35'000 Menschen demonstrieren – allein in der Schweiz
In Lausanne, Zürich, Bern und weiteren Städten nehmen Zehntausende Jugendliche am Klimastreik teil. Weltweit sind es Hunderttausende.
Schweizer Jugendliche fordern im Klimaschutz Taten statt Worte. Um ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen, gehen sie am weltweiten Protesttag vom Freitag unter dem Motto «Klimastreik» im ganzen Land auf die Strasse. Erneut haben sich sich viele Erwachsene der Jugendbewegung angeschlossen.
Kurz nach 15 Uhr belief sich die Summe der aktuellsten Schätzungen der Polizeien, der Nachrichtenagentur SDA und der Veranstalter auf rund 35'500 Menschen, die in Schweizer Städten für das Klima demonstrierten.
Lausanne: 10'000 Teilnehmer
In Lausanne schwänzten Tausende Jugendliche die Schule, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Die Polizei schätzte die Zahl der Teilnehmer auf rund 10'000.
Um 10.30 Uhr startete der Protestmarsch, der vom Bahnhof ins Stadtzentrum führte. Auf Schildern und Transparenten konnte man lesen: «Ohne einen Planeten werden wir dumm aussehen», oder «Wir sind heisser, heisser als das Klima» war einer der lautstarken Sprechchöre, die zu hören waren.
Während des ersten Klimastreiks in der Schweiz Mitte Januar gingen in Lausanne mehr als 8000 junge Menschen auf die Strassen. Die zweite Aktion Anfang Februar mobilisierte in der Waadtländer Hauptstadt rund 10'000 Menschen.
Zürich: 12'000 Teilnehmer laut Organisatoren
In Zürich marschierten Tausende nach der Besammlung auf der Polyterrasse bei der ETH bei Wind und Regen durch die Innenstadt Richtung Helvetiaplatz. Gemäss Organisatoren waren 12'000 Menschen an der Demonstration beteiligt.
Trotz des miesen Wetters herrschte beste Stimmung. Auf Transparenten waren Sprüche zu lesen wie «Make Love, not CO2», «S Klima isch am wandle, mir münd handle», «Es gibt keinen Planeten B», «Wir wollen eine verantwortungsvolle Klimapolitik», «Wer, wenn nicht wir, wo wenn nicht hier, wann wenn nicht jetzt?».
Kanton Bern: 10'000 Teilnehmer
Im Kanton Bern sind laut der Nachrichtenagentur SDA gegen 10'000 Jugendliche für den Klimastreik auf die Strasse gegangen. Allein in der Stadt Bern forderten laut Angaben der Organisatoren rund 8000 Demonstrierende lautstark «Klimagerechtigkeit», und dies: «Jetzt!»
Um 12 Uhr platzte der Waisenhausplatz bereits aus allen Nähten. Jugendliche, aber auch viele ältere Menschen und Familien mit Kleinkindern waren dem Aufruf zum Klimastreik gefolgt. Viele brachten selbst bemalte Kartonschilder und Transparente mit, mit denen sie den «Klimanotstand» einforderten.
Weitere Aktionen waren am Freitag in Thun und Biel vorgesehen. In Thun nahmen laut Angaben der Organisatoren rund 800 Personen teil, in Biel wiederum trotzten rund 500 Personen beim Umzug durch die Innenstadt Wind und Wetter.
Basel: 2000 Teilnehmer
In Basel sind weit über tausend junge Menschen für den Klimaschutz auf die Strasse gegangen. Schon am Vortag hatten einige von ihnen das Kasernenareal besetzt und dort ein Klimacamp errichtet.
Dieses Klimacamp war auch das Ziel des inzwischen vierten Basler Demonstrationszugs im Rahmen der weltweiten Klimastreik-Bewegung. Zusammen mit den Jungen marschierten am frühen Nachmittag auch zahlreiche ältere Menschen mit Transparenten vom Münsterplatz über die Mittlere Brücke ins Kleinbasel. Insgesamt waren rund 2000 Leute unterwegs.
Luzern: Rund 1500 Menschen
Rund 1500 vor allem junge, aber auch ältere Menschen haben am Freitagmittag in Luzern für einen stärkeren Klimaschutz demonstriert. In der Stadt wollen sie einen Bevölkerungsantrag einreichen, der die Ausrufung des Klimanotstands verlangt.
«Klimaschutz – Gopfridstutz» riefen die Demonstranten auf ihrem Weg durch die Stadt, der sie vom Schwanenplatz via Theater zum Helvetiagärtli führte. Auf Transparenten waren Sprüche zu lesen wie «Oma, was ist Schnee?» oder «Make Love, not CO2».
Dezentrale Jugendbewegung
Die Klimastreiks in der Schweiz werden von einer dezentralen Jugendbewegung organisiert, die weder an eine Partei noch an eine Organisation gebunden ist, wie es auf der Webseite der Organisatoren weiter heisst. Am 14. Dezember hatte der erste Klimastreik mit rund 300 Teilnehmenden in Zürich stattgefunden.
Unterdessen ist die Bewegung gewachsen. Anfang Februar demonstrierten in 14 Schweizer Städten Tausende Schülerinnen und Schüler, Eltern, Grosseltern und andere Sympathisanten für einen besseren Klimaschutz und die Ausrufung des Klimanotstands. Nach Angaben der Polizei waren es landesweit mehr als 38'000 Personen, laut den Organisatoren waren es 65'000 Menschen.
Sommaruga zeigt Verständnis
Bundesrätin und Umweltministerin Simonetta Sommaruga versteht die Ungeduld der Jugendlichen, wie sie in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA in Nairobi (Kenia) sagte. «Wir müssen jetzt Antworten geben, denn der Klimawandel ist auch in der Schweiz angekommen», sagte Sommaruga am Donnerstag in Nairobi.
Dort hatte sich die Bundesrätin an der vierten Vollversammlung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unea-4) für eine Stärkung der internationalen Umweltpolitik ausgesprochen. Nicht nur international setzt sich Sommaruga für Umweltschutz ein, sie setze sich im Parlament mit all ihren Möglichkeiten für die Ausarbeitung des CO2-Gesetzes ein, sagte Sommaruga.
Demonstrationen weltweit
Weltweit gingen Hunderttausende Jugendliche für einen radikalen Kurswechsel hin zu mehr Klimaschutz auf die Strasse. Rund um den Globus waren mehr als 2000 Kundgebungen und Schülerstreiks in mehr als 120 Staaten angekündigt.
Begonnen hatte die Protestwelle am frühen Morgen in Asien und Ozeanien, wo ebenfalls Zehntausende junge Menschen auf die Strassen gingen. Demonstrationen gab es etwa in Sydney, Bangkok, Delhi und Hongkong. Teilnehmer trugen dabei Plakate wie «Ihr zerstört unsere Zukunft» und «Wenn ihr euch nicht wie Erwachsene verhaltet, tun wir es» oder «Wir streiken, um die Erwachsenen weiterzubilden».
In Deutschland versammelten sich Zehntausende junge Leute auf der Strasse. In Berlin, Köln und Bremen zogen bereits am Vormittag jeweils Tausende Schüler mit handgemalten Plakaten und Sprechchören durch die Stadt. In ganz Deutschland sind mehr als 220 Protestaktionen geplant.
Auf Plakaten bei Protesten in Deutschland hiess es unter anderem: «Wir lernen nicht für eine zerstörte Zukunft» oder «Fehlstunden verkraften wir, Klimawandel nicht». Andere hatten Schilder dabei mit Aufschriften wie «Die Dinos dachten auch, sie hätten Zeit» und «Wäre die Welt eine Autofirma, hättet ihr sie längst gerettet».
In Rom strömten Tausende Schüler zu den Kaiserforen und forderten lauthals einen Wechsel in der Klimapolitik. Dabei skandierten sie vor der historischen Kulisse und bei strahlendem Sonnenschein Sprüche wie «Wir haben nur einen Planeten» oder «Wir sind der Wandel».
In Indien beteiligten sich insgesamt einige hundert Schüler in der Hauptstadt Neu Delhi sowie weiteren Städten. In Gurugram, einem Vorort von Neu Delhi, trug ein Mädchen einen Kittel, auf dem «Ich will nicht ersticken» stand. Neu Delhi und Gurugram (früher Gurgaon) gehören laut Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO zu den 13 Städten mit der schlimmsten Feinstaubbelastung weltweit – alle 13 liegen in Nordindien.
In Neuseeland, wo die ersten Proteste weltweit anliefen, sagte die 18-jährige Koordinatorin Sophie Handford der Nachrichtenagentur DPA: «Wir sind die, die diese Erde erben werden. Wir verdienen es, darüber mitreden zu dürfen, welche Art von Zukunft wir haben werden.»
Unterstützung von Wissenschaftlern
Unterstützung bekommt die ursprünglich von jungen Leuten initiierte Bewegung auch aus anderen Generationen. So haben rund 20'000 Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz eine Stellungnahme unterzeichnet, um dem Anliegen der Klimabewegung Nachdruck zu verleihen.
Auch Eltern stellen sich mit «Parents for Future» an die Seite der Jugendlichen. Sie bitten unter anderem darum, auf Schulverweise oder andere disziplinarischen Massnahmen zu verzichten, wenn Schüler für Proteste dem Unterricht fernbleiben.
«Erwachsenen spenden keine Hoffnung»
Die Schülerproteste gehen auf die schwedische Schülerin Greta Thunberg zurück. Sie hatte vergangenes Jahr begonnen, jeden Freitag vor dem schwedischen Parlament für Klimaschutzmassnahmen zu demonstrieren, statt in die Schule zu gehen. Dafür wurde sie mittlerweile für den Friedensnobelpreis nominiert.
«Wir erleben nur den Anfang», schrieb Thunberg auf Twitter zu der jüngsten Protestwelle. «Ich denke, dass der Wandel am Horizont zu sehen ist und die Menschen für ihre Zukunft aufstehen.»
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In einem Beitrag im britischen «Guardian» schrieb Thunberg zusammen mit anderen jugendlichen Organisatoren der Initiative «Fridays For Future»: «Diese Bewegung musste kommen, wir hatten keine Wahl.»
Dass «etwas sehr falsch läuft» hätten ihnen die jüngsten Wald- und Buschbrände etwa in Schweden und den USA sowie die Überschwemmungen und Dürreperioden in Australien und Deutschland gezeigt. Die Erderwärmung nannten sie die «grösste Gefahr, der die Menschheit jemals gegenüber stand».
Von den Erwachsenen erwarte die Bewegung nicht, dass sie der Jugend Hoffnung spende, schrieben Thunberg und ihre Mitstreiter. «Wir wollen, dass ihr in Panik geratet und handelt. Wir wollen, dass ihr euch anschliesst.» Konkret müsse schnell weltweit der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas organisiert werden. Subventionen für diese Art «schmutziger Energie» gehörten abgeschafft, stattdessen müsse viel mehr Geld in erneuerbare Energien fliessen.
Zeit drängt
Trotz anhaltender Warnungen von Wissenschaftlern vor den Folgen der Erderwärmung hat der weltweite Ausstoss von klimaschädlichem Kohlendioxid in den vergangenen zwei Jahren neue Rekordwerte erreicht. Schon jetzt hat sich die Erde nach Befunden des Weltklimarats IPCC gegenüber der vorindustriellen Zeit um etwa ein Grad erwärmt. Die Jahre 2015 bis 2018 waren nach Analysen der Weltwetterorganisation die vier wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen im 19. Jahrhundert.
Geht es weiter wie bisher, ist Ende dieses Jahrhunderts die Welt wohl gut drei Grad wärmer. Zu den fatalen Folgen gehören mehr Hitzewellen, längere Dürren sowie mehr Stürme, Starkregen und Hochwasser. Um den Trend zu stoppen, muss der Ausstoss von Treibhausgasen etwa aus der Verbrennung von Kohle und Öl oder aus der Tierhaltung stark reduziert werden.
SDA/mac
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