Neue Spionage-Affäre in DeutschlandErmittler verhindern russische Sabotage – Spione festgenommen
Zwei Männer sollen im Auftrag Moskaus Militäranlagen als Ziele für Sprengstoffanschläge ausgespäht haben. Das Aussenministerium bestellt den Botschafter ein.
Sicherheitsbehörden haben in Deutschland Pläne für Sprengstoffanschläge gegen militärische und industrielle Ziele im Auftrag Russlands vereitelt. Die Polizei hat in Bayreuth zwei mutmassliche deutsch-russische Spione festgenommen. Der Generalbundesanwalt wirft ihnen vor, in einem besonders schweren Fall für einen ausländischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein.
Die Männer sollen Transportwege ausgekundschaftet und Sabotageaktionen beraten haben. Der 39 Jahre alte Hauptbeschuldigte hat gemäss dem Generalbundesanwalt bereits erklärt, Sprengstoff- und Brandanschläge vor allem auf militärisch genutzte Infrastruktur und Industriestandorte in Deutschland geplant zu haben. Er soll schon Orte ausgespäht und dabei Fotos und Videos, etwa von Militärtransporten und -gütern, gemacht haben. Dazu gehörte auch eine Einrichtung der US-Armee im bayerischen Grafenwöhr.
Dort befindet sich unter anderem ein Truppenübungsplatz, auf dem die US-Armee ukrainische Soldaten ausbildet, etwa an Abrams-Kampfpanzern. Ziel der geplanten Aktionen soll die von Deutschland geleistete Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg gewesen sein. Der zweite Beschuldigte soll seit März bei den Sabotageplanungen mitgewirkt haben.
Hauptbeschuldigter soll in Ostukraine gekämpft haben
Damit erreichen die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland einen neuen Tiefpunkt. Aussenministerin Annalena Baerbock liess den russischen Botschafter in Berlin einbestellen. Innenministerin Nancy Faeser sprach von einem «besonders schweren Fall der mutmasslichen Agententätigkeit für Putins Verbrecherregime». Deutschland werde sich nicht einschüchtern lassen und die Ukraine weiter unterstützen. Der aktuelle Fall zeige die hohe Gefährdung, die von russischen Diensten ausgehe, hiess es aus Sicherheitskreisen.
Die Spionage- und Sabotage-Operation hatte nach Erkenntnissen der Ermittler einen längeren Vorlauf. Der Hauptbeschuldigte soll sich schon seit Oktober 2023 mit einer Person ausgetauscht haben, die an einen russischen Geheimdienst angebunden sei.
Für die deutschen Ermittler ist der Verdächtige kein Unbekannter. Er soll schon vor Jahren für eine Einheit der «Volksrepublik Donezk» (VRD) gegen die Ukraine gekämpft haben. Es bestehe der dringende Verdacht, dass er zwischen Dezember 2014 und September 2016 in der Ostukraine als Kämpfer tätig gewesen sei und «in diesem Zusammenhang über eine Schusswaffe verfügte».
Russland hat Spionage-Aktivitäten intensiviert
Die VRD ist eine prorussische Vereinigung, die seit 2014 die Kontrolle über den ukrainischen Verwaltungsbezirk Donezk beansprucht und sich heftige Kämpfe mit ukrainischen Streitkräften lieferte. Aus den Ermittlungen geht hervor, dass die VRD von der Bundesanwaltschaft als Terrororganisation eingestuft wird. Deshalb gibt es gegen den Hauptbeschuldigten auch einen Haftbefehl, der den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung sowie der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat betrifft.
Die Ermittler hoffen nun auf Hinweise zum Ausmass der Spionage Russlands in Deutschland. Verhaftet wurden die beiden Beschuldigten am Mittwoch in Bayreuth. Zudem wurden ihre Wohnungen und Arbeitsplätze mit Unterstützung durchsucht. Beide Beschuldigten sitzen in Untersuchungshaft.
Die deutschen Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass Moskau seit dem Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 seine Spionage-Aktivitäten im Westen intensiviert hat. Seit Kriegsbeginn hat die deutsche Regierung etwa achtzig russische Agenten ausgewiesen, die in Deutschland als Diplomaten akkreditiert waren. Inzwischen soll nur noch eine niedrige zweistellige Zahl übrig sein.
«Scheinbar bürgerliches Leben unter falscher Identität»
Gemäss Sicherheitskreisen schicken die russischen Geheimdienste stattdessen immer mehr Agenten nach Deutschland, die unter falscher Identität ein scheinbar bürgerliches Leben führen. «Wir rechnen mit der methodischen Umorientierung der russischen Spionage zu noch mehr Konspiration», heisst es aus Sicherheitskreisen. Ausserdem soll Russland seine Bemühungen verstärkt haben, Personen in Deutschland für seine Zwecke zu gewinnen.
Teils böten sich Freiwillige selbst an, möglicherweise auch im aktuellen Fall. «Offenbar haben wir es erneut mit einem Fall von Selbstanbietern zu tun», heisst es weiter. Erst im März hat der Generalbundesanwalt Anklage gegen einen Mitarbeiter des Bundeswehr-Beschaffungsamtes erhoben, der mutmasslich russischen Diensten Informationen liefern wollte. Und in Berlin steht ein Ex-Geheimdienstmitarbeiter vor Gericht, der Staatsgeheimnisse über den Ukraine-Krieg an den russischen Geheimdienst FSB verkauft haben soll.
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