Sanierungsfall GotthardDer Schaden ist behoben, doch was ist mit der Korrosion?
Der Strassentunnel muss bis zur Eröffnung der zweiten Röhre vor grösseren Schäden bewahrt werden. Ein Riss in der Decke konnte schnell behoben werden. Ein grosses Problem ist jedoch die Korrosion. Wie sie sich aufhalten lässt.

Tausende Autos und schwere Lastwagen fahren seit einer Woche wieder rund um die Uhr durch den Gotthard-Strassentunnel. Im Eiltempo haben Fachleute den Riss in der Zwischendecke nahe dem Nordportal repariert. Nun ersetzt dort eine Stahlkonstruktion die beschädigte Zwischendecke. Eine Verlagerung der Spannung im Gebirge hatte zu lokalen Druckveränderungen geführt, wie das Bundesamt für Strassen (Astra) mitteilte.
Die Behörden schliessen jedoch den baulichen Zustand des Strassentunnels als Ursache aus. Korrosion, wie das Medien letzte Woche als Ursache ins Spiel brachten, habe in diesem Fall keine Rolle gespielt, betont das Astra auf Anfrage. Dennoch: Die Korrosion bleibt für Decke und Wände ein Problem im Gotthard-Strassentunnel. Vor allem im Winter.
Über 750'000 Lastwagen und fünf Millionen Autos fahren im Durchschnitt jedes Jahr durch den Gotthardtunnel. Im Winter bringen die Fahrzeuge eine aggressive Fracht in den Tunnel: Salzwasser. Die Salze lagern sich ab und dringen bei anhaltender Nässe langsam in den Beton. Sie können so im Laufe der Jahre durch den porösen Baustoff ins Innere wandern – bis zu dessen Armierungseisen, welche die Tragfähigkeit erhöhen. Besonders betroffen sind jeweils die Portale, die Ein- und Ausfahrten des Tunnels.

Stahl ist eigentlich vor Korrosion geschützt, weil die Betonhülle einen tiefen Säuregrad aufweist. Dringen jedoch die Chloride aus dem Streusalz tief ein, sinkt der pH-Wert, und der Korrosionsschutz wird so aufgehoben. Ein gefährlicher chemischer Prozess setzt ein. Der Beton kann platzen, der Baustoff wird geschwächt. Das gilt nicht nur für den Gotthardtunnel, sondern grundsätzlich für alle Tunnelbauten.
Der Bundesrat warnte 2010 in einem Bericht zur geplanten Sanierung des Gotthardtunnels vor einer fortschreitenden Korrosion der unteren Armierung der Zwischendecke. Die Tragsicherheit weise in diesen Zonen «keine Reserven mehr» auf. Die Zwischendecke spielt über die gesamte Tunnellänge eine wichtige Rolle. Über sie wird unter anderem dem Tunnel via Lüftungsschächte und Kamin Frischluft zu- und Abluft abgeführt. Die Decke ist deshalb einem grossen Druck ausgesetzt. Sie muss «starken Belastungen in einem chemisch aggressiven Milieu standhalten», heisst es im Bericht des Bundesrates.
Das Problem Korrosion ist jedoch nicht erst seit diesem Bericht ein Thema. Bereits früher beschäftigte sich eine «Arbeitsgruppe Zwischendecke» des Astra damit. Bei den Portalen sahen sie den grössten Handlungsbedarf. 2006 imprägnierten Fachleute die ersten 250 Meter des Nord- und Südportales des Gotthard-Strassentunnels mit einem speziellen Wirkstoff, mit sogenannten Silanen, welche die Poren des Betons besetzen und den Baustoff wasserabweisend machen. Die Schutzschicht sollte die Korrosion bremsen. Die Fachleute sprechen von Tiefenhydrophobierung.
Die Ergebnisse der anschliessenden messtechnischen Untersuchungen hätten positive Ergebnisse gezeigt, heisst es in einem Bericht des Herstellers des Wirkstoffes, der deutschen Firma Wacker. Drei Jahre später sind weitere 750 Meter an beiden Portalen imprägniert worden. Spritzroboter behandelten in einer einzigen Nacht über 7000 Quadratmeter der Deckenfläche.
Die Tiefenhydrophobierung hatte aber offensichtlich keine Langzeitwirkung. Daten von Bohrkernen aus der Zwischendecke während des Bauwerkmonitorings von 2012 bis 2013 zeigen, dass die Wirkung der Hydrophobierung an der Zwischendecke in den Portalbereichen nachlässt. So steht es in einer Expertise zur Erhaltungsplanung im Zusammenhang mit der Gesamterneuerung des Gotthard-Strassentunnels, welche die Firma Ernst Basler+Partner im Auftrag des Astra erstellte. Die Fachleute gehen davon aus, dass der eingesetzte Wirkstoff zu wenig tief in die Poren vorgedrungen war.

Die Messungen dokumentieren auch, dass die Korrosion primär auf die Feuchtigkeit in den Wintermonaten zurückzuführen ist. Trocknet jedoch der Beton im Frühling wieder ab, kommt der Prozess wieder zum Stillstand. Die Fachleute empfehlen in der Expertise, beschädigte Stellen an der Zwischendecke bei beiden Portalen auf dem ersten Kilometer mit einer weiteren Schutzschicht zu behandeln.
Mit diesen Massnahmen, so die Experten, könne die Zwischendecke «in einem grossmehrheitlich akzeptablen Zustand konserviert» werden und Sanierungs- oder Ersatzarbeiten bis 2035 vermieden werden. Die Korrosion muss – läuft alles nach Plan – letztlich bis 2029 aufgehalten werden. Dann soll der zweite Strassentunnel eröffnet und mit der Gesamtsanierung der ersten Röhre begonnen werden.
Langsame Korrosion
Inzwischen scheint sich der Bauzustand des Tunnels punkto Korrosion verbessert zu haben. Im Tunnelinnern ist die Feuchtigkeit nur gering, wie Messungen der Luftfeuchtigkeit und der Oberflächentemperatur der Astra zeigen. Deshalb braucht es keine wasserabweisende Schutzschicht, um die Korrosion zu bremsen.
Auch die «Achillesferse» des Tunnels, die Zone bei den Portalen im Berg, weist in den heiklen Wintermonaten nur einen kleinen Wassereintrag in der Zwischendecke auf, wie das Astra auf Anfrage mitteilt. Eine Hydrophobierung, das heisst eine flächendeckende Schutzschicht sei aufgrund der geringen Korrosionsgeschwindigkeit nicht erforderlich und wirtschaftlich. Die Zwischendecke wird aber dennoch regelmässig auf Korrosion überwacht. Dazu wird der Tunnel für je 26 Nächte pro Jahr gesperrt. «Dadurch wird sichergestellt, dass die Tragfähigkeit der Zwischendecke erfüllt ist», erklärt das Astra.
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