Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Reaktion auf Missbrauchsfälle
Jetzt droht ein ganzer Kanton mit gesperrten Kirchensteuern

Die katholische Pfarrkirche St. Martin in der Gemeinde Adligenswil im Kanton Luzern am Dienstag, 10. Oktober 2023. Die Kirchgemeinde Adligenswil protestiert gegen den Umgang des Bistums Basel mit dem Umgang der Missbrauchsfaelle in der katholischen Kirche mit einer Sperrung der Kirchensteuergelder ans Bistum Basel. Die Gelder sollen von der Gemeinde zunaechst auf ein Sperrkonto einbezahlt werden. (KEYSTONE/Urs Flueeler)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Adligenswil hat als erste Gemeinde aufbegehrt. Von ihr ausgehend traten im September mehrere Luzerner Kirchenverantwortliche eine kleine Rebellion los. Wegen der publik gewordenen Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche entschieden sich mehrere Kirchenräte, jenen Anteil der Kirchensteuer, der normalerweise direkt den Kirchenoberen zukommt, auf ein gesperrtes Konto zu überweisen. 

Zu Recht? Heute Mittwoch hat die Synode, das kirchliche Parlament des Kantons, darüber entschieden. Sie ist es, die entscheidet, wie viel Geld via Landeskirche ans Bistum fliesst. Die Synode diskutierte an ihrer Herbstsession über zwei dringliche Motionen, die das Bistum Basel auffordern, zu handeln.

Die eine – sie wurde von sechs der sieben Fraktionspräsidien unterzeichnet – fordert unter anderem, dass ein Teil der Bistumsgelder blockiert wird. Und zwar dann, wenn das Bistum nicht auf konkrete Forderungen eingeht: unabhängige Untersuchungen, eine unabhängige Meldestelle, keine Aktenvernichtung mehr und eine «Sonderkommission», an die das Bistum regelmässig Bericht erstatten müsse.

«Wir distanzieren uns von den Drohungen»

Die andere Motion kam aus der Fraktion Entlebuch. Diese will keine Gelder zurückhalten, unterstützt dafür die Massnahmen der römisch-katholischen Zentralkonferenz der Schweiz. Jene Massnahmen sollen auch gemäss der ersten Motion umgesetzt werden – nur eben nicht nur diese.

«Wir distanzieren uns von den Drohungen, dem Bischof die finanziellen Mittel zu entziehen», sagte Fraktionssprecher Peter Unternährer. Der Geldentzug widerspreche einer synodalen Kirche. «Die Bistumsleitung muss finanziell gesichert sein, damit sie ihre Verantwortung wahrnehmen kann.» Man vertraue dem Bischof, dass er «weitere hilfreiche Massnahmen» umsetzen werde, und unterstütze ihn dabei.

«Sonst verlieren wir die Glaubwürdigkeit»

Dem hielten die Befürworter des Geldstopps entgegen. Auch sie wollen ein einheitliches Vorgehen – nur eben brauche es einen Strukturwandel. «Wir haben als gewähltes Parlament die Aufgabe, den Prozess zu begleiten und hinzuschauen», sagte Thomas Arnet von der Surseer Fraktion. Mit der geforderten «Sonderkommission» werde man dem gerecht. Eine Befürworterin appellierte: «Sonst verlieren wir die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen unserer Basis.»

Sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche, unbekannter Ort, Kirche, Themenbilder mit katholischem Pfarrer, Weihrauch, 7.7.23, Foto: Manuela Matt

Der Synodalrat, die Exekutive der römisch-katholischen Landeskirche Luzern, stellte sich hinter die Motion der Aufständischen. Auch wenn Präsidentin Annegret Bienz-Geissler konstatierte: «Das Zurückhalten von Geldern hält der Synodalrat zum jetzigen Zeitpunkt nicht für zielführend.»

In der Abstimmung nahmen 76 Kirchenparlamentarier die Motion samt Geldstopp an, 12 stimmten dagegen (und 3 enthielten sich ihrer Stimme). Die Entlebucher Motion wurde knapp abgelehnt.

Damit wird der Synodalrat beauftragt, die beschlossenen Forderungen an Bischof Felix Gmür zu übermitteln. Und das will er «unverzüglich» tun.

Über 400'000 Franken werden vorerst sistiert

«Ich habe eine grosse Anspannung wahrgenommen», sagt Synodalratspräsidentin Bienz-Geisseler nach der Abstimmung. Einerseits habe man den öffentlichen Druck gespürt – schliesslich sorgte der Luzerner Aufstand national für Schlagzeilen. Aber auch eine von der Stadtkirche organisierte Kundgebung am Morgen habe Druck erzeugt. «Ich finde, wir haben trotzdem einen kühlen Kopf bewahrt und sachlich diskutiert.»

Bezüglich dem finanziellen Druck, den die Synode Luzern nun ausübt, sagt Bienz-Geisseler: «Wir sprechen nicht von Drohungen, das sind mögliche Sanktionen, wenn die Massnahmen innerhalb einer gewissen Frist nicht umgesetzt werden.»

Spürte schon vor Beginn der Synode einen gewissen Druck: Synodalratspräsidentin Annegreth Bienz-Geisseler (vorne mit pinkem Schal).

Am Nachmittag stimmte die Synode sogleich über konkrete Zahlungsstopps im Budget fürs nächste Jahr ab. Sie entschied, die Hälfte der jährlichen 885'000 Franken an die Landeskirche zu sistieren – voererst. Im Herbst wird beurteilt, ob das Bistum erste Massnahmen umgesetzt hat. Nur dann würde die zweite Hälfte fliessen.

Die Synodalratspräsidentin glaubt, dass Luzern mit den heute gestellten Forderungen eine Vorreiterrolle einnehmen kann. «Ich erhoffe mir eine Signalwirkung auf andere Kantone.»

«Manifest von Luzern» für Felix Gmür

Bereits am frühen Morgen versammelten sich gegen 300 aufständische Kirchenvertreterinnen und -vertreter an einer Kundgebung. Organisiert vom Kirchenrat der Katholischen Kirche Stadt Luzern. Sie solidarisierten sie sich mit den Missbrauchsopfern und setzten im «Manifest von Luzern» ein Zeichen nach oben. An die Schweizer Bischofskonferenz, an deren Präsidenten Felix Gmür.

Gegen 300 Kirchenleute kamen am Mittwochmorgen auf dem Franziskanerplatz für eine Kundgebung zusammen.

Im Manifest wird er aufgefordert, «jetzt die dringend nötigen Kirchenreformen einzuleiten». Die Betroffenen der Missbräuchsfälle sollen «endlich Gerechtigkeit erfahren». Die Botschaft wurde in Postkartenformat an alle Teilnehmenden verteilt – samt vorgedrucktem Adressat Felix Gmür. Und Platz für eine persönliche Notiz.