Rückzugsorte für düstere ZeitenIn diesen Flüsterbars geht es Ihnen gut
Vor dem Weihnachtsstress und dem Januarloch: Warum man gerade jetzt dunkle, vielleicht geheime Orte aufsuchen sollte.
Das Codewort haben wir per Mail erhalten, auf Papier notiert, in die Manteltasche gesteckt und zur Capitol-Bar in Luzern mitgenommen. Nur: Wem soll man es zuflüstern? Dem Herrn mit den Hosenträgern vielleicht? Tatsächlich beginnt er zu strahlen und drückt einem ein Fläschchen mit einer dicken gelben Flüssigkeit in die Hand. Sie schmeckt verrucht, süss und bitter zugleich, fruchtig auch, einer Schnapsart zuordnen lässt sich das Gesöff nur schwer.
Dieses ist das erste Rätsel des Abends, das zweite stellt sich sogleich: Wird man die Fahrt mit dem Uraltbus auf den Hügel über Luzern heil überstehen? Er klappert und stöhnt und wälzt sich hinauf zum Schlössli Utenberg, in dem das Restaurant Dusty Donkey eingerichtet worden ist. Geheim ist das alles nicht, aber vieles bleibt im Dunkeln, und das ist wörtlich zu verstehen. Immer wieder entdeckt man in den Räumen, die auf wunderbare Weise alles Laute verschlucken, Neues – einen Keramik-Zebrakopf, goldenes Besteck, einen samtenen Vorhang.
Es gibt zwei Arten, mit der Dunkelheit und mit der Schwere der Gegenwart umzugehen: Entweder man konsumiert News, bis man nicht mehr kann. Oder man zieht sich zurück, mit einer Tasse Tee und einer Wolldecke vors Kaminfeuer oder eben an Orte, an denen es vielleicht genauso wild zu- und hergeht wie draussen, aber in Lustig.
Das können Speakeasy-Bars sein. Diese Lokale sind angelehnt an die Knellen der 1920er-Jahre während der Prohibition in den USA. Auf Deutsch heissen sie Flüsterbars, und heute umweht sie nur noch wenig Verruchtes (Verrauchtes schon gar nicht, im Dusty Donkey ist selbst im Fumoir die Luft klar). Weder ist es – wie damals – verboten, Drinks auszuschenken, noch stellen sie notwendige Rückzugsorte dar. Trotzdem kehrt das Phänomen immer wieder zurück, je nachdem, und das hat auch damit zu tun, was gerade in der Welt abgeht. Derzeit kann man zum Beispiel im St. Galler «Klubhaus» in einer Geheimbar Whisky trinken – vorausgesetzt, man findet überhaupt den versteckten Eingang dafür.
Um die Jahrtausendwende etwa florierten hierzulande nicht nur die wildesten Gerüchte, was an Neujahr alles sein würde, sondern in verschiedenen Städten Geheimbars. In ihnen wurde illegal Alkohol ausgeschenkt, und sie trugen Namen wie «Loch» oder «Loch II» oder «Doomed», was übersetzt «zum Scheitern verurteilt» heisst.
Das waren sie und sind sie vielleicht auch heute. Das Dusty Donkey ist ein Pop-up, das Ende absehbar. Noch bis Ende Jahr kann man dort (alkoholfreien, wer möchte) Cocktails zum Essen trinken und im schummrigen Licht Ballone zum Platzen bringen, damit das süsse Leben auf den Tisch fällt (in Form von zuckrigen Kügelchen).
Doch zumindest die Wetterlage ändert sich ja verlässlich – und es wird draussen wieder wärmer und leichter und heller.
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