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Meinung

Replik zur Finanzpolitik
Den Bundeshaushalt zu stabilisieren, dient der nächsten Generation

Eine Spardose in Form eines Schweins (Sparschwein), fotografiert in einer Wohnung, am Montag, 25. Maerz 2024 in Zuerich. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
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Wenn das Parlament dem Vorschlag des Bundesrats zur Konsolidierung der Bundesfinanzen folgt, dann radikalisiert es die Wähler, erhöht die Schuldenquote und treibt Menschen in den Freitod. Diesen Eindruck bekommt, wer die Kolumne von Adrian Vatter und Rahel Freiburghaus vom 6. Oktober liest. Ihre implizierten Aussagen sind fragwürdig.

Gemäss ihrer Hauptstudie zur politischen Radikalisierung würde sich das Schweizer Konsolidierungspaket nicht als Austeritätspolitik qualifizieren: Mit 0,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts sind die Massnahmen mehr als zehnmal schwächer als die Sparpakete in den Ländern, bei denen es zu einer Zunahme von Wählerstimmen für extremere Parteien kam. Die aktuellen Vorschläge sehen überdies nur ein Dämpfen des starken Wachstums des Bundesbudgets vor – statt um 3 nur noch um 2 Prozent pro Jahr.

Im Gegensatz zur Argumentation der Kollegen folgt aus den Ergebnissen zudem eine umgekehrte Logik: Die graduellen Korrekturen sollen gerade verhindern, dass die Schweiz auf eben jene «fiskalische Klippe» zusteuert, die zu massiv negativen Konsequenzen führt.

Sparen muss nicht sozial ungerecht wirken

Eine übermässige Defizitfinanzierung birgt hingegen die Gefahr, dass es zukünftig zu drastischen Notkürzungen kommt. Verwerfungen drohen also, wenn man jetzt auf Massnahmen verzichtet. Man erinnere sich an den harten Austeritätskurs des deutschen Kanzlers Heinrich Brüning nach dem Ersten Weltkrieg. 

In der Kolumne von Vatter und Freiburghaus werden ausserdem jene wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht erwähnt, die der Diagnose eines «zu Tode Sparens» widersprechen: Sparen muss weder ökonomisch rezessiv noch sozial ungerecht oder politisch radikalisierend wirken.

Ein Forscherteam um den Harvard-Ökonomen Alberto Alesina hat etwa gezeigt, dass die Schuldenlast bei ausgabebasierten Konsolidierungen innerhalb weniger Jahre erfolgreich reduziert wurde. Und um ein solches Paket handelt es sich beim Bund. ​Ein Beispiel hat die Schweiz schon erlebt. Von 1999 bis 2003 betrug das durchschnittliche Wirtschaftswachstum 1,4 Prozent, während der Entlastungsprogramme von 2004 bis 2008 lag es bei 3,2 Prozent. Es trat keine Rezession ein, Alesina und seine Co-Autorin Silvia Ardagna sprechen gar von einer «expansiven Haushaltskonsolidierung».

Sparen ist unbeliebt, wird aber verstanden

Eine Studie von 2019 zeigt zudem auf, dass Konsolidierungen bei den Bürgern zwar unbeliebt sind, diese jedoch ihre Notwendigkeit verstehen.​ Budgetkürzungen müssen sich daher nicht negativ auf die Regierung und die demokratische Stabilität oder zugunsten von politischem Extremismus auswirken.​ Eine gute Umsetzung von Massnahmen wird politisch oft honoriert. ​

​Es empfiehlt sich, die Bestandteile des Entlastungspakets einzeln zu analysieren. Die vorgeschlagenen Reformen sind vielfach nicht nur fiskalisch sinnvoll, sondern auch sozial fair und ökologisch nachhaltig. So werden Subventionen an organisierte Interessengruppen vom Tourismus bis zur Viehwirtschaft zurückgefahren. Und Zahlungen an bestimmte Klimaschutzprogramme werden hinterfragt, weil sie aufgrund von Interaktionen mit dem Emissionszertifikatehandel keine effiziente CO2-Reduzierung bewirken können. 

Die Massnahmen werden spürbar sein. Die Konsolidierung des Bundeshaushalts ist aber entscheidend, damit wir kommende Generationen nicht an die «fiskalische Klippe» schubsen, vor der Vatter und Freiburghaus warnen.

Christoph A. Schaltegger ist Direktor des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) an der Universität Luzern. Martin Mosler ist Bereichsleiter für Fiskalpolitik am IWP.