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Roadtrip durch Indonesien
1300 Kilometer mit einer roten Honda von Java nach Bali

Bali

Reisereportage "Mit dem Scooter durch Indonesien"
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Am besten lernt man ein Land kennen, wenn man so unterwegs ist wie die Menschen, die dort leben. In Indonesien bedeutet das: Helm auf und rauf auf den Scooter. Etwa 125 Millionen Krafträder soll es hier geben. Auf einem davon fahre ich dreieinhalb Wochen durch das Land, von Surabaya im Nordosten Javas bis Denpasar im Süden Balis. Meine rote Honda taufe ich Buddy, in der Hoffnung, dass sie mich wie ein guter Kumpel nicht im Stich lässt. Kein Blech, kein Glas zwischen mir und der Umwelt, die möglichst rohe Erfahrung also und die Möglichkeit, stets für ein kühles Kokoswasser oder einen kurzen Plausch anzuhalten.

Die Atmosphäre auf dem Asphalt ist jedoch erst einmal rau. Auf Java wohnen 150 Millionen Menschen auf einer Fläche, die ungefähr der Grösse Griechenlands entspricht. Die Strassen sind entsprechend voll. Der Verkehr fliesst nur dank einer Mischung aus Mut und Rücksicht: Wer überholen will, muss darauf zählen, dass die Entgegenkommenden entweder bremsen oder an den Strassenrand ausweichen.

Java

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Lombok

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Es ist ein ständiges Stop-and-go: Bei 70 km/h zwischen Lastwagen hindurchschlängeln, bei 3 km/h darauf achten, niemandem hinten reinzufahren. Darauf vertrauen, dass einem selbst niemand hinten reinfährt. Visier öffnen, um frische Luft zu schnappen. Staub in den Augen, Visier wieder runter. Erstaunlicherweise passieren kaum Unfälle, was möglicherweise daran liegt, dass im Osten Javas nur wenige Linksverkehr-Neulinge wie ich unterwegs sind.

Je weiter man sich von der Küste entfernt, desto dünner ist die Besiedlung. Im Inselinnern erhebt sich ein majestätischer Vulkan neben dem nächsten. Mit Buddy steuere ich einen der weniger gut besuchten an: den Gunung Raung, dessen Gipfel man sich erwandern muss, eine Zweitagestour mit 2700 Höhenmetern und Kletterpassagen. Der Gunung Raung gilt als schwerster Gipfel auf Java.

Zu dreizehnt wandern wir durch den dichten Dschungel, zwölf indonesische Männer und Frauen und ich. Abends essen wir Reis mit Hähnchenkeule und Wasserspinat, danach legen wir uns auf hauchdünne Isomatten.

Der Weg zum Gipfel beginnt um 2.30 Uhr morgens. Mit dem ersten Tageslicht erreichen wir die Baumgrenze, die Wolkengrenze liegt schon unter uns: In der Ferne durchstechen einige andere Vulkane den unendlichen Wattebausch. Der Grat ist so schmal, dass wir einige Meter auf dem Po rutschend zurücklegen. An anderen Stellen haken wir die Karabiner ein und ziehen uns am Fels nach oben. Unsere Wanderführer halten routiniert die Seile und zünden sich nebenbei einige Fluppen an.

Java

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Anderthalb Stunden nach Sonnenaufgang erreichen wir den Gipfel. Zeit fürs Fotoshooting. Die Indonesier lieben es, zu posieren: mit Kappe, ohne Kappe, Peace-Zeichen, Siegerpose und so fort. Ein Wandergefährte hat sogar ein weisses muslimisches Gewand mitgeschleppt. Alle strahlen und sind glücklich, während der Gunung Raung seinen Qualm gen Himmel pustet.

Am nächsten Tag geht es weiter Richtung Bali. Die Infrastruktur für einen Roadtrip ist in dieser Ecke Indonesiens ausgesprochen gut. Die Strassen sind glatt asphaltiert, nur abseits der Hauptverbindungen ist man manchmal auf holprigen Pisten unterwegs. Am Strassenrand stehen alle paar Kilometer vor kleinen Läden Glasflaschen mit einer smaragdgrünen Flüssigkeit: Benzin für Buddy, falls ihm der Saft ausgeht. Die etwas in die Jahre gekommene Fähre von Java nach Bali kostet umgerechnet etwa zwei Franken.

Kurz vor der Überfahrt gerate ich in eine gefährliche Situation. Als ich zu einer Tankstelle abbiegen will, kracht ein Scooterfahrer in meine Flanke. Mein Nummernschild ist verbogen, am Seitenspiegel hat sich die Mutter gelockert, und ich habe eine kleine Schramme am Bein. Mehr ist nicht passiert. Es bleibt Gott sei Dank der einzige Unfall während der Reise.

Einige Tage später treffe ich Made Ari. Es ist früh am Morgen, als er sein Boot in die Wellen schiebt. Seine Schicht als Nachtwächter ist vorbei, jetzt beginnt die als Fischer. Made Ari hofft auf einen Schnapper oder einen kleinen Thunfisch. Wenn es gut läuft, beisst vielleicht sogar ein Barrakuda an. Er lässt den Motor an, dann schippern wir in Richtung Sonnenaufgang.

Made Ari (38) stammt aus Amed, einem Küstendorf im Nordosten Balis. Früher lebten hier hauptsächlich Fischer und Salzbauern, mittlerweile gibt es ein paar Dutzend Tauchschulen und Gästehäuser. Der Strand ist voller Restaurants, in denen die Stühle auf dem schwarzen Vulkansand stehen und Katzen umherstreifen in der Hoffnung auf einen Bissen vom fantastischen Fisch.

Bali

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Auch Made Ari verkauft seinen Fang an die Restaurants: Für ein Kilogramm Barrakuda bekommt er umgerechnet rund drei Franken, bei Thunfisch sind es etwa zwei. Als wir weit genug vom Festland entfernt sind, lässt er seine Leine ins Wasser gleiten: eine Nylonschnur mit 25 Haken, glitzernden Ködern und einer Eisenstange, die bis zum 100 Meter tiefen Grund sinkt. Wenn Made Ari an der Leine zieht, tanzen die Köder in der Strömung wie kleine Sardinen.

Mit seinen beiden Jobs verdiene er genug, um für seine Frau und die beiden Kinder sorgen und sich kleine Genüsse wie Zigaretten leisten zu können, erzählt Made Ari. Als die Sonne ein paar Zentimeter über dem Horizont steht und immer noch kein Fisch angebissen hat, wirft er den Motor an: Standortwechsel. Auch die vorbeikommenden Fischer schütteln die Köpfe. Früher habe es hier mehr Fische gegeben, sagt Made Ari. Manche seiner Kollegen ziehen mittlerweile grosse Netze hinter sich her und holen Hunderte Makrelen auf einmal aus dem Wasser.

Bali

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Nach zweieinhalb Stunden gibt Made Ari auf und steuert sein Boot zurück zum Strand. Manchmal laufe es besser, manchmal schlechter. Schlimm sei das aber nicht, dann müsse seine Frau heute beim Kochen eben mit Tofu und Ei auskommen.

Das Reisen fühlt sich auf Bali anders an als auf Java, allein schon, weil die Menschen unterschiedlichen Religionen angehören. Java ist muslimisch geprägt: In vielen Supermärkten fehlt das Alkoholregal, dafür dröhnt irgendwo in der Nähe fünfmal am Tag der Ruf des Muezzins aus dem Lautsprecher. Auf Bali sind die meisten Menschen Hindus. Statt Muezzins sind Gamelan-Klänge zu hören, und überall liegen Körbchen mit Blumen, Räucherstäbchen, Reis, Früchten oder Keksen: Opfergaben an die Götter, oft über den Umweg eines Hunde- oder Vogelmagens.

Selfies mit dem Exoten aus Europa

Auf Java konnte ich in manchen Gegenden stundenlang über die Strassen düsen, ohne einem anderen Menschen zu begegnen, der sichtlich nicht von hier stammt. Sobald ich irgendwo zum Mittagessen anhielt, war ich der Exot aus Europa. Kinder winkten, manche Menschen schossen Selfies mit mir oder waren neugierig, warum ich ausgerechnet dieses Fleckchen Erde besuche.

Auf Bali hingegen ist jeder Winkel touristisch erschlossen, überall sind Roller-Reisende unterwegs. Wegen der vielen Unfälle verkündete Balis Gouverneur vor einigen Monaten, dass Roller nicht mehr an Ausländer verliehen werden dürfen. Passiert ist aber nichts, vermutlich, weil die Touristen Balis Lebensversicherung sind. Jedes Jahr strömen Millionen auf die Insel. Manchmal fühlt sich die Insel an wie eine glitzernde Fassade, die das wahre Indonesien verdeckt.

Zumindest im Norden Balis gibt es noch einige Ecken, die man sich nicht mit Scharen von Surfern oder Sinnsuchenden teilen muss, zum Beispiel in Tejakula an der Nordküste. Es ist Samstagnachmittag, und es geschieht das Gleiche wie in Bern-Bümpliz oder Züri-Schwamendingen: Die Hälfte des Dorfs strömt zum Sportplatz. Pokalspiel.

Bali

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Etwa 2000 Zuschauer – fast nur Männer – sind gekommen; ein paar besonders couragierte platzieren sich unter einer über die Südkurve ragenden Kokospalme. Die Spieler geben von Beginn an Gas, die Stimmung ist super, der Rasen leider nicht: Die knochentrockene Hügellandschaft erlaubt nur mieses Gebolze.

Der Match ist schnell nacherzählt: In der zweiten Halbzeit staubt ein Spieler der Heimmannschaft zur Führung ab, davor und danach passiert nicht viel. Nach dem Schlusspfiff stürmen ein paar Jungs den Platz, die Kokosnüsse hängen alle noch am Baum, und die Hälfte des Dorfes ist zufrieden.

Abschied nehmen von Buddy

Ein paar Häuser weiter steht eine Verkäuferin an der Strasse, neben ihr ein Haufen ausgeschabter Kokosnüsse, vor ihr ein Bottich mit Kokoswasser und Kokosfleisch. Zwei Schöpfer davon, gemixt mit Kondensmilch, einem Schuss Limette und zwei Eiswürfeln: voilà, einmal Es Kelapa Muda, die flüssige Frische. Macht dann 5000 Rupien, etwa 30 Rappen, und am Ende pult man das Kokosfleisch aus dem Becher. Ein Drink für die Götter.

Bali

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Am letzten Tag mit Buddy wird es noch einmal hektisch: Der Flughafen befindet sich im Süden Balis, wo ständig Stau herrscht. Hier liegt nicht nur der Ballermann der Australier, es gibt auch fantastische Wellen und Strände, die Surfer aus aller Welt anziehen.

Ich stürze mich allerdings nicht ins Meer, sondern ins Treiben auf dem lokalen Fischmarkt: ein paar Dutzend Buden, bei denen es alles zu kaufen gibt, was die balinesische See zu bieten hat. Die Boote legen am wenige Meter entfernten Strand an und liefern die fangfrische Ware. Bottiche voller Sardinen, Thunfische, Tintenfische, ja sogar Riffhaie landen in der Auslage. Die Verkäufer drapieren Langusten auf Eiswürfeln, die Kunden greifen in die glitschigen Bottiche und prüfen die Ware.

Java

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Dann ist es an der Zeit, Buddy abzugeben. Ein Mitarbeiter des Verleihers wartet am Flughafen. Ein kurzer Check: Der Tank ist voll, alles funktioniert, keine Schrammen. Nur der Fahrer hat eine abbekommen. Und die Erkenntnis gewonnen: Ja, ohne Blech und ohne Glas um sich herum kommt man der Welt da draussen immer noch am nächsten.

Die Recherchereise für diesen Artikel wurde zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluggesellschaften und Tourismusagenturen.