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Umstrittene Spendenaktion in Frankreich
Rechtsextremer sammelt über eine Million Euro für Todesschützen

Ist es vorbei? Kommt Frankreich nach sechs Tagen und Nächten mit extremer Gewalt wieder zur Ruhe? «Nichts ist sicher», diesen Satz hört und liest man ständig, in allen Medien. Aber mehrere Anzeichen sprechen dafür. Da ist zunächst das Gesamtniveau der Ausschreitungen, die der tödliche Schuss eines Polizisten auf einen 17-Jährigen bei einer Verkehrskontrolle ausgelöst hatte. Es sank zum dritten Mal in Folge. Nur vereinzelt kam es in der Nacht zu Montag noch zu grösseren Plünderungen, Zerstörungen und Scharmützeln mit der Polizei, vor allem in Marseille, Lyon und Strassburg. Die Bilanz am Mittag: 175 Festnahmen statt zuvor 700, drei verletzte Polizisten, 297 angezündete Autos. Im Pariser Vorort Saint-Denis starb ein Feuerwehrmann beim Löschen brennender Autos an einem Herzinfarkt.Auf der emotionalen Ebene zeigen die Wortmeldungen in den Medien und die Befragungen auf der Strasse den wachsenden Unmut einer grossen Mehrheit angesichts der gewaltigen Verwüstungen in den Städten und der Gewalt gegen Amtsträger. Das Schicksal der Familie des Bürgermeisters von L'Haÿ-les-Roses, die vor dem Mob aus dem brennenden Haus in den Garten der Nachbarn flüchten musste, rüttelte viele auf. Am Montagmittag kamen Tausende vor den Rathäusern der Republik zusammen, um ihre Solidarität zu demonstrieren.Und nach der Grossmutter des getöteten 17-Jährigen mahnen nun auch viele seiner Altersgenossen zur Ruhe. Einer fragte im Netz: «Wer soll denn für die ganzen Schäden aufkommen? Es sind die Eltern.» Beziehungsweise die Steuerzahler. Und zu einem gewissen Teil die Versicherungen. Sie müssen nach einer ersten Schätzung mehr als 250 Millionen Euro auszahlen für 40 zerstörte Busse oder Strassenbahnen, 5000 verbrannte Autos, Hunderte kaputte öffentliche Gebäude, zertrümmerte und geplünderte Geschäfte.

«Es geht so nicht weiter, wir brauchen eine neue Politik für die Städte»

Empörung in der politischen Mitte hat eine Initiative eines Anhängers des rechtsextremen Politikers Éric Zemmour ausgelöst. Er hatte zu Spenden für den weiterhin in Untersuchungshaft sitzenden Polizisten aufgefordert, der Nahel erschossen hatte. Der Polizist habe nur «seine Arbeit gemacht», verteidigte er den Schritt. Bis zum Montagnachmittag kam mehr als eine Million Euro zusammen – ein Symbol für die zunehmende Hemmungslosigkeit vor allem rechter Extremisten. In einem Medienkommentar war von einem «Spendenaufruf der Schande» die Rede.Zentral bleibt die Frage nach den Ursachen der Ausschreitungen. Man müsse das «tiefe Unbehagen» der Jugendlichen in den Vorstädten verstehen, sagte Bruno Piriou, Bürgermeister von Corbeil-Essonnes zu Franceinfo, «gerade wenn sie auf ihre Eltern schauen». Das Versprechen des Präsidenten Emmanuel Macron, dass sie «nur die Strasse überqueren» müssten, um einen Job zu finden, werde in den problematischen Vierteln schlicht nicht eingelöst. Ein Streetworker sagte auf BFMTV: «Es geht so nicht weiter, wir brauchen eine neue Politik für die Städte.»Mehrere Regierungen haben versucht, die Lage in den Vororten zu verbessern, viele Banlieues wurden aber auch der Armut und der Kriminalität überlassen. Der Élysée-Palast trat am Montag der Kritik an Versäumnissen entgegen. Im Umfeld des Präsidenten wurde betont, es handle sich nicht um einen «Aufstand in den Vierteln (der Vorstädte)». Das werde zum Teil zur Karikatur verzerrt. Das seien vielmehr «kriminelle Akte vorwiegend junger Menschen, Vandalismus, Plünderei».

Die Krawalle seien keine französische Spezialität, das Scheitern eines speziellen «französischen Modells»; ähnliche Probleme mit gewaltbereiten Jugendlichen hätten auch andere westliche Länder, etwa Belgien, die Schweiz oder Kanada. Und Deutschland. Frankreich bleibe ein Rechtsstaat. Ausserdem habe die Regierung Macron die «Chancengleichheit» in benachteiligten Vierteln verbessert, viele Arbeitsplätze geschaffen, Gebäude renoviert.Der Élysée widersprach auch dem Vorwurf, Frankreich habe ein besonderes Problem mit Polizeigewalt. Die vergangenen Tage hätten gezeigt, dass die Ordnungskräfte ihrer Arbeit «besonnen» und «angemessen» nachgingen. Der Tod des Jungen sei eine Tragödie und durch nichts zu entschuldigen. Aber er werde jetzt von der Justiz untersucht. Das viel kritisierte Gesetz von 2017, das den Schusswaffengebrauch von Polizisten erleichtert, habe die Zahl der Fälle, in denen auf fahrende Autos geschossen wurde, nicht signifikant erhöht.

Der Presserat hat die Beschwerde eines Lesers gutgeheissen betreffend des Artikels «Rechtsextremer sammelt über eine Million Euro für Todesschützen» vom 4. Juli 2023. Tatsächlich waren Titelei und Bebilderung irreführend. Beides ist unterdessen korrigiert worden. Die Redaktion entschuldigt sich für diesen Fehler. Aus dem originalen Fliesstext geht klar hervor, dass es sich nicht um eine Aktion von Éric Zemmour selbst handelte. (red)