Schadenersatz gefordertWeltberühmte Autoren gegen die künstliche Intelligenz
Renommierte US-Schriftsteller wie George R. R. Martin und Jonathan Franzen ziehen gegen die Firma hinter Chat-GPT vor Gericht. Auch in der Schweiz wächst die Unruhe.
Siebzehn amerikanische Schriftstellerinnen und Schriftsteller sowie der Verband der amerikanischen Autoren fühlen sich bedroht von künstlicher Intelligenz. Unter ihnen sind weltbekannte Namen wie Jonathan Franzen («Die Korrekturen», «Unschuld», «Freiheit»), George R. R. Martin, («Das Lied von Eis und Feuer») und John Grisham («Die Firma»). In einer Sammelklage wegen Urheberrechtsverletzung fordern sie Schadenersatz von Open AI, der Firma hinter Chat-GPT.
Gemäss der Klage ist Chat-GPT imstande, detaillierte Zusammenfassungen zahlreicher Werke zu produzieren, was nur möglich sei, wenn die Bücher vollständig und unter Umgehung des Urheberrechts kopiert worden seien. Douglas Preston, einer der Kläger, befragte Chat-GPT nach Charakterzügen von Nebenfiguren seiner Romane. «Das System wusste alles, und das macht mir Angst», sagte Preston zur «New York Times». Selbst Nebenfiguren habe die künstliche Intelligenz detailliert beschrieben.
Laut den Klägern können solche Einzelheiten unmöglich aus Wikipedia und anderen öffentlichen Quellen stammen, sondern nur aus Websites, die Bücher widerrechtlich ins Netz stellen. Literarische Meisterwerke seien «eine besonders wichtige Quelle, um die Sprachfähigkeit künstlicher Intelligenz zu trainieren», machen die Autoren geltend.
Die Autoren verlangen bis zu 150’000 Dollar pro Werk.
Chat-GPT kann mittlerweile Künstlerinnen und Künstler nachahmen und Werke ausspucken, die den Originalen verblüffend ähnlich sind. Das gilt besonders für Musik. So sind über fünfzig Songs von Amy Winehouse auf Youtube im Umlauf, darunter ein Duett mit Frank Sinatra. Sie klingen wie Originale, sind aber Erzeugnisse künstlicher Intelligenz und als solche gekennzeichnet. Anders liegt der Fall bei den Büchern der US-Autoren, da sie vollständig kopiert und zur Verbesserung von Chat-GPT benutzt worden seien.
Die Autoren fordern eine gerichtliche Verfügung, die es verbietet, Chat-GPT mit den Werken zu füttern. Verlangt werden Schadenersatzzahlungen von bis zu 150’000 US-Dollar pro Werk.
Gute Chancen vor US-Gerichten
Seit der Lancierung von Chat-GPT im November 2022 fordert die Verlagsbranche in Europa und den USA, Autoren vor der Ausbeutung durch KI zu schützen. Ein Hindernis ist allerdings die uneinheitliche juristische Regulierung, die mit der rasanten technologischen Entwicklung kaum Schritt hält.
Dennoch haben Urheberrechtsverletzungen vor US-Gerichten gute Chancen. So waren die amerikanischen Verlage Penguin Random House und Simon & Schuster mit einer Klage gegen einen Verleger erfolgreich, der klassische Werke kindergerecht zusammengefasst und publiziert hatte, ohne die Rechte eingeholt zu haben.
Stamm und Suter müssen sich Sorgen machen
Cornelia Mechler wünscht sich, dass auch deutschsprachige Verlage eine ähnliche Klage wie in den USA einreichen. Laut der Geschäftsführerin des Verbandes Autorinnen und Autoren der Schweiz (A*dS) sind die Mitglieder der Interessenvertretung zwar zunehmend beunruhigt, aber noch nicht wirklich alarmiert. «Das liegt sicher auch daran, dass Systeme künstlicher Intelligenz die Werke englischsprachiger Schriftstellerinnen schneller und umfassender berücksichtigen als jene von Schweizer Autoren», sagt Mechler.
Aber bekannte Künstler wie Martin Suter, Peter Stamm oder Lukas Bärfuss, deren Werke in zahlreiche Sprachen übersetzt sind, haben laut Mechler durchaus Grund, sich Sorgen zu machen.
Verlage lassen Literatur maschinell übersetzen.
Noch stärker von der Konkurrenz durch KI betroffen seien literarische Übersetzerinnen und Übersetzer. Laut Mechler gehen Verlage allmählich dazu über, Werke maschinell in eine Fremdsprache übertragen zu lassen, um danach die menschlichen Übersetzerinnen und Übersetzer damit zu beauftragen, das Resultat zu korrigieren.
Vor allem bei seltenen Sprachen seien die Texte derart schlecht, sagt Mechler, dass diese Arbeit äusserst mühsam sei. «Unbefriedigend ist sie ohnehin. Und deutlich schlechter bezahlt als eine herkömmliche Übersetzung auch.» Welche Verlage so vorgehen und wie häufig, dazu hätten sich die Betroffenen bisher nicht öffentlich äussern wollen.
Recht auf Wiedergutmachung
Die Geschäftsführerin des Schweizer Autorinnen- und Autorenverbandes erhebt gegenüber den Entwicklern und Anbietern von KI-Systemen drei Forderungen: eine Kennzeichnungspflicht für Texte, die durch Chat-GPT und ähnliche Anwendungen übersetzt oder verfasst worden sind, eine Offenlegung der von KI-Systemen verwendeten Trainingsdaten und eine urheberrechtliche Abgeltung für die digitalisierten Werke.
«Wir werden deren Ausbeutung durch KI nicht mehr verhindern können», sagt Mechler. Aber die Autorinnen und Autoren, deren Kreativität und Intelligenz letztlich gestohlen worden seien, hätten ein Recht auf Wiedergutmachung.
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