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Stan Wawrinkas Mitternachtskrimi
«Solche Emotionen zu erleben, ist rar. Das macht Lust weiterzumachen»

29.05.2024; Paris; Tennis - French Open 2024; 
Stan Wawrinka (SUI) 
(Claude Diderich/freshfocus)
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Um halb ein Uhr morgens wurde es plötzlich ganz still im Court Suzanne Lenglen. Stan Wawrinka hatte zuvor den ersten Matchball mit couragiertem Spiel abgewehrt und die Menge nochmals zum Toben gebracht, beim zweiten geriet sein Vorhandball eine Spur zu lang. Einen kurzen Moment weigerten sich alle, das zu akzeptieren. Dann schritt Wawrinka langsam zum Netz, um seinem Bezwinger Pawel Kotow (ATP 56) zu gratulieren. Und allmählich mussten sich die gut 5000, die so lange ausgeharrt hatten, mit der Realität abfinden.

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Beim Verlassen der Arena klopfte sich der Romand mehrmals auf die Brust und deutete er mit seinen Händen ein Herz an. Es war eine verrückte Stimmung gewesen in der zweitgrössten Arena von Roland Garros, wo Wawrinka einst auf dem Weg zum Titel 2015 im Viertelfinal Roger Federer geschlagen hatte und 2019 in einem epischen Achtelfinalduell Stefanos Tsitsipas. Es ist sein Lieblingscourt, weil die Zuschauer hier so nah sind. Sie machten in diesem Mitternachtskrimi einen Riesenlärm. Und Wawrinka saugte alles auf.

Letztlich obsiegte aber die Jugend. Kotow setzte sich gegen den Romand in der zweiten Runde 7:6 (7:5), 6:4, 1:6, 7:6 (7:5) durch – in intensiven 3 Stunden und 40 Minuten. Der Russe gewann zwar nur vier Punkte mehr (131:127), sein Sieg ging aber in Ordnung.

«Stan war das Idol meiner Kindheit»

Das sah auch Wawrinka so: «Es war ein guter Match von mir. Aber er war in den entscheidenden Momenten präsenter und aggressiver.» Das galt vor allem in den beiden Tiebreaks. Von den Zuschauern ausgebuht, sammelte Kotow im Platzinterview Punkte, als er sagte: «Heute ist mein schönster Tag. Stan war das Idol meiner Kindheit. Es fühlt sich surreal an, ihn zu schlagen.»

epa11378342 Pavel Kotov of Russia in action during his Men's Singles 2nd round match against Stan Wawrinka of Switzerland during the French Open Grand Slam tennis tournament at Roland Garros in Paris, France, 29 May 2024.  EPA/CHRISTOPHE PETIT TESSON

Der 25-Jährige aus Moskau hat sich im Sommer 2023 in die Top 100 gespielt und das in diesem Jahr bestätigt. Er hatte 2024 zuvor schon 13 Matches auf der ATP-Tour gewonnen, Wawrinka nur 3, und das sah man in den Schlüsselmomenten. Der 1,91-Meter-Mann trat da selbstbewusster auf und sorgte auch immer wieder für Überraschungsmomente wie Netzangriffe oder Stoppbälle.

Als Belohnung darf er am Freitag Australian-Open-Sieger Jannik Sinner fordern. Hätte Wawrinka gewonnen, wäre dessen Manager Lawrence Frankopan wohl hin- und hergerissen gewesen. Denn der Engländer betreut auch Sinner.

Lauter gefeiert als Rafael Nadal

An diesem Mittwochabend sass Frankopan in der Box von Wawrinka und nicht bei Sinner, der zeitgleich in der Hauptarena gegen Richard Gasquet spielte und locker in drei Sätzen siegte. Der Schweizer hatte die Unterstützung wohl auch mehr nötig. Wawrinka wurde vom französischen Publikum lauter gefeiert als zwei Tage zuvor Rafael Nadal. «Ich fühle mich hier zu Hause», sagte er kurz vor ein Uhr morgens beim TV-Interview. «Solche Emotionen zu erleben, ist sehr rar. Das macht Lust weiterzumachen.»

Die Frage, ob er nächstes Jahr mit 40 wieder in Roland Garros dabei sei – es wäre sein 20. Mal als Profi –, konnte er aber nicht beantworten. «Das ist in zwölf Monaten. In meinem Alter schaut man nicht so weit voraus. Momentan will ich weitermachen. Ich habe den Willen und das Niveau dazu. Aber ich muss auch Matches gewinnen, um das Klassement zu haben, damit ich solche Turniere bestreiten und solche Emotionen erleben kann.» 

Er hofft auf eine Wildcard für Olympia

Aus Roland Garros kann Wawrinka einiges an Positivem mitnehmen. Körperlich ist er wieder da, wo er sein wollte, die Schläge stimmen auch. Jetzt muss er nur wieder die nötige Lockerheit und Entschlossenheit finden, um sie gewinnbringend einzusetzen. Das wird er als Nächstes in gut vier Wochen in Wimbledon (ab dem 1. Juli) versuchen. Für die Olympischen Spiele in Paris (ab dem 27. Juli) reicht seine aktuelle Klassierung von 98 nicht. Er hofft auf eine Wildcard von den Veranstaltern.

Vielleicht hilft es ja, dass Wawrinka in Paris populärer ist als mancher Franzose. Dass ihn die Leute hier unbedingt nochmals spielen sehen möchten. Sie spüren, wie viel ihm dieser Sport immer noch bedeutet. In Roland Garros musste er eine Niederlage einstecken, die schmerzt. Aber er verabschiedete sich als Sieger der Herzen.