Reaktionen auf Kunsthaus-Debatte Linke Parteien sind für Schenkung der Bührle-Sammlung an Kunsthaus
SP, AL und Grüne unterstützen die Forderung der beiden Historiker Jakob Tanner und Jacques Picard, dass die Bilder aus der Sammlung des Waffenherstellers Emil G. Bührle dem Kunsthaus, der Stadt oder dem Bund geschenkt werden.
Es kommt wieder Bewegung in die Debatte um die Kunstsammlung von Emil G. Bührle, die seit Oktober 2021 im neuen Kunsthaus-Erweiterungsbau hängt: In dieser Woche kündigte der Bundesrat die Schaffung einer unabhängigen Kommission für belastetes Kulturerbe an. Angeregt wurde die Kommission auf dem ersten Höhepunkt der Bührle-Debatte von SP-Nationalrat Jon Pult.
Nach dem Vorbild der deutschen Limbach-Kommission wird das neue Schweizer Gremium in strittigen Fällen Empfehlungen abgeben, wie mit historisch belasteten Werken umgegangen werden soll.
Reichtum dank tatkräftiger Unterstützung der offiziellen Schweiz
Vor kurzem veröffentlichte der «Tages-Anzeiger» einen Gastbeitrag der Historiker Jakob Tanner und Jacques Picard, in dem die früheren Mitglieder der Bergier-Kommission die Schenkung der Bührle-Bilder an das Zürcher Kunsthaus fordern. Ihren Vorstoss begründen Tanner und Picard damit, dass der Waffenhersteller Emil G. Bührle nur dank der Unterstützung der offiziellen Schweiz zu seinem enormen Reichtum gelangt war.
Waffen aus Bührles Fabriken hätten dazu beigetragen, dass Hitler seinen Vernichtungsfeldzug führen konnte. Nicht wenige Juden hätten sich gezwungen gesehen, auf der Flucht ihre Kunstwerke zu veräussern – unter anderem an Bührle, der sie preisgünstig erwerben konnte. Mit einer Schenkung könnten die Bührle-Erben den Diskussionen über die Legitimität der Sammlung ein Ende bereiten, schreiben Tanner und Picard.
Kosten beim Staat, Entscheidungskompetenzen bei der Stiftung
Wir haben die Zürcher Parteien, Stadtpräsidentin Corine Mauch und die Bührle-Stiftung gefragt, wie sie derzeit zu einer Schenkung stehen.
Die Debatte ist nicht neu: Bereits im März 2022 hat die AL-Fraktion im Zürcher Gemeinderat die Schenkung der Kunstsammlung an die Stadt gefordert. Damals enthielten sich – mit einer Ausnahme – die SP-Mitglieder und die Grünen der Stimme. Das Postulat wurde mit 9 gegen 52 Stimmen (bei 53 Enthaltungen) abgelehnt.
Die AL-Fraktion ist immer noch für eine Schenkung. Mit diesem «Neuanfang» könnte das staatlich subventionierte Kunsthaus, das zurzeit die Kosten für Kuratierung, Ausstellung, Verwaltung, Versicherung und sogar die Restauration der Werke aus der Bührle-Sammlung übernimmt, in Restitutionsfragen auch Entscheidungen treffen, sagt AL-Gemeinderat David Garcia Nuñez. Zurzeit liegt die Entscheidungskompetenz bei der Bührle-Stiftung als Besitzerin.
«Nicht mehr nachvollziehbar»: Grüne sind neuerdings für Schenkung
«Nachvollziehbar» ist die Forderung einer Schenkung ans Kunsthaus auch für die Grünen. Sinnvoller wäre aber, sagt der grüne Gemeinderat Markus Knauss, die Überführung der Bührle-Bilder in eine neu zu gründende unabhängige eidgenössische Stiftung. Dies, weil die Schweiz den «unermesslichen Reichtum von Bührle möglich gemacht hat». Warum die Grünen sich im März 2022 der Stimme enthielten, als es im Gemeinderat um die Schenkung der Bührle-Sammlung ging, ist für Knauss heute «nicht mehr nachvollziehbar».
Auch die SP hat «grosse Sympathien» für die Forderung von Tanner und Picard. «Es wäre richtig, die Bilder der Sammlung Bührle dem Kunsthaus zu übertragen», sagt Oliver Heimgartner, Co-Präsident der städtischen SP. Im Gemeinderat habe sich die Fraktion «aus formalen Gründen» enthalten. Der Gemeinderat habe gegenüber der Stiftung Bührle «keine Weisungsbefugnis», erklärt Heimgartner.
«Haltlos», «deplatziert» – Unverständnis bei FDP und SVP
Die Mitte sieht die Verantwortung bei der Bührle-Stiftung: Sie muss prüfen, «ob die Idee der beiden Historiker der richtige Weg ist», wie Wolfgang Kweitel von der Mitte auf Anfrage schreibt. Die GLP will den Bericht des Historikers Raphael Gross abwarten, der derzeit die Provenienzforschung der Bührle-Stiftung prüft.
Weiterhin entschieden gegen eine Schenkung sind die bürgerlichen Parteien. Die Forderung sei «haltlos», und zwar «in rechtlicher und moralischer Hinsicht», schreibt FDP-Gemeinderat Michael Schmid. «Unser Eindruck ist, dass das politische Establishment vor allem an einer Verunglimpfung der Herkunft der Bilder interessiert ist», sagt SVP-Gemeinderat Stefan Urech.
Corine Mauch spielt den Ball ans Kunsthaus und die Bührle-Stiftung
Stadtpräsidentin Corine Mauch schätzt den Artikel von Tanner und Picard «als wertvollen Beitrag zur Debatte rund um die Sammlung Bührle», wie ihr Sprecher auf Anfrage schreibt. Zur konkreten Forderung einer Schenkung will sie sich «aktuell» nicht äussern. Es sei jetzt vor allem Sache der Zürcher Kunstgesellschaft und der Bührle-Stiftung, «sich zu dieser Frage zu positionieren».
Auch die Kunsthaus-Direktion begrüsst den Artikel von Picard und Tanner als Diskussionsbeitrag. Das Museum sei offen für alle Gespräche über die Zukunft der Sammlung, sagt Ann Demeester. Ein Angebot seitens der Bührle-Stiftung liege zurzeit nicht vor. Sollte ein solches eintreffen, werde das Kunsthaus dieses «mit Interesse prüfen».
Und was sagen die Verantwortlichen der Bührle-Stiftung? Sie betonen den «statutarischen Zweck» ihrer Stiftung, der «die Erhaltung und öffentliche Zugänglichmachung» der Bührle-Sammlung sei. Zur Forderung der beiden Historiker, die Sammlung des Waffenherstellers der öffentlichen Hand zu übergeben, will die Bührle-Stiftung offensichtlich nicht direkt Stellung nehmen.
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