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Pro und Kontra Schottergärten
Soll man die «Steinwüsten» verbieten?

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Ja. Das Grauen in Grau muss grün werden.

Diese Steine, sie wecken Emotionen. 

Für manche Eigenheimbesitzer stehen sie für nichts weniger als den Sieg über die Natur. Eine tausendfache Bestätigung dafür, dass Ordnung ins natürliche Chaos gebracht wurde. 

Die Mehrheit aber macht diese Steine nur eines: hässig. Gerade lässt sich dies wieder gut verfolgen. 

Solothurn hat als erster Kanton die mit einem Vlies versiegelten Schottergärten verboten. Zürich wird folgen. Die Reaktionen darauf: zu einem grossen Teil hämisch. Die Kommentarspalten – auch zu diesem Artikel – lassen sich so zusammenfassen: Endlich werden diese Steinwüsten gestoppt! Endlich verschwinden diese «Gärten des Grauens»! 

Ich kann mich diesen Voten nur anschliessen. Das Grauen in Grau muss grün werden. Nicht weil die Schutthalde als Stilvorlage für Gartendesign, sagen wir es so, fragwürdig ist. Auch nicht weil eine staatlich verordnete Gartenästhetik das Ziel sein muss. Gegen Schottergärten sprechen schlicht: harte Fakten. 

Messungen haben ergeben, dass in solchen «Gärten» die Temperaturen auf über 50 Grad ansteigen können. Dazu sinkt die Biodiversität rapide. Und: Durch die Versiegelung der Böden mit Plastikvlies gelangt weniger Wasser in den Bodengrund. Für den bereits abnehmenden Grundwasserspiegel ist das ein Problem. Laut einem Bericht des Bundes sind bereits acht Prozent des Landes bebaut. Und mehr als die Hälfte davon ist versiegelt. 

Dieses Land braucht in Zeiten des Klimawandels also sicher nicht noch mehr solcher Flächen. Sondern weniger. Die Eigenheimbesitzerinnen und -besitzer sind darum gefordert. Denn das Klima endet nicht am Gartenzaun. 

Die Mär vom pflegeleichten Garten

Und von einer Beschneidung der persönlichen Freiheiten, gar dem Eigentumsrecht, wie es die Solothurner SVP behauptete, kann nicht die Rede sein. Wer den wegweisenden Entscheid im Kanton Solothurn genau liest, erfährt, dass mit Trockenpflanzen versetzte Steingärten durchaus noch erlaubt sind. Nur versiegelte Flächen, auf denen jegliches Leben weggeschottert wird, sind künftig verboten. Damit lässt sich leben. Und wohnen. 

Das sagen auch Gartenprofis. Und räumen dabei gleich mit der Mär auf, wonach ein versiegelter Schottergarten pflegeleicht ist und kaum Arbeit macht. Das Gegenteil ist der Fall. Denn nach einiger Zeit sammelt sich zwischen den Schottersteinen organisches Material an. Einzige Option in diesem Kampf gegen Unkraut: der Laubsauger.

Man muss sich kurz vorstellen, zu welchen Situationen dies führt: Menschen stehen in diesem Land leibhaftig im Schotter und saugen die Natur aus dem Stein. 

Wir müssen alles tun, um solche vulgären Bilder in hiesigen Gärten zu vermeiden. Für die Natur. Für stilvolle Gartenarbeit.

Yann Cherix

Nein. Das ökologische Argument ist scheinheilig.

Und plötzlich findet man sich in einer Rolle wieder, die man nie gesucht hat: Verteidiger des Schottergartens. Eine undankbare Aufgabe, denn tatsächlich gibt es kaum gute Argumente für diese Form der Gartengestaltung. Aber die Frage lautet nicht, ob man Schottergärten schön und sinnvoll findet. Die Frage lautet, ob man sie, wie in Solothurn und Zürich, verbieten soll. Und damit ein weiteres Stück privates Terrain einem üppig wuchernden Gestrüpp preisgibt: keines aus Blättern und Blüten, sondern eines aus Paragrafen und Fussnoten.

Wer schon den eigenen Umschwung zu gestalten versuchte, kennt diesen Dschungel. 

Sie leben in Zürich und möchten auf Ihrem Grundstück am Rand des Quartierwegs einen kleinen, überdachten Unterstand für Ihr Lastenvelo errichten? Keine Chance, streng verboten: Nichts darf näher als 3,5 Meter an den Wegrand gebaut werden (§ 265 Planungs- und Baugesetz in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 Bau- und Zonenordnung). 

Für ein grösseres Gartenhäuschen bräuchten Sie ohnehin eine baurechtliche Bewilligung. Aber bei der Bepflanzung des Gartens sind Sie dafür ja wohl hoffentlich frei? Irrtum: Klären Sie sorgfältig ab, ob die Pflanze Ihrer Wahl unter die Kategorie der Sträucher, Gartenbäumchen, Zwergobst- oder gar Feldobstbäume fällt. Je nachdem gelten zu den Nachbargrundstücken Mindestabstände von 60 Zentimetern, 4 Metern – oder auch 8 Meter, wenn es eine Platane oder ein schöner Nussbaum sein soll. Für Letztere will der Kanton Zürich übrigens den Abstand nun grosszügigerweise auf 4 Meter senken. Und denken Sie immer daran, alle unbewilligt sich einnistenden Neophyten zu entfernen. Die Tessinerpalme ist ab September verboten.

Minderheiten zu drangsalieren, ist bequem

Wenn es im Gartenregulierungsdickicht irgendetwas nicht gibt, dann Bedarf nach zusätzlicher Verdichtung. «Lichten statt verdichten» müsste die Devise sein. Jedes zusätzliche Verbot ist da eines zu viel. Und ja, manchmal geht es ums Prinzip.

Zumal das ökologische Argument scheinheilig wirkt: Am Schottergarten wird der Klimaschutz nicht scheitern. Scheitern wird er eher daran, dass eine Mehrheit nicht mehr Geld bezahlen will fürs Fliegen oder fürs Autofahren. Aus diesem Grund wurde vor drei Jahren das CO₂-Gesetz vom Volk abgelehnt – im Kanton Solothurn etwa mit 56 Prozent. Bequemer ist es da, die kleine Minderheit der Schottergärtner in ihren Eigenheimen zu drangsalieren.

Würde man den umgekehrten Weg gehen und den Leuten mehr Freiheit zugestehen, gäbe es am Ende die attraktiveren Gärten. Ohne dass der Staat die Harke schwingt. 

Fabian Renz