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Streit um Gütertransport
Während Bern Subventionen erwägt, erhöht SBB Cargo die Preise. Jetzt droht Autofahrern mehr Verkehr

Ein grosser roter Kran hebt einen Container am SBB Cargo Bahnhof in Dietikon am 11. August 2021.
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In Kürze:
  • Wegen Verlusten erhöht SBB Cargo die Transportpreise für Feldschlösschen und andere Firmenkunden deutlich.
  • Das Parlament debattiert derzeit über Subventionen für den Schienengüterverkehr.
  • Preiserhöhungen können dazu führen, dass wieder mehr Güter auf der Strasse transportiert werden.

Zugfahren war in der Schweiz nie beliebter. Fast 23 Milliarden Personenkilometer haben Zugreisende 2024 zurückgelegt, damit dürften die SBB am Donnerstag bei der Präsentation der Jahreszahlen einen neuen Passagierrekord vermelden.

Nicht rund läuft es hingegen beim notorischen Sorgenkind: SBB Cargo. Gut unterrichteten Quellen zufolge wird die Gütertransportbahn erneut einen hohen zweistelligen Millionenverlust bekannt geben. Die SBB haben ihrer Güterbahn deshalb bereits eine Schlankheitskur verordnet.

Details aus dem Sanierungsplan machte die Gewerkschaft SEV vor zwei Wochen publik: SBB Cargo will dieses Jahr 80 Vollzeitstellen streichen und bis 2030 rund ein Fünftel der derzeit rund 2250 Vollzeitstellen abbauen. Dadurch und durch Investitionen in eine moderne Flotte, Automatisierung und ein neues Produktionsmodell will das Unternehmen die Kosten um 60 Millionen Franken senken.

Sanierungen und Verluste sind für die Güterbahn der SBB an sich nichts Neues: Seit Jahren reiht sie ein Minus an das nächste. Zusammengerechnet belaufen sich die Defizite der letzten zehn Jahre auf fast 490 Millionen Franken.

Neuerdings versucht SBB Cargo jedoch, auch durch eine starke Erhöhung der Tarife wieder in die schwarzen Zahlen zu kommen. Gemäss mehreren Quellen bewegen sich die Preiserhöhungen zwischen 20 und 60 Prozent. Das, obwohl SBB Cargo das Angebot ausdünnt und in vielen Fällen die Bahnhöfe weniger häufig anfahren will.

Kunde: «Grenzt an Erpressung»

Güterverkehrskunden und Wirtschaftsverbände wandten sich deshalb besorgt an Verkehrsminister Albert Rösti (SVP). Noch laufen in den meisten Fällen die Preisverhandlungen, weshalb sich kaum jemand namentlich zitieren lassen will. Doch stösst den Unternehmen die Preispolitik der SBB Cargo gleich aus mehreren Gründen sauer auf.

Zum einen nütze die Güterbahn ihr Monopol im Wagenladungsverkehr schamlos aus und lasse die Unternehmen spüren, dass sie gar keine andere Wahl hätten, als die Preiserhöhungen zu schlucken, kritisieren mehrere SBB-Kunden. An einem Treffen, das eigentlich als Aussprache gedacht war, habe SBB-Cargo-Chef Alexander Muhm das «in forschem Ton» klargemacht, berichtet ein Teilnehmer. Ein anderer ergänzt: «Für uns grenzt das Vorgehen von SBB Cargo an Erpressung.»

Tatsächlich besitzen die SBB-Kunden nur wenig Verhandlungsspielraum. Für Unternehmen wie Feldschlösschen, die Migros, Fenaco, Planzer oder solche der Bau- und Zementindustrie ist der Transport über die Schiene zentral. Nicht zuletzt, um ihre Klimaziele zu erfüllen.

«60 Prozent der Warenlieferungen an unsere Verteilzentren und Grosskunden erfolgen mit der Bahn», betont etwa Feldschlösschen-Sprecherin Esin Celiksüngü. «Auch viele Rohstoffe für unsere Biere erhalten wir über die Schiene.» An diesem Transportmix aus Bahn und Lastwagen wolle man «möglichst festhalten».

Mehrheit im Parlament will Güterverkehr unterstützen

Besonders stören sich die Firmenkunden zum anderen am Timing von SBB Cargo: Die Güterbahn kündigte die Preiserhöhungen bei gleichzeitigem Leistungsabbau genau zu dem Zeitpunkt an, als das Parlament in Bern über ein Reformpaket für den Schienengüterverkehr debattiert.

Mit dem Paket soll vor allem der nicht rentable Wagenladungsverkehr für insgesamt mehrere Hundert Millionen Franken unterstützt werden. Da das Geschäft mit einzelnen Güterwaggons in der Schweiz einzig von SBB Cargo betrieben wird, kommen die Subventionen vor allem ihr zugute. 

Am Dienstag ist der Nationalrat auf die Vorlage eingetreten – dabei wurde das Verhalten von SBB Cargo im Saal harsch kritisiert. «Es ist hochgradig problematisch, dass das Management der SBB solche Ankündigungen zum Güterverkehr gerade dann macht, wenn das Parlament über dessen Subventionierung diskutiert», räumte selbst SP-Nationalrat Jon Pult als Unterstützer der Vorlage ein.

Wieder mehr Lastwagen auf der Strasse?

Laut der Gewerkschaft SEV führen die Preiserhöhungen und der gleichzeitige Abbau des Angebots unweigerlich dazu, dass anstelle von Schienentransporten künftig wieder mehr Güter auf Lastwagen durch die Schweiz rollen. «Die Abgänge von Kunden und Aufträgen werden dabei von den SBB in Kauf genommen», sagt SEV-Gewerkschaftssekretär Philipp Hadorn.

Er beruft sich dabei auf eine Schätzung von Cargo-Chef Alexander Muhm. Dieser hatte an einem Podium gesagt, das Unternehmen rechne damit, durch die Massnahmen bis zu 15 Prozent des Transportvolumens an die Strasse zu verlieren.

Die SBB mögen diese Zahl weder bestätigen noch dementieren. SBB Cargo sei kein Service-public-Unternehmen, sondern müsse wie jedes andere Unternehmen in der Privatwirtschaft kostendeckende Preise verlangen. Das entspreche auch dem Auftrag des Bundes. «Der Güterverkehr auf der Schiene kann kein billiger Ersatz für den Lastwagen sein, der vom Rest der SBB zugunsten der Kunden und zulasten der Steuerzahlenden finanziert wird.»

Gleichzeitig erinnern die SBB daran, dass der im Reformpaket des Bundes vorgesehene Verladebonus in Höhe von jährlich 50 Millionen Franken die Preiserhöhung der Kunden abfedern würde. Nach einer Annahme der Vorlage in der laufenden Session könnten die Neuerungen schon Anfang 2026 in Kraft treten.

In diesem Fall würde zumindest Feldschlösschen nicht mit zusätzlichen Lastwagen auf die Strassen ausweichen. Sprecherin Celiksüngü sagt: «Sollte der Verladebonus in dieser Form umgesetzt werden, würden wir weiterhin auf den Schienentransport setzen.»