«All You Can Sleep»-ExperimentUnbegrenzt im Hotel übernachten für 999 Franken: Im Ernst jetzt?
Ein neues Hotel in Saas-Fee bietet eine Flatrate für die Wintersaison an. Wir haben nachgefragt, wie das funktioniert – und ob das nicht bloss Marketing ist.

- In der Revier Mountain Lodge in Saas-Fee kann die ganze Wintersaison für nur 999 Franken übernachtet werden.
- Das Angebot hat aber diverse Einschränkungen.
- Hotelchef Daniel Renggli will weitere Flatrate-Konzepte einführen.
Ist das nicht einfach ein Marketinggag? «Nicht nur», sagt Daniel Renggli. «Aber wenn wir in Saas-Fee am Anfang als Hotel etwas drauflegen, ist das okay.» Renggli ist Chef der Revier Hospitality Group AG. Im Rekordtempo eröffnet das Unternehmen aus der Ostschweiz Lodges in den Bergen: in Adelboden, auf der Lenzerheide oder im Montafon in Österreich. Aber auch in Dubai ist das Unternehmen schon aktiv.
In den Schweizer Bergen setzt die Gruppe auf moderne Architektur und viel Automatisierung, etwa beim Check-in. So sollen junge Leute in die Berge geholt werden sowie der Betrieb effizient und kostengünstig gestaltet werden.
Ende Jahr nun wurde bekannt, dass Renggli bei seinem neuesten Hotel in Saas-Fee, das am 22. Januar eröffnet wird, ein ganz spezielles Angebot im Sinn hat: All You Can Sleep. Für 999 Franken kann man in der Wintersaison von Januar bis April ein Zweibettzimmer zu zweit so oft buchen, wie man will.
Das mediale Echo war gross. Ein deutsches Portal für Reiseschnäppchen hat ausgerechnet, dass sich das Konzept je nach Zeitraum im Vergleich zum normalen Zimmerpreis bereits ab einer Buchung von rund sieben Tagen lohnt.
Keine Übernachtungsgarantie für Flatrate-Angebot in Saas-Fee
Doch das Konzept hat auch Haken. So darf das gewünschte Zimmer erst zwei Tage im Voraus gebucht werden und maximal sieben Tage am Stück. Vor der nächsten Buchung muss zudem mindestens ein Tag pausiert werden.
Und hat man, falls die Nachfrage fürs Angebot nun riesig wäre, überhaupt die Garantie, dass man für die 999 Franken auch nur eine Nacht im Hotel schlafen kann? «Rein vertraglich nicht», sagt Daniel Renggli, «in der Praxis jedoch schon», denn bisher sei das neue Hotel noch für kein Datum komplett ausgebucht. Auch seien insgesamt erst 50 der All-You-Can-Sleep-Voucher verkauft worden. Es sei also nach jetzigem Stand in Saas-Fee immer ein Zimmer frei.
Anders stelle es sich bei seinen etablierten Hotels wie beispielsweise der Revier Mountain Lodge auf der Lenzerheide dar. Gäbe es auch dort die All-You-Can-Sleep-Option, könnten die Besitzer dieser wohl nur unter der Woche dort übernachten – die Wochenenden in der Skisaison seien nämlich bereits ausgebucht.

Primär richte sich das Angebot an Leute, die zeitlich sehr flexibel seien. «Beispielsweise Pensionierte, die sich sagen, sie würden gerne so und so viele Tage diese Saison in die Berge gehen, denen es aber keine Rolle spielt, an welchen Daten.»
Er gehe davon aus, sagt Renggli, dass Flatrate-Nutzer problemlos diese Saison auf rund 18 bis 20 freie Nächte im Hotel in Saas-Fee kommen könnten, was bei 18 Nächten einem Preis von 40 Franken pro Nacht entspreche.
Natürlich gehe es dabei auch darum, das neue Hotel bekannt zu machen, als reiner Marketinggag will er aber eben die Aktion trotzdem nicht verstanden wissen. «Für mich ist das viel eher ein Versuchsballon, wie eine möglichst hohe Auslastung der Hotels erreicht werden kann.»
Da es ihm durchaus auch um einen Marketingeffekt gehe, sei der Preis mit 999 Franken aber zu tief. «Mit den Fixkosten für jedes Zimmer zahlen wir ab der 14. Übernachtung drauf, die jemand für 999 Franken verbringt», sagt Renggli. Es sei also nicht klar, ob es das Angebot auch nächste Saison gebe, und vor allem, ob noch zum selben Preis.
Nächste Flatrate könnte 3000 Franken kosten
Dennoch plant der Hotelier die Einführung eines solchen Angebots für die folgenden Jahre. «Ich könnte mir beispielsweise ein All-You-Can-Sleep-Angebot für alle unsere Hotels in den Bergen vorstellen.» Dann aber zu einem ganz anderen Preis: vermutlich um die 3000 Franken pro Saison, sagt Renggli.
Dafür sei die Übernachtung dann fast garantiert, da in irgendeiner der Lodges immer ein Zimmer frei sei. Weniger interessant hingegen sei so ein Angebot für den Sommer. Dort sei die Auslastung zwar generell schlechter, man arbeite aber auch mit weniger Personal und eingeschränkten Öffnungszeiten. Würde man die Auslastung durch so ein Angebot erhöhen, müsste man auch die Betriebskosten hochfahren, was sich wohl eher nicht lohne.
Das neue Aboangebot ist eine Premiere in der Schweizer Hotellerie. Lediglich auf eine vergleichbare Idee stösst man. Sie stammt von den Brüdern Daniel und Dominik Stocker. Diese versuchten ab 2017 mit ihrem Start-up Flatnap das Flatrate-Konzept in der Schweizer Hotellerie zu verbreiten.
Beide wohnen sie in Flims und sehen dort täglich Tagestouristen auf Parkplatzsuche. «Wir dachten uns: Wieso bleiben sie nicht einfach für eine Nacht, um ihren Ausflug für alle entspannter zu gestalten?», erzählt Dominik Stocker heute am Telefon.
Flatrate-Systeme mit Einschränkungen
Zudem sei damals bei der Gründung von Flatnap das Hotelsterben in den Bergen ein grosses Thema gewesen, auch wegen des starken Frankens. «Mit der Flatrate wollten wir für mehr Auslastung sorgen.» Die Idee: Für 99 Franken im Monat konnte man bei Flatnap eine Flatrate für beteiligte Bündner Hotels abschliessen. Die Mindestlaufzeit betrug drei Monate.
An die 30 Hotels machten zeitweise mit. Die Einschränkung: Pro Hotel war jeweils nur eine Nacht inbegriffen, die zweite musste also selbst bezahlt werden, und nach jedem Aufenthalt musste mindestens eine Nacht pausiert werden, bevor man im nächsten Hotel ein Zimmer bucht.
Das Angebot sorgte in der Branche für viel Aufmerksamkeit. Die Stockers wurden an Podiumsdiskussionen eingeladen, und eine Innovationsstiftung unterstützte das Konzept. «Doch dann kam die Pandemie, und das Interesse brach zusammen», erinnert sich Dominik Stocker. «Zudem merkten wir, dass die Angebote vereinfacht werden müssen.»
Würden Flatrate-Systeme mit Einschränkungen etwa bei der Anzahl Übernachtungen operieren, dann seien sie für Kundinnen und Kunden oftmals zu kompliziert, sagt Stocker. «Und dann verzichten sie darauf.» Ihr Angebot Flatnap sei derzeit auf Eis gelegt, je nach Nachfragesituation sieht er aber die Möglichkeit, dieses zu reaktivieren. Und schaut nun interessiert nach Saas-Fee, was dort für Erfahrungen gemacht werden.
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