisse alles andere als exotisch.» Die Armee habe schon immer Zahlungen in andere Jahre verschoben. «Stellen Sie sich vor, Sie wollen Ihre Wohnung sanieren. Sie machen einen Plan dafür, aber dann erfahren Sie plötzlich, dass Sie im nächsten Jahr weniger verdienen.» Dann gelte es, die Küche vorzuziehen und die Sanierung des Bads um ein Jahr zu verschieben. Ähnlich sei es bei der Armee. Der «Überhang» sei derzeit etwas grösser als in den letzten Jahren. Sprich: Es würden etwas mehr Zahlungen verschoben. Die Situation sei aber keineswegs einzigartig, so Amherd. Dies, obwohl der Armeechef vor zwei Wochen noch von einem «Liquiditätsengpass» gesprochen hatte. 

Es war wohl nicht das erste Mal an diesem Tag, dass Amherd sich erklären musste. Denn auch aus den Departementen ihrer Bundesratskollegen kamen kritische Fragen zu den Armeefinanzen. Mehrere Quellen bestätigen, dass gleich vier Departemente Mitberichte zur Armeebotschaft eingereicht haben: das Finanz-, das Aussen-, das Wirtschafts- sowie das Umwelt- und Verkehrsdepartement. Bemerkenswert ist, dass diese allesamt von bürgerlichen Bundesräten geleitet werden, die der Armee im Normalfall weniger kritisch gegenüberstehen.

Dass Amherd für ihre Pläne im Bundesrat trotzdem eine Mehrheit fand, dürfte damit zusammenhängen, dass nicht alle vier Departemente effektiv Kritik an den konkreten Plänen äusserten. Dem Vernehmen nach wollte etwa Röstis Umweltdepartement vor allem Antworten zur Situation bei den Armeefinanzen bekommen. In Parmelins Wirtschaftsdepartement soll es hingegen kritisch gesehen werden, dass Amherd im Gegensatz zu allen anderen Bundesräten nicht sparen muss. Die Armee wird bereits zum zweiten Mal von den Querschnittskürzungen ausgenommen, die wegen des Defizits beim Bund nötig werden. 

Will Amherd überhaupt schneller mehr Geld?

Dass die Armee Rüstungskäufe beantragt, obwohl sie derzeit Zahlungen verschiebt, erklärt Armeechef Süssli gern mit dem Bild eines Hockeyschlägers. Dabei geht es nicht um eine Sportmetapher, sondern um ein volkswirtschaftliches Konzept. Der Hockeyschläger beschreibt die Form der Kurve, in der das Armeebudget bis 2035 ansteigen wird: Zuerst ist sie flach, kann sogar leicht nach unten verlaufen, dann wird sie sehr steil und zeigt lange nur nach oben. 

Derzeit befindet sich die Armee im flachen Teil des Hockeyschlägers, und das bereitet ihr Probleme. Trotzdem will sie ihre Planungen und Bestellungen nicht komplett aussetzen. Denn Rüstungsgüter sind vor allem in Europa aktuell begehrt. 30 bis 36 Monate dauert es laut dem Rüstungschef Urs Loher von der Bestellung bis zur Lieferung. Was die Armee dem Parlament jetzt beantragt, muss sie erst ab 2028 bezahlen. Und bereits ab 2027 wächst das Armeebudget stärker. Beschaffen will die Armee in den kommenden Jahren etwa neue Radare und eine bodengestützte Luftverteidigung kurzer Reichweite. Zudem will sie die Leopard-2-Kampfpanzer instand halten. 

Zuerst wollte das Parlament das Armeebudget schon bis 2030 auf 1 Prozent des Bruttoinlandprodukts erhöhen. Der Bundesrat verschob das Ziel dann auf 2035 – und im Dezember folgte ihm auch das Parlament. 

Amherd hatte sich letztes Jahr im Bundesrat nicht gegen die Verschiebung auf 2035 gewehrt. Auf die Frage eines Journalisten, ob sie es begrüssen würde, wenn das Parlament doch wieder ein schnelleres Wachstum fordern würde, sagte sie: «Das Parlament muss selber entscheiden, was es will.» Sie sei Teil der Kollegialregierung, die auch eine Gesamtschau machen müsse. Der Bundesrat sei zum Schluss gekommen, dass es Sinn ergebe, das 1-Prozent-BIP-Ziel auf 2035 zu verschieben.

Wenig später liess die Verteidigungsministerin dann aber doch durchblicken, dass ihr ein schnelleres Wachstum lieber wäre. Auf die Frage nach der Armee ihrer Träume sagte Amherd, sie wolle schlicht die Verteidigungsfähigkeit stärken. «Und mein Ziel wäre natürlich, dass man das möglichst schnell machen könnte.»