Mordserie in MexikoReporter im Visier von Killern
Medienleute leben in Mexiko sehr gefährlich. Allein im Januar sind vier Journalistinnen und Journalisten ermordet worden. Das rüttelt das zentralamerikanische Land auf.
Es war Montagmittag, als Roberto Toledo sein Büro in Zitácuaro verliess, einer Kleinstadt im mexikanischen Bundesstaat Michoacán. Der 55-Jährige arbeitete dort für ein lokales Nachrichtenportal, «Monitor Michoacán», das immer wieder auch über Korruption und Vetternwirtschaft der Mächtigen vor Ort berichtete.
Es war ein gefährlicher Job, keine Frage, schon in der Vergangenheit hatte es Drohungen gegeben. Kaum aber hatte Toledo nun sein Büro verlassen, kamen drei Männer auf ihn zu und eröffneten aus nächster Nähe das Feuer. Wenig später erlag Toledo in einem Spital seinen Schusswunden.
Sein Tod allein wäre schon tragisch genug. Erschwerend hinzu kommt aber, dass Toledo bereits der vierte Medienvertreter ist, der in diesem ja noch sehr jungen Jahr in Mexiko ermordet worden ist. Erst vergangene Woche wurde die Journalistin Lourdes Maldonado erschossen, in Tijuana, demselben Bundesstaat, in dem kurz zuvor auch schon der Fotograf Margarito Martínez ermordet worden war.
Berichterstatter werden erschossen oder erstochen, manchmal auch enthauptet und sogar zerstückelt.
Und schliesslich ist da auch noch José Luis Gamboa, der in Veracruz auf offener Strasse von einem unbekannten Täter brutal niedergestochen wurde und wenige Tage später starb. Es ist eine grausame Bilanz, selbst für Mexiko, ein Land, das so gefährlich ist für Journalisten wie kein anderes ausserhalb eines Kriegsgebiets. (Lesen Sie zur Gewalt in Mexiko auch die Artikel «Neun Leichen an Brücke aufgehängt» und «Mexikanische Banden töten elf Menschen – darunter zwei Kinder».)
Berichterstatter werden erschossen oder erstochen, manchmal auch enthauptet und sogar zerstückelt. Es ist ein unaussprechliches Gemetzel, entfesselte Gewalt. 2021 kamen sieben Journalistinnen und Journalisten ums Leben, sollte es so weitergehen, könnte 2022 für Medienvertreter in Mexiko zum tödlichsten Jahr der Geschichte werden.
Die Gründe für die Gewalt liegen zum einen im Drogenkrieg, dem überall im Land jedes Jahr Zehntausende Menschen zum Opfer fallen. Reporter, die über die Banden und ihre Machenschaften berichten, kommen dabei schnell in Lebensgefahr. Längst reicht die Macht der Mafia und der Gangs aber auch weit hinein in Politik, Wirtschaft und Justiz.
Staatschef Obrador legt sich mit Medien an
Korruption ist in einigen Gegenden Mexikos fast allgegenwärtig, die Mächtigen decken und schützen sich gegenseitig. Verbrechen werden so gut wie nie aufgeklärt, und wenn doch einmal ein Täter hinter Gittern landet, so ist es meist nur der Auftragsmörder, die Hintermänner aber bleiben im Dunkeln.
Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador gelobt zwar immer wieder öffentlich, Medienvertreter in seinem Land besser zu schützen. Gleichzeitig wettert der Präsident aber auch fast wöchentlich gegen kritische Journalisten, beschimpft sie als Lügner und Gesindel. Seine allmorgendliche Medienkonferenz hat López Obrador längst in eine Art zähen Stellungskrieg verwandelt, Präsident gegen Medien.
All das, sagen Experten, heize die Gewalt zusätzlich an. Umso tragischer, dass Lourdes Maldonado, eine der nun ermordeten Journalistinnen, in genau so einer Medienkonferenz noch vor ein paar Jahren um Schutz gebeten hatte: «Ich fürchte um mein Leben», sagte sie damals, im Jahr 2019, zu López Obrador.
Genützt hat es ihr nichts, Maldonado ist tot, und das, obwohl sie sogar Teil eines staatlichen Schutzprogramms war, eingeführt 2012, auf öffentlichen Druck, um Menschenrechtsaktivisten und Medienvertreter besser zu schützen. Längst aber platzt das Programm aus allen Nähten, dringend müsste das Budget erhöht werden, es gibt viel zu wenig Personal für viel zu viele Schutzbedürftige.
Zwei der vier in diesem Jahr schon ermordeten Journalisten standen so eigentlich unter staatlichem Schutz. Kurz: Der Staat kann die Morde an Journalisten weder aufklären noch verhindern. Viele Zeitungen und Nachrichtenportale in Mexiko schützen sich mittlerweile selbst, indem sie die Namen von Autoren und Reportern nicht mehr veröffentlichen.
Andere haben sich eine Selbstzensur in der einen oder anderen Form auferlegt, wieder andere gehen gleich ins Exil. Gleichzeitig gibt es aber auch viele Fotografen und Journalisten, die weitermachen, trotz allem. Für viele Mexikaner ist die Gewalt, die in ihrem Land herrscht, längst zum tragischen Alltag geworden.
«Wir tragen keine Waffen. Wir haben nur einen Stift und ein Notizbuch, um uns zu verteidigen.»
Die jetzige Mordwelle an Medienvertretern aber hat das Land aufgerüttelt, schon vergangene Woche gab es landesweite Proteste, Journalisten gedachten ihrer ermordeten Kollegen, im Netz gab es Solidaritätsbekundungen.
Nach dem Tod von Roberto Toledo gab dessen ehemaliger Chef, Armando Linares, bei Facebook eine Erklärung ab. «Die Offenlegung von Korruption hat zum Tod unseres Kollegen geführt», sagte der Direktor des Nachrichtenportals «Monitor Michoacán», und während er mit den Tränen kämpfte, sprach er Toledos Familie sein Beileid aus.
«Er hat sein Leben verloren durch die Hand von drei Männern, die ihn feige und hinterhältig ermordet haben», sagte Linares. «Wir tragen keine Waffen. Wir haben nur einen Stift und ein Notizbuch, um uns zu verteidigen.»
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