Nadals Abschied von Paris?«Wenn es das gewesen sein sollte, bin ich mit mir im Reinen»
Der 14-fache Champion fordert Alexander Zverev gut drei Stunden, muss sich aber mit 3:6, 6:7, 3:6 beugen. Im emotionalen Platzinterview sagt er, er sei noch nicht bereit, Adieu zu sagen.
Es gab Momente der Magie an diesem Pariser Nachmittag, den alle Tennisfans so sehnlichst erwartet hatten. Zeitweise bestimmte Rafael Nadal die Ballwechsel gegen Alexander Zverev mit seinen wuchtigen Vorhandschlägen wie fast zu seinen besten Zeiten. Und das Publikum nahm jeden Funken der Hoffnung dankbar auf. Ein Bläsertrio und ein Trommler sorgten für Stimmung. Jeder Sitz war besetzt, auch Novak Djokovic, Carlos Alcaraz und Iga Swiatek liessen sich dieses Rendez-vous mit der Tennisgeschichte nicht entgehen.
Doch letztlich obsiegte die Logik. Zverev, die Nummer der 4 der Welt und jüngst Sieger des Masters-1000-Turniers in Rom, schlug Nadal bei dessen Rückkehr nach Roland Garros nach 715 Tagen in drei Sätzen 6:3, 7:6 (7:5), 6:3. Damit wurde der Deutsche zum erst dritten Mann, der den 14-fachen Paris-Sieger in seinem Reich bezwingen konnte – nach Robin Söderling (2009) und Novak Djokovic (2015, 2021). Es war für Zverev eine Wiedergutmachung für sein letztes Pariser Duell mit Nadal, als er 2022 im Halbfinal im zweiten Satz umgeknickt war und mit dem Rollstuhl vom Court gefahren werden musste.
Anfangs wirkte Nadal wie verloren
Der Favorit ging gut damit um, dass er das ganze Stadion gegen sich hatte. Die Zuschauer blieben aber jederzeit fair, feuerten einfach enthusiastisch den Spanier an. Dieser begann äusserst verhalten und gab seinen Aufschlag gleich zu null ab. In den ersten Games wirkte Nadal wie verloren auf diesem Court, der so lange sein Wohnzimmer gewesen war. Aber allmählich schwang er seinen Arm lockerer durch und verwickelte Zverev in Ballwechsel.
Im zweiten Satz riss Nadal dann zusehends die Initiative an sich und mit einem Break zum 3:2 auch die Führung. Doch als er bei 5:4 zum Satzausgleich servierte, gab er den Aufschlag zu null ab. Das Tiebreak verlor er dann wegen zweier missratener Stoppbälle. Im dritten Durchgang zog Nadal auf 2:0 davon, gab den Vorsprung aber gleich wieder preis und bei 3:3 erneut den Aufschlag ab. Und diese Führung liess sich Zverev nicht mehr nehmen. Als der letzte Ball gespielt war, ging ein Raunen durch die Ränge. In seinem 116. Auftritt in Paris verlor Nadal erst zum vierten Mal.
Die Verabschiedung wurde gestrichen
Eine Abschiedszeremonie war für ihn von langer Hand vorbereitet worden, doch Turnierdirektorin Amélie Mauresmo strich sie kurzfristig. «Nadal sagte ja, dass er nicht wisse, ob dies sein letztes Roland Garros sein wird oder nicht. Er will sich die Tür offen lassen, um vielleicht nächstes Jahr als Spieler zurückzukommen», erklärte Mauresmo. «Wir werden ihn also nicht zu irgendetwas drängen. Es ist seine Entscheidung, wann er eine Zeremonie oder eine richtige Verabschiedung haben möchte. Aber nicht in diesem Jahr.»
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Im Platzinterview hielt sich Zverev zurück und sagte, dies sei nicht sein Moment, sondern der von Nadal. Also ging das Mikrofon an den Spanier. Der bedankte sich bei den Zuschauern: «Merci für all die Energie, die ihr mir gegeben habt. Ich weiss nicht, ob es das letzte Mal gewesen ist vor euch. Ich bin mir noch nicht 100-prozentig sicher. Ich habe es auf jeden Fall genossen. Es war wunderbar, eure Liebe zu spüren.»
Gegenüber den Medien gab der 37-Jährige danach ausführlich Einblicke in seine Gefühls- und Gedankenwelt. «Wenn es das gewesen sein sollte, bin ich mit mir im Reinen. Ich habe in den letzten fast 20 Jahren immer alles gegeben, um bereit zu sein für Roland Garros. Die letzten zwei Jahre waren die härtesten, um mir den Traum zu erfüllen, nochmals hierher zurückzukehren. Ich habe es geschafft. Das Spiel habe ich verloren, aber das gehört zu diesem Business.»
Sein Körper sei in dieser langen Leidenszeit gewesen wie ein Dschungel, sagte er mit einem Anflug von Humor. «Ich wusste nie, was mich erwarten würde. An einem Tag wachte ich auf und fühlte mich, als hätte mich eine Schlange gebissen. An einem anderen ein Tiger.» Im März habe er gedacht, er werde wohl nie mehr ein Turnier spielen. «Aber dann ging es allmählich besser. Und in der letzten Woche konnte ich erstmals ohne Einschränkungen sprinten. Das war nun auch gegen Zverev so.»
«Mehr war ehrlich gesagt nicht möglich»
Allerdings wäre es wohl zu viel verlangt gewesen, nach einer guten Trainingswoche zu erwarten, einen solchen Topspieler zu schlagen, gab sich Nadal realistisch. Es sei seltsam gewesen, erstmals seit Ewigkeiten als Aussenseiter auf seinen Lieblingscourt zu schreiten. «Ich spielte auf einem guten Niveau, mehr war ehrlich gesagt kaum möglich. Manchmal spielte ich sehr gut, dann verschlug ich wieder. Aber das ist total normal, wenn man seit zwei Jahren kaum mehr gespielt hat.»
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Sein Motto sei immer gewesen, alles zu geben. Deshalb könne er jetzt auch nicht einfach zurücktreten. «Ich möchte mir nicht in einem Jahr oder in eineinhalb Jahren vorwerfen müssen, ich hätte mir keine richtige Chance gegeben, es nochmals versucht zu haben, als ich mich wieder etwas gesünder fühlte. Und ich bin in einer anderen Phase meines Lebens und geniesse es, mit meinem Sohn und meiner Frau an die Turniere zu reisen. Das werde ich danach so nicht mehr erleben können.»
Nadal deutete an, dass er die Rasensaison wohl auslassen wird, also auch Wimbledon, weil die Umstellung auf eine andere Unterlage für seinen Körper momentan zu fordernd sei. Sein nächstes Ziel sind die Olympischen Spiele ab dem 26. Juli. Und zumindest da wird es ein Wiedersehen mit dem Pariser Publikum geben. Denn das Tennisturnier wird in Roland Garros gespielt.
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