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Defizitäre Transportbetriebe
Mit einer halben Milliarde für Güterzüge will Rösti Autobahn­staus vermeiden

Lastwagen und Personenwagen stehen im Stau auf der Autobahn A1 vor der Gubristtunnel, aufgenommen am Donnerstag, 27. April 2023 in Zuerich-Seebach. (KEYSTONE/Michael Buholzer)
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Der Bundesrat ist am Mittwoch eine teure Wette eingegangen. Er glaubt, dass er mit einer Investition von 500 Millionen Franken den Güterverkehr auf der Schiene revolutionieren und auf gesunde Beine stellen wird.

Der Hintergrund der Wette ist, dass die Verlagerungspolitik der Schweiz nicht wie gewünscht funktioniert: Der Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene liegt seit Jahren konstant bei 40 Prozent. Im alpenquerenden Verkehr liegt er bei 70 Prozent. Importe, Exporte und Transporte innerhalb des Landes werden dagegen nur zu einem Viertel auf der Schiene durchgeführt.

Diese Fahrten werden vor allem im sogenannten Einzelwagenladungsverkehr abgewickelt. Dabei werden einzelne Wagen auf ihrer Reise an jeweils neue Züge angehängt. Er wird von SBB Cargo angeboten, der Güterverkehrstochter der SBB –  allerdings seit Jahren mit Verlust. Diese steht darum kurz davor, das Geschäft einzustellen.

Angst vor noch mehr Stau

Werde die Politik jetzt nicht aktiv, würden diese Transporte darum in wenigen Jahren auf der Strasse abgewickelt, sagte SVP-Verkehrsminister Albert Rösti am Mittwoch gegenüber den Medien. Auf den Strassen würden sie zu noch mehr Staustunden beitragen, wobei diese aufgrund des erhöhten Mobilitätsbedürfnisses der Bevölkerung und der Zuwanderung seit Jahren sowieso schon steigen.

Aus Röstis Sicht sind unter anderem die veralteten Kupplungen schuld daran, dass Schienentransporte auf kürzeren Strecken heute nicht rentabel sind. Heute muss zum An- und Entkoppeln jedes Mal ein Rangierarbeiter zwischen die Waggons springen und die schwere Kupplung von Hand bedienen. Das sei zu teuer und zu zeitaufwendig, sagte der Verkehrsminister.

SBB Cargo Wagen beladen mit Konstanter fotografiert im Umschlags-Terminal von SBB Cargo am 21. Juni 2019 in Dietikon. (KEYSTONE/Gaetan Bally)

Künftig soll das Zusammenstellen von Güterzügen per Knopfdruck möglich sein – wie es heute im Personenverkehr schon Standard ist. «Ich habe als Kind sehr viel Lego-Eisenbahn gespielt», versuchte sich Rösti an einer einfachen Erklärung, wie die neue Kupplung funktioniert. «Ob man dort die Waggons mit einem Magneten aneinanderreiht oder ob man sie mit Schnürchen zusammenbinden muss, ist ein riesiger Unterschied.»

Bei der Einführung der neuen automatischen Kupplung handelt es sich um ein gesamteuropäisches Projekt. Die Schweiz koordiniert ihr Vorgehen mit Deutschland und Österreich besonders eng.

250’000 Franken Kosten pro Lokomotive

In den nächsten sechs Jahren will der Bundesrat den Güterverkehr auf der Schiene mit gut einer halben Milliarde Franken subventionieren. Danach sollen es noch 50 Millionen Franken jährlich sein. Er hat am Mittwoch eine entsprechende Vorlage beschlossen, über die nun das Parlament befinden muss.

180 Millionen Franken davon sollen direkt an Firmen gehen, die ihr Rollmaterial mit der neuen Technologie umrüsten wollen. 250’000 Franken koste der Umbau einer Lokomotive, bis zu 31’000 Franken der eines Waggons, sagte Rösti. Der Bund will pro Unternehmen ein Drittel der Umbaukosten übernehmen.

Der Rest des Geldes soll in Form von anderen zweckgebundenen Subventionen an die Firmen fliessen. Laufen sie aus, sollen sie fit genug sein, um eigenständig am Markt bestehen zu können. Das Geld will Rösti nicht aus dem Bundesbudget entnehmen, sondern dem Bahninfrastrukturfonds abzwacken.

Die Entscheidung des Bundesrats ist ein Eingeständnis, dass die bisherige Verlagerungspolitik erfolglos war. Seit 2016 galt der Grundsatz des freien Markts. Peter Füglistaler, Chef des Bundesamts für Verkehr, sagte an der Medienkonferenz dazu: «Der Weg über die Eigenwirtschaftlichkeit hat in den letzten Jahren nicht funktioniert.»

Bundesrat Albert Roesti, Mitte, spricht neben Peter Fueglistaler, Direktor Bundesamt fuer Verkehr (BAV), links, Bundesratssprecher Andre Simonazzi, rechts, an einer Medienkonferenz ueber die Botschaft zum Guetertransportgesetz (Totalrevision des Bundesgesetzes ueber den Guetertransport), am Mittwoch, 10. Januar 2024, im Medienzentrum Bundeshaus in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)

Ob er dank einer teuren Anschubfinanzierung erfolgreich sein wird, ist allerdings unklar. Zum Beispiel sprach sich Benedikt Weibel, von 1993 bis 2006 Chef der SBB, in der Vergangenheit stark gegen Subventionen im Einzelwagenladungsverkehr aus.

Hier würde ein Wegfall des manuellen Kupplungsprozesses viel ausmachen. Das sei jedoch nicht genug, meint Weibel. «Auf der Kurzstrecke und für die Feinverteilung sind Lastwagen flexibler, effizienter und günstiger», sagte Weibel vor zwei Jahren gegenüber dieser Redaktion.

Für grössere Distanzen, etwa durch die Alpen, können Güterzüge laut Weibel dagegen effizient betrieben werden. Auf diesen fahren sie über eine längere Strecke in der gleichen Komposition. Allerdings bringe es auch dort nur wenig, wenn das Kuppeln effizienter würde. Es sei gegenüber der langen Fahrzeit zeitlich vernachlässigbar.

Rösti stellte den eingeschlagenen Weg dagegen als alternativlos dar: «Wenn wir jetzt nichts tun, wird dieses Geschäft sowieso nie rentabel», sagte er. «Darum ist es richtig, diesen Versuch einzugehen. Wenn andere Länder das ebenfalls tun, wird es sich auf jeden Fall lohnen.»