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Treffen mit Schauspielerin Ella Rumpf
«Man stempelte mich als Träumerin ab»

Zürich 13.12.23 Ella Rumpf 
Porträt/Gespräch mit der Schweizer Schauspielerin, die bei HBO ebenso erfolgreich ist wie in Kinofilmen.
 © Samuel Schalch
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In der Schweiz gibt es nicht so viele Schauspielerinnen, die in HBO-Serien und in europäischen Autorenfilmen mitspielen. Genau genommen gibt es nur eine einzige, die es derzeit auf so hohem Niveau tut.

Ella Rumpf (28) ist in Zürich mit französisch-schweizerischen Eltern aufgewachsen und hatte Rollen in den Serien «Tokyo Vice» von Michael Mann oder der Netflix-Produktion «Freud». Sie wurde in Dramen wie «Chrieg» oder «Grave» besetzt. Viele unbändige und unzimperliche Frauen spielte sie da, aber jetzt verkörpert sie eine völlig andere Figur: die unauffällige Mathematikstudentin im französischen Drama «Le théorème de Marguerite».

Ein brillanter Nerd

Rumpf ist gerade von einem Dreh in den Wäldern des Peloponnes zurückgekehrt. Ein Debütfilm, spannende Sache, mit dem grossartigen Zlatko Buric aus «Triangle of Sadness». Nach der Drehbuch-Lektüre habe sie vor allem Fragen gehabt, erzählt Rumpf in einem Kinofoyer in Zürich. Das interessiere sie am meisten, die kleineren, originellen Stimmen. So eines ist auch das Drama über die Mathematikstudentin, das jetzt im Kino läuft.

Zürich 13.12.23 Ella Rumpf 
Porträt/Gespräch mit der Schweizer Schauspielerin, die bei HBO ebenso erfolgreich ist wie in Kinofilmen.
 © Samuel Schalch

Die Zürcherin ist das ziemliche Gegenteil ihrer Figur in «Le théorème de Marguerite». Hier die alerte Schauspielerin, die ins Plaudern kommt, aber auch ungeduldig werden kann. Dort die verschupfte Mathematikstudentin Marguerite, die sich vor der Welt zu ducken scheint. Allen Blicken weicht sie aus. Ein Nerd, sozial schwierig, in der Sache brillant.

Jedenfalls so lange, bis in ihrer Dissertation an der renommierten École normale supérieure in Paris ein Fehler entdeckt wird. Marguerite schmeisst die Mathematik hin. Aber natürlich gilt auch in dieser Geschichte das alte Gesetz von «Good Will Hunting», wonach jemand, der sein Talent nicht verwirklicht, Verrat an der Welt begeht. «Le théorème de Marguerite» wird zur Heldenreise einer genialen Forscherin, die mit ihrem Umfeld nicht zurechtkommt.

Unauffällig, aber brillant: Ella Rumpf in «Le théorème de Marguerite».

Sie habe sich in ihrer Jugend als Aussenseiterin gefühlt, sagt Ella Rumpf. «Man stempelte mich als Träumerin ab.» Das habe sie ängstlich gemacht. Die Geschichte von Marguerite erzähle von der Erfahrung, dass man sich nicht von der Welt zurückziehen kann, sondern rausgehen und sich verletzlich zeigen müsse. Auch in Freundschaften und Liebesbeziehungen.

Ein anderes Problem: Wie inszeniert man Mathematik auf begeisternde Art? In «Le théorème de Marguerite» tun Mathematikerinnen und Mathematiker, was sie im Kino immer tun. Sie stehen vor der Wandtafel, schreiben lange Formeln auf, die kein Mensch versteht, und bewegen dazu geräuschlos die Lippen.

Wenn Ella Rumpf als Marguerite eine Gleichung kritzelt, tut sie es mit einer verbissenen Hingabe. Man begreift die Passion. Als gäbe es nichts anderes auf der Welt als diese Zeichen aus Kreide. Und etwas anderes gibt es für Marguerite irgendwann tatsächlich nicht mehr. Hat man am Ende die Schönheit der Mathematik verstanden? Nicht unbedingt, aber der Film von Regisseurin Anna Novion ist ja zuallererst ein psychologisches Drama.

Zürich 13.12.23 Ella Rumpf 
Porträt/Gespräch mit der Schweizer Schauspielerin, die bei HBO ebenso erfolgreich ist wie in Kinofilmen.
 © Samuel Schalch

Rumpf hat im Schultheater angefangen und ein Praktikum bei der wichtigsten Schweizer Casterin Corinna Glaus gemacht. Auf die winzige Rolle als adeliger Gast an einer Hochzeitsparty in «Succession», die sie kürzlich hatte, sei sie durchaus schon angesprochen worden, «aber das waren ja nur drei Sekunden» (es waren etwas mehr). Rumpf wurde für den Part angefragt und dann zum Dreh in die Toskana bestellt.

«Succession» übrigens, «sehr beeindruckend», eine Top-Produktion auf einem anderen Level, vier Kameras gleichzeitig, die auf 35-mm-Film drehen. «Du spürst, dass Geld vorhanden ist.» Im Gegensatz zur Masse an Streamingprojekten, wo es inzwischen viel Mittelmass gebe und so mancher Regisseur angestellt würde, der keinen persönlichen Bezug zum Stoff habe.

Da nehme man sich die Zeit gar nicht, um etwas richtig Gutes abzuliefern. Das liege auch daran, dass das Ende des Serien-Booms bald erreicht sein könnte, sagt Rumpf. Die Streaminganbieter hätten viele Jobs geschaffen und zahllose Projekte finanziert. Aber jetzt werde oft nur noch oberflächlich produziert.

«Gibt bereits zu viel Horror»

Ella Rumpf möchte Filme machen, die sie selber schauen würde und im Angebot nicht findet. Etwas «Artisanales» und zum Beispiel jetzt auch weniger Horrorkino; «es gibt bereits genug Horror». Im letzten Jahr drehte sie lieber Geschichten mit komödiantischem Touch.

Auch das Produzieren könne sie sich vorstellen, «aber es ist schon so viel los». Mit dem Computer und dem Telefon und «all dem Zeug» sei sie sowieso ganz schlecht, weshalb sie sich auch ungern einen Film auf dem Laptop anschaue. Sie gehe lieber ins Kino, so wie das in Frankreich weiterhin üblich sei, manchmal schon morgens um 9 Uhr.

Dort, in ihrer anderen Heimat, werde auch der Beruf der Schauspielerin ernster genommen als in der Schweiz. Der Job gelte als wichtig für die Kultur eines Landes. Kinofilme stünden in Frankreich für einen kulturellen Dialog. Und diese ganze Tradition werde jetzt noch geschützt vor der Liberalisierung und der Macht von grossen Konzernen.

Bald ist die Darstellerin wieder auf dem Sprung. Sie sagt noch, sie habe das Gefühl, sie sei eine «unidentifizierte» Schauspielerin. Auf der Strasse würde sie nicht erkannt. Es klingt nicht so, als würde es sie gross stören. Zumindest jetzt gerade nicht.

«Le théorème de Marguerite» läuft im Kino.