Analyse zur Regierungsumbildung in SpanienSánchez muss den Jungen dringend eine Perspektive geben
Spanien bangt um die Tourismussaison. Premier Pedro Sánchez sendet dennoch Signale der Hoffnung – und bildet die Regierung um. Sie ist nun jünger und weiblicher. Doch das genügt nicht.
Natürlich sind Ferien nicht alles, aber ohne Ferien ist alles nichts. Zumindest für diejenigen, die in Spanien vom Tourismus leben. Wenn der europäische Markt wegbricht, bedeute das den Tod, sagte der Chef des Unternehmerverbands der Balearen an diesem Wochenende. Auf Mallorca und in anderen Ferienregionen ist die Sorge gross, dass eine neuerliche Einstufung Spaniens als Risikogebiet nun auch diesen Sommer ruiniert. Es war der Sommer, auf den alle gehofft hatten, nachdem im Vorjahr die Wirtschaft eingebrochen und die Staatsverschuldung von 95 auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung gestiegen war. 6,5 Prozent sollte die Wirtschaft wachsen – und der Tourismus sollte der Motor sein.
Die Stimmung ist jedenfalls im Keller. Nun geht die Angst um, dass die Infektionszahlen auch noch die nächste Marke reissen: Wenn die 7-Tage-Inzidenz über längere Zeit mehr als 200 Neuinfektionen pro 100'000 Einwohner anzeigt, könnte Spanien wohl zum Hochinzidenzgebiet hochgestuft werden. Dann müssten ungeimpfte Reisende trotz negativen Tests bei der Rückkehr für mindestens fünf Tage in Quarantäne. Mehr Abschreckung für Feriengäste geht kaum. Dann fährt man eben woandershin.
Ein weiterer Tiefschlag
Für Spanien wäre das fatal. Der Tourismus macht zwölf Prozent der Wirtschaftsleistung aus, Millionen Arbeitsplätze hängen dran. Deutschland, Frankreich, Grossbritannien – jene Länder, aus denen die meisten Feriengäste kommen – haben nun sämtlich von Reisen nach Spanien abgeraten. Für Spanien, das darauf gehofft hatte, dass die Umsätze im Tourismus in diesem Jahr zumindest halb so hoch werden wie vor der Pandemie 2019, ist jede dieser Reisewarnungen ein weiterer Tiefschlag. Die heraufziehende Krise dürfte Prognosen zufolge deutlich schlimmer werden als die vor gut zehn Jahren.
Premier Pedro Sánchez ist deshalb bemüht, Signale der Hoffnung zu senden. Schon die Regierungsumbildung an diesem Wochenende sollte ein solches Signal sein. Nicht zufällig rückt Wirtschaftsministerin Nadia Calviño damit zur mächtigsten Frau im Kabinett auf. Die parteilose Ökonomin und Juristin ist von Sánchez bewusst eingesetzt, sie soll Spaniens Kreditwürdigkeit und Seriosität in Brüssel garantieren und gilt als Stabilitätsanker im Land. Es wird eine ihrer Aufgaben sein, die Reformen, die Brüssel für die Milliardenhilfen einfordert, gegen den Widerstand des linkspopulistischen Koalitionspartners durchzuziehen. Nadia Calviño hat den Ruf, streng und sparsam zu sein.
Die Jugendarbeitslosigkeit ist zuletzt auf knapp 30 Prozent gestiegen, 32 Prozent der Spanier im Alter von 20 bis 29 sind von Armut bedroht.
Aber wird das reichen, um die Krise zu überwinden? Und liegt nicht die noch grössere Herausforderung darin, den Spaniern, vor allem den jungen, wieder eine Perspektive zu geben? 71 Prozent der unter 35-Jährigen blicken mit Sorge in die Zukunft, hat eine Umfrage ergeben. Drei Viertel erwarten, dass es ihnen wirtschaftlich schlechter gehen wird als ihren Eltern. Die Jugendarbeitslosigkeit ist zuletzt auf knapp 30 Prozent gestiegen, 32 Prozent der Spanier im Alter von 20 bis 29 sind von Armut bedroht. Bei den über 65-Jährigen sind es 16 Prozent.
Vom Staat im Stich gelassen
Viele junge Spanier sind bestens ausgebildet und hängen dennoch in prekären Arbeitsverhältnissen fest, klammern sich an Kürzestverträge mit mieser Bezahlung, um über die Runden zu kommen. Diesen Menschen eine Zukunftsperspektive aufzuzeigen, wird die grösste Aufgabe der spanischen Regierung für die kommenden Jahre sein. Einen neuen Exodus junger Eliten wie nach der letzten Krise kann sich das Land nicht leisten.
80 Prozent der jungen Spanier fühlen sich vom Staat im Stich gelassen. Die Regierung muss um das Vertrauen dieser Menschen werben. Die jüngste Umbildung des Kabinetts, das nun jünger und weiblicher ist, genügt nicht. Spaniens Jugend verdient eine Regierung, die bei der Bewältigung dieser Krise die Nachhaltigkeit ihrer Strategie im Blick hat. Es reicht nicht, wenn der Tourismussektor sich erholt und irgendwann zum Zustand vor zwei Jahren zurückkehrt. Diejenigen, die heute jung sind, werden miterleben, wie sich der Tourismus wegen des Klimawandels neu erfinden muss. Es wäre eine Aufgabe der Regierung im Dienste der jungen Generation, schon heute dafür zu sorgen, dass diese Revolution das Land nicht unvorbereitet trifft.
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