Schülerstreiks: Deutschlands erfolgreichster Grüner hat genug
Winfried Kretschmann regiert seit acht Jahren Baden-Württemberg und verliert langsam die Geduld. Kanzlerin Merkel lobt noch.
«Worauf wir uns verlassen wollen»: Winfried Kretschmann hat im letzten Herbst ein Buch veröffentlicht, das eine «neue Idee des Konservativen» entwirft. Das ist insofern bemerkenswert, als Kretschmann ein Politiker der Grünen ist, und zwar einer der erfolgreichsten überhaupt.
Als einziger Grüner regiert er seit acht Jahren ein deutsches Bundesland, mit Baden-Württemberg zudem eines der grössten und reichsten. Seine Anhänger halten ihn für einen Vordenker der «neuen linken Bürgerlichkeit», seine Kritiker jedoch für einen Pragmatiker, der an der Macht zum mutlosen Opportunisten degeneriert sei.
«Das kann keine Dauerveranstaltung sein»
Gerade spaltet der bald 71-Jährige wieder sein eigenes Lager. Nach einem Gespräch mit vier Schülervertretern, die jeweils freitags Klimaschutzdemos organisieren, sagte Kretschmann in Stuttgart, er teile zwar das Motiv der Proteste, finde aber, dass die Schulstreiks langsam an ein Ende kommen müssten.
Er sehe es kritisch, dass die Jugendlichen während der Schulzeit demonstrierten: «Vor allem kann das nicht immer so weitergehen.» Die Schüler zeigten zwar zu Recht Leidenschaft. Es gehe ja tatsächlich um ihre Zukunft. Dafür einmal die Schule zu schwänzen, falle unter zivilen Ungehorsam. «Nur: Ziviler Ungehorsam ist ein symbolischer Akt. Das kann keine Dauerveranstaltung sein.»
Wenn man Regeln verletze, müsse man zudem mit Sanktionen rechnen, das gehöre zum zivilen Ungehorsam dazu. «Wenn man sanktioniert wird, darf man nicht jammern.»
Erste Schulen drohen mit Sanktionen
Kretschmann selbst drohte in den 70er-Jahren als früherem Maoisten und angehendem Biologielehrer ein Berufsverbot, er hat also eine Ahnung, wovon er spricht. Er glaubt, irgendwann werde es zu Strafen gegen klimastreikende Schüler kommen. «Sonst sucht sich zum Schluss jeder sein Thema aus, das er irgendwie moralisch auflädt – und das geht nicht.»
Erste deutsche Schulen haben gerade begonnen, mit Sanktionen zu drohen. Am Montag setzte der Direktor des Wilhelm-Hausenstein-Gymnasiums in München einen Rundbrief auf. Seine Schule habe bisher wohlwollend auf die Absenzen junger Klimaaktivisten reagiert. Doch von dieser Woche an solle wieder das Gesetz gelten, das Schule, Eltern und Schüler zur Gewährleistung des Unterrichts zwinge.
Künftig werde man klimastreikbedingtes Fehlen nicht nur mit Verweisen ahnden, sondern allenfalls auch mit Geldbussen für Eltern. An der Schule sprach man von bis zu 350 Euro. Möglich sind Bussgelder durchaus, da Schwänzen rechtlich eine sogenannte Ordnungswidrigkeit ist. In der Vergangenheit wurden sie aber eher gegen Eltern verhängt, die kurz vor Beginn mit ihren Kindern in die Ferien fuhren.
Bisher ist es in Deutschland weitgehend den Schulen überlassen, wie sie mit den «Friday for Future»-Streiks umgehen. Doch mit zunehmender Dauer der Proteste könnte das Beispiel aus München Schule machen.
«Es ist richtig, dass ihr uns Dampf macht.»
Noch immer gibt es freilich auch freundliche Töne. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel diese Woche ein Berliner Gymnasium besuchte, lobte sie die jugendliche Klimaschutzbewegung erneut überschwänglich. «Es ist richtig, dass ihr uns Dampf macht», sagte sie bei einer Diskussion mit Schülern. Um die nationalen Klimaziele bis 2030 noch zu erreichen, brauche es vor allem im Verkehr einschneidende Massnahmen. «Das können wir nur durch einen radikalen Wandel zu Elektromobilität oder Wasserstoff oder ganz anderen Dingen erreichen», sagte sie.
Merkel, die 1995 als Umweltministerin von Helmut Kohl die allererste Weltklimakonferenz in Berlin zu einem Erfolg geführt hatte, galt lange als Klimakanzlerin. Sie hat diesen Ruf und den früheren Ehrgeiz aber längst wieder verloren. Es sei so gesehen schon kurios, urteilte kürzlich die sehr klimabewegte «Zeit», dass Merkel ausgerechnet Demonstranten lobe, die gegen die Folgen ihrer Politik auf die Strasse gingen.
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