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Meinung

Analyse zum neuen Virus
Reden wir über Affenpocken

Das Affenpocken-Virus überträgt sich durch engen Hautkontakt.
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Zu Sofa-Epidemiologen und Lehnstuhl-Virologinnen haben wir uns während der Pandemie entwickelt, in der Kaffeepause über Inkubationszeiten und T-Zellen geplaudert, als wären es die Fussball-Ergebnisse vom Vortag. Doch jetzt sind wir pandemiemüde und wollen nichts mehr von Viren und Impfungen hören. Deshalb ist es so seltsam still, obwohl sich mit den Affenpocken gerade ein neues Virus ausbreitet.

Die Affenpocken sind nicht Covid und bisher zum Glück weniger ansteckend. Verharmlosen sollte man die Krankheit trotzdem nicht, sagen viele Experten. Vor allem die starken Schmerzen und die Narbenbildung können für Erkrankte zum Problem werden. In sehr seltenen Fällen kann es zu tödlichen Komplikationen kommen.

Weil es so still ist, wendet sich Pink Cross, der Dachverband der schwulen und bisexuellen Männer, jetzt mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit. Noch immer treten die allermeisten Krankheitsfälle bei Männern auf, die Sex mit Männern haben. Pink Cross fordert, die Schweiz müsse dringend mehr unternehmen, um den Impfstoff gegen die Affenpocken zu beschaffen. Der Bund und das Bundesamt für Gesundheit seien zu passiv.

Die Situation ist kompliziert: Der Impfstoff-Hersteller Bavarian Nordic hat in der Schweiz bisher kein Gesuch um Zulassung gestellt, und ohne Gesuch kann Swissmedic den Impfstoff nicht regulär zulassen. Auch Ärzte und Kantone können im Moment nicht selbst im Ausland bestellen, wie sonst in solchen Fällen üblich. Die Nachfrage ist ausserdem so gross, dass der Hersteller nur an Regierungen und bei grossen Bestellmengen liefert. Weil die Schweiz keinen Zugang zum EU-Gesundheitsmarkt hat, bleibt sie aussen vor.

Ein bisschen wird man beim Schweigen der Öffentlichkeit das Gefühl nicht los, dass nicht nur Pandemiemüdigkeit der Grund für die Stille ist.

Der Ärger von Pink Cross ist verständlich, obwohl hinter den Kulissen, sagen Insider, durchaus Anstrengungen im BAG laufen, den Impfstoff möglichst rasch zu beschaffen. Ein bisschen wird man beim Schweigen der Öffentlichkeit aber das Gefühl nicht los, dass nicht nur Pandemiemüdigkeit der Grund für die Stille ist. Solange das Virus vor allem Männer betrifft, die Sex mit Männern haben, glauben viele, dass sie das Thema nichts angeht. Das könnte ein Irrtum sein, Deutschland hat gerade den ersten Fall eines vierjährigen Mädchens mit Affenpocken gemeldet.

Wichtig wäre jetzt als Sofortmassnahme eine wirksame Aufklärungskampagne. Und es braucht dringend mehr Forschungen. Noch sind nicht alle Fragen geklärt, wie die Ansteckungen verlaufen. Im Fachmagazin «Lancet» ist am Dienstag eine Studie zum aktuellen Ausbruch in Spanien erschienen. Auch sie zeigte, dass die Ansteckungen in erster Linie über engen Haut-zu-Haut-Kontakt geschehen.

Der Rat, den Experten geben, ist ein unpopulärer: Schützen kann sich im Moment nur, wer monogam lebt. Kondome bieten vermutlich einen gewissen, aber keinesfalls vollständigen Schutz. Möglicherweise ist auch die Ansteckung über Sperma möglich, das ist noch ungeklärt.

Schlechte Nachrichten bringt die Studie auch für jene, die als Kind noch die Pockenimpfung bekommen haben, die es in der Schweiz bis Anfang der Siebzigerjahre gab. Knapp 20 Prozent der spanischen Krankheitsfälle waren Männer, die als Kind geimpft wurden. Die alte Impfung konnte die neue Infektion nicht verhindern.

 

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