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Machtverschiebungen in Nahost
Saudi-Kronprinz geht auf Erzfeind Iran zu

Die US-Präsidentschaft von Joe Biden zwingt ihn zu Änderungen seiner Regionalpolitik: Muhammad bin Salman, Saudiarabiens Kronprinz.
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US-Präsident Joe Biden hat versprochen, «Allianzen zu reparieren». Ganz am Anfang seiner Amtszeit war das. Im Aussenministerium legte er seine Vision für Amerikas Rolle in der Welt dar. «Amerikas Allianzen sind unser grösstes Kapital. Und diplomatisch zu führen, bedeutet, wieder Schulter an Schulter mit unseren Verbündeten und wichtigen Partnern zu stehen», verkündete der Präsident.

Was in Europa als Verheissung eines Transatlantikers aufgenommen wurde, klang in Teilen des Nahen Ostens wie eine Drohung: Denn Saudiarabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Israel erfreuten sich unter Donald Trump bester Beziehungen ins Weisse Haus, bejubelten dessen Ausstieg aus dem Atomabkommen und die «Kampagne des maximalen Drucks» gegen ihren Rivalen Iran.

Und Ägyptens starker Mann, Präsident Abdel Fattah al-Sisi, konnte damit leben, von Trump als «mein liebster Diktator» tituliert zu werden. Er musste sich weder über Menschenrechte belehren lassen noch um die Militärhilfe fürchten.

Trump hatte für sie die Welt wieder ins Lot gerückt, nachdem unter Barack Obama vermeintlich Unverbrüchliches aus den Fugen geraten war: Der Atomdeal mit dem Iran wirbelte die Machtbalance durcheinander wie zuletzt die US-Invasion im Irak und Saddam Husseins Sturz. Israel sah sich unter Druck, den Palästinensern einen Staat zuzugestehen. Und in Ägypten fühlte sich das Regime im Arabischen Frühling verlassen, ja verraten.

Die USA wollen diesmal die Sorgen und Anliegen der Verbündeten im Nahen Osten hören und bedenken.

Biden will nun vorbeugen, dass seine Präsidentschaft in der Region als Fortsetzung von Obamas Politik gesehen wird, obschon er die als Vizepräsident mittrug, teilweise sogar massgeblich mitgestaltete. Er hat eine hochrangige Delegation entsandt, die heute Dienstag von Jordaniens König Abdullah empfangen wird. Saudiarabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten sind die anderen Stationen der US-Delegation.

Angeführt wird sie von Brett McGurk, unter Obama wie unter Trump Sondergesandter für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat, jetzt im Weissen Haus für den Nahen Osten und Nordafrika zuständiger Koordinator des Nationalen Sicherheitsrats.

Er soll gleichermassen «Angelegenheiten mit Bezug zur nationalen Sicherheit der USA» und «Bemühungen zur Deeskalation der Spannungen im Nahen Osten» erörtern, wie auch die Sicht der Verbündeten einholen – ein Signal, dass ihre Sorgen diesmal gehört und bedacht, also nicht übergangen werden. Chris Coons und Chris Murphy, zwei einflussreiche Senatoren der Demokraten, flankieren die Reise.

Saudiarabien will neuerdings gute Beziehungen zum Iran

Washington will all das nicht als Anzeichen gewertet wissen, dass ein neuer Deal mit dem Iran unmittelbar bevorsteht. Doch nach vier Jahren mit verhärteten Fronten hat der Machtwechsel in Washington ungeachtet der derzeitigen Konsultationen Bewegung in der Region ausgelöst.

So beteuerte Saudiarabiens Kronprinz Muhammad bin Salman (MbS), der Irans Obersten Führer Ajatollah Ali Khamenei 2018 noch mit Hitler verglichen hatte, jüngst in einem Interview mit dem saudischen Staatsfernsehen, er strebe nun gute Beziehungen mit Teheran an.

Sein Geheimdienstchef Khalid bin Ali al-Humaidan traf sich in der irakischen Hauptstadt Bagdad mit dem Kommandeur der Quds-Brigaden, General Ismail Qaani, dem Nachfolger des unter Trump von einer US-Drohne getöteten Qassim Soleimani. Thema soll unter anderem der Krieg im Jemen gewesen sein, den Biden beendet sehen will.

Irans Unterstützung für die Huthi dort und deren laufende Offensive auf die Provinz Marib mit ihren Öl- und Gasvorkommen gelten westlichen Diplomaten inzwischen als grösstes Hindernis. Der saudische Thronfolger, der 2015 die Intervention veranlasste, sucht offenbar nach einem gesichtswahrenden Ausweg.

Er sucht eine Wiederbelebung des Atomabkommens mit dem Iran: Joe Biden, US-Präsident.

Zugleich platzierte MbS eine Botschaft, die viele arabische Staaten aus dem sunnitischen Lager und Israel teilen: Voraussetzung für einen Ausgleich mit dem Iran sei ein Ende der Unterstützung schiitischer Milizen, die als Statthalter Teherans im Irak, in Syrien, im Libanon und auch im Jemen fungieren.

Irans Regionalpolitik und das Raketenprogramm müssten bei einer Rückkehr zum Atomabkommen von 2015, über das gerade in Wien verhandelt wird, ebenfalls thematisiert werden, heisst es in den Emiraten. Und Israel schickte Mossad-Chef Yossi Cohen nach Washington, um seine Vorbehalte geltend zu machen.

Eine Zweistaatenlösung für das Palästinenserproblem wird wieder Regierungspolitik in den USA.

Vertrauen dürfte Biden in den Emiraten damit gewinnen, dass er einen grossen Rüstungsdeal aus den letzten Tagen der Trump-Regierung nun doch bewilligt. Die Lieferungen offensiver Waffen an Saudiarabien sind vorerst weiter gestoppt. Die Emirate sollen für 23 Milliarden Dollar unter anderem 50 moderne F-35-Kampfjets erhalten sowie 18 bewaffnete Reaper-Drohnen.

Die USA verlangen allerdings Zusicherungen, dass China keinen Zugang zur US-Technologie erhält – ein Zeichen, wie sehr der Fokus der US-Politik sich auch im Nahen Osten verschiebt. Die Emirate hatten in China Drohnen gekauft und jüngst eine Kooperation mit Peking unter anderem im Bereich der Hochtechnologie vereinbart.

Israel hatte seinen Widerstand gegen die Kampfjetlieferungen aufgegeben, nachdem die Emirate auch auf Betreiben von Trump ihre Beziehungen mit dem Land normalisiert hatten. Abu Dhabi hält sich zugute, damit die von Premier Benjamin Netanyahu ins Auge gefasste Annexion von Teilen des Westjordanlands und des Jordantals abgewendet zu haben.

Ägypten sucht Nähe zu Russland und Frankreich

Jordaniens König, der innenpolitisch nach einer angeblichen Palastrevolte massiv unter Druck steht, kann nun zumindest damit rechnen, dass eine Zweistaatenlösung wieder Regierungspolitik in den USA ist und Washington wie die Europäer auf Verhandlungen mit den Palästinensern dringt.

Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi dagegen muss sich darauf einstellen, dass die immer stärkere Repression im Land sich negativ auf das Verhältnis mit Washington auswirkt, zumal auch der Kongress Kairo zunehmend kritisch beäugt.

Allerdings diversifiziert der einstige General schon länger Ägyptens aussenpolitische Beziehungen: Er sucht die Nähe zu Russlands Staatschef Wladimir Putin und zu Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Mit Macron hat er gerade den Kauf von 30 weiteren Kampfjets des Typs Rafale vereinbart.

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