Zuschauermagnet 2. BundesligaDramen, urchige Derbys, volle Hütten: Diese Liga geht ans Herz
Es tummeln sich lauter Traditionsvereine in Deutschlands zweiter Liga. Das führt dazu, dass diese mehr Zuschauer hat als gewisse europäische Topligen. Was macht sie so speziell?
Köln, Hamburg, Berlin, Schalke. Sie alle vereinen etliche Meistertitel, Cupsiege und Fankulturen, die zu den grössten des Landes gehören. Und sie vereint auch das Scheitern in der letzten Dekade. Zur Einordnung: In der Saison 2018/19 spielte Schalke noch in der Champions League. 2010 verzückte ein gewisser Ruud van Nistelrooy, der den HSV bis in den Europa-League-Halbfinal bugsierte, die Massen. 2016 qualifizierten sich Hertha Berlin und Köln noch für die Europa League. 2024 spielen sie allesamt zweitklassig.
Die Stimmung auf den Rängen hingegen bleibt erstklassig. Zweiter Spieltag: Hamburg - Hertha Berlin. 57’000 Fans sehen das 1:1-Unentschieden im Volksparkstadion, wo in der letzten Saison ein Zuschauerschnitt von rund 56’000 verbucht wurde. Und damit waren die Hamburger hinter Schalke (61’538) nur die Nummer zwei der Liga.
2. Bundesliga: Zuschauerschnitte vor La Liga und Ligue 1
So ist es nicht weiter verwunderlich, dass die 2. Bundesliga ganz weit oben steht im Ranking der Ligen Europas mit den höchsten Zuschauerschnitten. Nämlich auf Rang 4 – noch vor den Topligen aus Spanien und Frankreich. 29’290 war der Durchschnitt in der letzten Saison. Zum Vergleich: die 1. Bundesliga brachte es als zuschauerstärkste Liga Europas auf einen Schnitt von 39’506, die Ligue 1 als schwächste der Topligen auf 27’023.
Und auch neben den Rängen bietet diese zweite Liga so vieles, dass einem das Herz aufgehen muss. Aufstiegsdramen, Abstiegssorgen, Favoriten, die schwanken und scheitern, urchige Derbyspiele im Braunschweiger Betontempel gegen Hannover, wundervolle Stadien (5 von 10 Stadien an der EM in Deutschland sind von Teams in der zweiten Liga), der legendäre Betzenberg in Kaiserslautern, mittendrin ein Team wie Elversberg, das sich in diese Liga verirrt und plötzlich ganz wohlfühlt, und neun Schweizer, die im Schatten der grossen Ligen ihren Weg gehen.
HSV gab über 50 Millionen für Transfers aus
In diesem Schatten scheint die Welt des durchkommerzialisierten Fussballs – der RBs, Citys, Reals und Co. – auch weit weg zu sein. Ist sie natürlich nicht. Der HSV verpuffte in den letzten Jahren über 50 Millionen Euro ihres Mäzens Klaus-Michael Kühne für neue Transfers und verpasste den Aufstieg trotzdem kläglich.
Doch diese zweite Liga bleibt ein Ankerpunkt und Wohlfühloase für Nostalgiker oder all jene, die es noch werden wollen. Es geht um mehr als nur den sportlichen Erfolg. Es geht um Loyalität, Identität und bedingungslosen Optimismus, gepaart mit einer Prise Gleichgültigkeit. Denn vielen Hartgesottenen ist es insgeheim wohl lieber, auswärts nach Köln und Hannover zu reisen als nach Hoffenheim und Wolfsburg. Dafür nehmen sie das Scheitern in Kauf.
Fehler gefunden?Jetzt melden.