Rechnung der Stadt ZürichBürgerliche wollen Steuersenkung, SP Entlastung für Arme
Die Stadt verzeichnet den neunten positiven Rechnungsabschluss in Folge – mit rund einer halben Milliarde mehr als budgetiert. Jetzt kommen Forderungen aus der Politik.
Krösus Zürich: Erneut konnte der städtische Finanzvorsteher Daniel Leupi am Dienstag ein Spitzenergebnis verkünden. So weist die Erfolgsrechnung der Stadt für das Jahr 2023 einen Ertragsüberschuss von 231 Millionen Franken auf. Budgetiert war noch ein Minus von 216 Millionen Franken.
Zusammen mit den vom Gemeinderat genehmigten Nachtragskrediten und Globalbudget-Ergänzungen fällt das Ergebnis um satte 570 Millionen Franken besser aus als budgetiert, wie Leupi vor den Medien bekannt gab. Der Aufwand betrug 10,631 Milliarden Franken, der Ertrag 10,862 Milliarden Franken. Das zweckfreie Eigenkapital erhöht sich auf 2,350 Milliarden Franken.
Mehr Einnahmen in allen Steuergruppen
Die Nettoinvestitionen in das Verwaltungsvermögen betrugen 1,180 Milliarden Franken. Die langfristigen Schulden stiegen um 643 Millionen Franken und beliefen sich Ende Jahr auf 5,409 Milliarden Franken.
Zu dem gegenüber dem Budget massiv verbesserten Ergebnis trugen verschiedene Faktoren bei, in erster Linie jedoch die kräftig sprudelnden Steuereinnahmen. So konnte die Stadt 2023 in allen Steuergruppen deutlich höhere Steuereinnahmen verbuchen, wie Leupi sagte.
Insgesamt nahm die Stadt 3,748 Milliarden Franken an Steuern ein, 405 Millionen mehr als im Vorjahr und 381 Millionen mehr als budgetiert. Grund dafür seien unerwartet hohe Nachträge aus der Corona-Pandemie, wie es an der Medienorientierung hiess.
460 Millionen Franken Grundstückgewinnsteuern
Die Steuererträge der natürlichen Personen sind mit 2,138 Milliarden Franken um 160 Millionen Franken höher als angenommen. Dies führt das Finanzdepartement vor allem auf höhere Einkommens- und Vermögenssteuern aus den Vorjahren und höhere Erträge bei den Quellensteuern zurück.
Mit 1,148 Milliarden Franken liegt der Ertrag bei den juristischen Personen um 180 Millionen über dem Budget, was wie bei den natürlichen Personen hauptsächlich auf deutlich höhere Erträge aus Vorjahren zurückzuführen sei. Bei den Grundstückgewinnsteuern übertrifft das Rechnungsergebnis von 460 Millionen Franken den budgetierten Wert um 40 Millionen Franken.
Stadt muss mehr in Finanzausgleich zahlen
Doch wieso hat sich die Stadt bei den Prognosen derart verschätzt? Gerade die Steuereinnahmen der Unternehmen liessen sich im Voraus oft nur schwer einschätzen, sagte Leupi. Die Stadt sei zudem nicht die Einzige, die bei den Prognosen falschlag; auch der Kanton habe die Steuereinnahmen deutlich zu tief budgetiert. Kritik an der Fehlprognose nimmt Leupi gelassen. Damit müsse ein Finanzvorsteher nun mal leben.
Eine Folge der hohen Steuereinnahmen: Die relative Steuerkraft der Stadt Zürich steigt deutlich stärker an als im Restkanton. Entsprechend muss sie mehr Geld an den kantonalen Finanzausgleich abliefern, rund 120 Millionen Franken. Zürich werde damit zur Nettozahlerin, wie Leupi sagte. Das zeige, dass die Stadt der «Motor des Metropolitanraums» sei.
Zum besseren Ergebnis beigetragen haben neben den Steuern auch die positive Kursentwicklung der Aktien der Flughafen Zürich AG, tiefere Fallzahlen im Sozialhilfebereich und geringere Kosten beim Personalaufwand sowie im Sach- und übrigen Betriebsaufwand.
Beim Personalaufwand kam Leupi auf den Fachkräftemangel zu sprechen. Derzeit könnten rund 4 Prozent der Stellen in der Stadtverwaltung nicht besetzt werden.
Leupi pocht auf Stabilität
«Der neunte positive Rechnungsabschluss in Folge ist erfreulich», sagte Leupi. Die markant hohen Steuereinnahmen zeigten, dass Zürich prosperiere und als Wohn- und Wirtschaftsstandort sehr attraktiv sei.
Dieses Wachstum sei aber nicht gratis zu haben. Damit der Finanzhaushalt der Stadt stabil bleibe, brauche es eine Balance zwischen steigenden Investitionsausgaben und gesicherten Steuereinnahmen. Einer Steuersenkung steht der Stadtrat weiterhin skeptisch gegenüber. «Das Steuerniveau stimmt so», sagte Leupi. Er plädiere «seit Jahr und Tag» für Stabilität.
Die angespannte wirtschafts- und weltpolitische Lage, die Klimakrise oder auch die steigenden Wohnkosten würden sich auf den Finanzhaushalt auswirken, so Leupi weiter. Dank einer langfristig ausgerichteten Finanzpolitik bleibe die Stadt Zürich auch in wirtschaftlich unsicheren Zeiten handlungsfähig.
Linke klagen über Verdrängung des Mittelstands
Für die SP zeigt das Rechnungsergebnis, dass Zürich «finanziell kerngesund ist», wie sie mitteilt. Die Schattenseite bestehe jedoch aus einer zunehmenden Verdrängung von Armutsbetroffenen und dem Mittelstand aus Zürich.
Deshalb fordert die SP ein rund 200 Millionen Franken starkes Entlastungspaket für die Zürcher Bevölkerung. Umfassen soll es zusätzliche Investitionen in bezahlbaren Wohnraum, ein 365-Franken-Jahresabo für den öffentlichen Verkehr in Zürich, eine städtische Vergünstigung der Krankenkassenprämien, eine Senkung der Kita-Tarife sowie die Rückgängigmachung der Gebührenerhöhungen für Senioren in den Gesundheitszentren.
Die Grünen begrüssen, dass die Stadt hohe Investitionen insbesondere in den Wohnbau getätigt hat, damit in Zürich mehr preisgünstige Wohnungen entstehen. Die drängenden sozialen Fragen würden damit aber nicht gelöst.
Für die Alternative Liste nimmt die Stadtregierung ihre Verantwortung nicht gegenüber allen sozialen Schichten gleichermassen wahr. Ohne kluge politische Interventionen im Wohnmarkt werde Zürich zunehmend zu einer «finanziell reichen, aber sozial kalten» Metropole.
FDP: «Verhöhnung der Steuerzahlenden»
Für die FDP verdeutlicht das Resultat, dass eine Steuersenkung nicht nur möglich, sondern zwingend nötig gewesen wäre. Dass die Rechnung um über 570 Millionen Franken besser als budgetiert abschliesse, komme einer «Verhöhnung nicht nur der Steuerzahlenden, sondern auch der Stimmbevölkerung» gleich.
Jahr für Jahr würden Defizite budgetiert und anschliessend massive Überschüsse abgerechnet. Mit dem defizitären Budget werde argumentiert, dass man keine Steuersenkung in Kauf nehmen könne, während dann mit der positiven Rechnung haushälterische Disziplin vorgegaukelt werde. Die SVP wirft der Stadt Zürich in einer Mitteilung vor, dass sie die Steuerzahler abzocke, und fordert ebenfalls eine Senkung der Steuern.
Genauso wie die GLP. Hätte der Gemeinderat auf das Budget 2023 hin den Steuerfuss von 119 auf 116 Prozent gesenkt, wäre immer noch ein Ertragsüberschuss von 157 Millionen Franken vorhanden, rechnet die Partei in ihrer Mitteilung vor. Nicht der Spielraum zur Steuersenkung fehle, «sondern der Wille».
Eine moderate Steuersenkung hält auch die Mitte/EVP für realistisch. Für sie ist auffallend, dass die Steuerkraft in Zürich weit mehr zugenommen habe als im restlichen Kanton. Personen und Familien mit bescheidenem Einkommen falle es offenbar schwer, in der Stadt wohnhaft zu bleiben.
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