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Sabotage an Nordstream
Russische Spezialschiffe mit Mini-U-Boot waren am Tatort

Wer wars? Aus einer der gesprengten Nordstream-Leitungen strömen Ende September 2022 grosse Mengen Erdgas.

112 Fotos habe die dänische Marine von russischen Schiffen aufgenommen, die sich am 22. September letzten Jahres vor der Insel Bornholm aufhielten, meldete kürzlich die dänische Zeitung «Information» – im Gebiet also, in dem wenige Tage später drei der vier Erdgasröhren von Nordstream 1 und 2 explodierten.

Fotografiert wurden die russischen Schiffe vom dänischen Patrouillenboot P-524 Nymfen aus, das wenige Stunden zuvor, offenbar alarmiert, zum späteren Tatort geeilt war. Das dänische Verteidigungsministerium bestätigte die Existenz der Bilder, beschied «Information» allerdings, es könne keinen Zugang zu ihnen erlauben, da sie «Teil der nachrichtendienstlichen Arbeit» seien.

Skepsis an der These mit der Segeljacht

Anfang März hatten die deutschen Medien «Zeit» und ARD sowie die «New York Times» zunächst berichtet, nichtstaatliche proukrainische Kräfte seien möglicherweise für die Sabotage verantwortlich. Auf einer Segeljacht namens Andromeda, die von einer Firma mit ukrainischen Wurzeln angemietet worden war, fanden deutsche Ermittler jedenfalls Spuren desselben militärischen Sprengstoffs, der auch am Tatort auf dem Meeresgrund festgestellt wurde.

Die These mit der Jacht wurde seither allerdings vielstimmig angezweifelt, insbesondere in dänischen und schwedischen Sicherheitskreisen: Eine solche Sabotageaktion sei ziemlich sicher zu komplex für eine Gruppe von ein paar Tauchern, die Hunderte von Kilogramm Sprengstoff an mehreren verschiedenen Orten in 80 Metern Tiefe platzieren müssten, hiess es. Auch deutsche Quellen gaben zu bedenken, dass es sich bei der Andromeda um eine mit Absicht gelegte «falsche Spur» handeln könnte, die die wahre Täterschaft zu verschleiern versuche.

Die SS-750 mit dem Mini-U-Boot AS-26

Seither versuchen manche Sicherheitskreise offenkundig, der Erzählung von der Jacht eine andere entgegenzustellen. Jedenfalls erhielt die reichweitenstarke deutsche Newsplattform «T-Online» im März Hinweise eines westlichen Geheimdienstes, ihre Reporter sollten sich doch mal die Wege von sechs namentlich genannten russischen Marineschiffen näher ansehen. «T-Online» zog für diese Aufgabe den jungen dänischen Datenanalysten Oliver Alexander hinzu.

Alexander kam nach der Analyse von Satellitenbildern und Positionsmeldungen zum Schluss, dass am 21. September tatsächlich drei russische Spezialschiffe insgeheim von Kaliningrad nach Bornholm ausgelaufen waren und sich dort am Folgetag wahrscheinlich viele Stunden lang aufhielten. Unter den Schiffen, die mit Lastkränen ausgerüstet sind, befand sich offenbar auch die SS-750, die über ein Mini-U-Boot vom Typ AS-26 verfügt, das gemeinhin dafür verwendet wird, verunglückte U-Boot-Besatzungen zu evakuieren. Fachleute meinen, es liesse sich mit seinen Greifarmen auch perfekt dazu nutzen, Sprengsätze an einer Pipeline anzubringen.

Will man es lieber nicht so genau wissen?

Sicher ist, dass die Präsenz des russischen Konvois, die vermutlich von einem US-Militärhelikopter entdeckt wurde, hektische und höchst ungewöhnliche Aktivitäten des dänischen und des schwedischen Militärs auslöste – anders als beim griechischen Öltanker Minerva Julie, der zuvor acht Tage lang vor Bornholm gelegen hatte. Kopenhagen schickte die Nymfen eilig vor Ort, Stockholm sandte ein Aufklärungsflugzeug zur Insel und später die Korvette Visby, welche die russischen Schiffe auf dem Rückweg nach Kaliningrad verfolgte.

Sollten russische Spezialschiffe samt Mini-U-Boot tatsächlich Tage vor der Explosion am Tatort gewesen sein, stellt sich die Frage, warum die dänischen und schwedischen Ermittler dies bisher nicht öffentlich gemacht haben – zumal ja der Anfangsverdacht der meisten westlichen Geheimdienste und Fachleute ohnehin auf Russland zeigte. Die «Washington Post» gewann nach Gesprächen in militärischen und diplomatischen Kreisen in Europa und den USA zuletzt den Eindruck, die westlichen Unterstützer der Ukraine wollten es derzeit lieber nicht so genau wissen. Jede Schuldzuweisung hätte nämlich Folgen, so oder anders.