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Muslimische Feiertage in der Schweiz
Coop verkauft erstmals gezielt Produkte für den Ramadan – und ist damit nicht allein

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Das Gestell mit den goldenen Bechern und orientalisch bedruckten Servietten wirkt unscheinbar neben den vielen Schokoladenosterhasen. Und doch dürften es manche Coop-Kunden in den letzten Tagen bemerkt haben: Erstmals verkauft der Schweizer Grossverteiler Artikel zum muslimischen Fastenmonat Ramadan. Das Sortiment umfasst unter anderem auch Tischläufer, Pappteller und goldene Deko-Monde zum Aufhängen. Der Online-Händler Galaxus bestätigt auf Anfrage ebenfalls, dieses Jahr zum ersten Mal ein Ramadan-Sortiment zu vertreiben. Der beliebteste Artikel bei Galaxus ist bisher ein Set aus bunten Kartonhäusern – diese können wie ein Adventskalender mit kleinen Geschenken befüllt werden.

Die potenzielle Kundschaft für solche Waren wächst jedes Jahr um ein paar Tausend Personen. Aktuell leben in der Schweiz gemäss offiziellen Zahlen rund 430’000 Musliminnen und Muslime ab 15 Jahren. Für Detailhandelsexperte Nordal Cavadini von Alix Partners ist die Ergänzung des Sortiments um die Ramadan-Artikel deshalb ein nachvollziehbarer unternehmerischer Schritt. «Die Nachfrage für Ramadan-Artikel ist offensichtlich vorhanden», sagt er.

Ramadan Pappgerschirr im Coop am Stauffacher.
18.03.2024
(URS JAUDAS/TAGES-ANZEIGER)

Sogenannte ethnische Sortimente lägen allgemein im Trend: «etwa türkisch, balkanisch, indisch oder eben muslimisch». Tatsächlich gibt es beispielsweise bei Aldi Schweiz Halal-Hackfleisch, das nach islamischen Regeln hergestellt wurde. Cavadini erinnert auch an den rasanten popkulturellen Aufstieg von speziellen Verkaufstagen wie Halloween oder Black Friday, welche die Schweiz von den USA übernommen hat: «Vor fünfzehn Jahren waren diese Tage bei uns noch weitgehend unbekannt oder unbedeutend. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.»

Fasten als gesellschaftlicher Trend

Muris Begovic hat ein feines Gespür für Verschiebungen in der schweizerischen Gesellschaft. Der gebürtige Bosnier ist der erste muslimische Armee-Seelsorger der Schweiz und Geschäftsleiter der Vereinigungen der Islamischen Organisationen in Zürich. Er sagt: «Die Wahrnehmung des Ramadans hat sich stark verändert in der Schweiz.» Beispielsweise berücksichtigten viele Firmen den Ramadan in ihrer Jahresplanung. Er erhalte mittlerweile auch viele Nachrichten von Nichtmuslimen, die ihm einen schönen Ramadan wünschten - und zwar nicht auf Deutsch, sondern auf Arabisch: «Ramadan Mubarak» oder «Ramadan Kareem». 

Begovic erklärt sich den Wandel einerseits mit der erfolgreichen Integration vieler Musliminnen und Muslime. «Ich sehe das auch als Dankeschön für unser Engagement in der Gesellschaft, beispielsweise als Steuerzahler, als Militärdienstleister oder in der Freiwilligenarbeit.» Andererseits sieht er einen Zusammenhang mit dem Zeitgeist: «Gesunde Ernährung, Diäten, nachhaltiges Essen, Spiritualität: All das liegt im Trend und kommt im Fasten zusammen», sagt er. Die Menschen hätten heute viel mehr Verständnis für das muslimische Fasten. «Früher nahm man den Ramadan nur als Hungern wahr. Heute ist das anders.»

Tatsächlich birgt der Ramadan als Konsumerlebnis für die Schweizer Grossverteiler auch Risiken. Solches Engagement wird von einem Teil der Bevölkerung politisch verstanden und entsprechend kritisiert. Das hat die Migros vergangenes Jahr erfahren, als sie in den sozialen Medien «allen Fastenden und ihren Familien einen schönen Ramadan» wünschte. Der Schriftzug prangte über einem Bild mit einer Schale frischer Datteln. Das nett gemeinte Posting rief SVP-Nationalrat Andreas Glarner auf den Plan. Er reagierte auf Twitter mit dem Satz «Es ist Zeit, woanders einzukaufen». 

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Auf seine damalige Reaktion angesprochen, sagt Glarner, er habe nichts dagegen, wenn Muslime ihr Fastenbrechen feierten. «Doch wir nehmen eindeutig zu viel Rücksicht auf den Ramadan in der Schweiz.» Glarner verweist zur Illustration seiner Aussagen auf Gespräche mit einer Schulleiterin, die ihm erzählt habe, während des Ramadans seien kaum Prüfungen oder Schulreisen möglich. So was rege viele Leute auf. Er wisse, dass die Migros von negativen Reaktionen überschwemmt worden sei. Die Migros selber gibt dazu keinen Kommentar ab. Dass sie dieses Jahr auf Ramadan-Wünsche verzichtet, habe damit aber nichts zu tun. Die Migros führt im Gegensatz zu Coop auch keine besonderen Ramadan-Artikel im Sortiment.

Ramadan-Beleuchtung in London

In Frankreich oder England werden seit Jahren Ramadan-Artikel verkauft. Und in Städten wie Köln, Frankfurt oder London hängen während des ganzen Fastenmonats Strassenbeleuchtungen mit islamischen Mustern. Im Vergleich dazu ist die Entwicklung in der Schweiz langsam. «Die Nachfrage nach entsprechenden Produkten ist aktuell überschaubar», heisst es auch bei Coop. Bei Galaxus sind aufgrund des geringen Zeitraumes noch keine Aussagen zum Umsatz möglich. Bei Aldi Schweiz verzichtet man auf ein Ramadan-Sortiment, man habe aber das Dattel-Angebot ausgebaut und spüre dort eine erhöhte Nachfrage. Experte Nordal Cavadini wertet die Aktivitäten der Schweizer Grossverteiler als «eine Art Testphase».

epa10539363 Lights celebrating the Muslim festival of ramadan are displayed in the West End of London, Britain 23 March 2023. London's first ever celebratory Ramadan lights have been installed in Piccadilly Circus featuring 30,000 sustainable lights. The initiative was led by non-profit organisation Ramadan Lights UK. The West End area will be lit up for the month of Ramadan. Muslims around the world celebrate the holy month of Ramadan by praying during the night time and abstaining from eating, drinking, and sexual acts during the period between sunrise and sunset. Ramadan is the ninth month in the Islamic calendar and it is believed that the revelation of the first verse in the Koran was during its last 10 nights.  EPA/NEIL HALL

In Deutschland gehören Ramadan-Wünsche längst zum guten Ton. Grossverteiler wie Rewe oder Marktkauf veröffentlichen diese auf ihren Social-Media-Seiten. In den deutschen Medien finden sich «Fasten-Knigge» («So helft ihr euren Freunden im Ramadan»), und der öffentlich-rechtliche Rundfunk- und Fernsehsender WDR schrieb: «Es ist Zeit für einen deutschen Ramadan.»

Aus Sicht des marokkanisch-schweizerischen Autors Kacem El Ghazzali kommen die aktuellen Ramadan-Glückwünsche in den westlichen Ländern eher naiv daher. «Es ist falsch, den Ramadan zu romantisieren», schrieb er kürzlich in der «SonntagsZeitung». Am Telefon erzählt El Ghazzali, der sich als Atheisten bezeichnet, von seinen Erinnerungen an den Ramadan in Marokko. Fasten sei streng und mühsam, es mache für Nichtmuslime keinen Spass.

11.03.2024, Nordrhein-Westfalen, Köln: Festliche Beleuchtung zum Ramadan hängt über der Venloer Straße in Köln Ehrenfeld. Foto: Henning Kaiser/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Henning Kaiser)

Schön hingegen sei das Fest am Ende des Fastenmonats, das sogenannte Zuckerfest. Das sei ein festliches Ereignis für alle: Muslime seien froh, dass sie den Ramadan zu Ende gebracht hätten, und Nichtmuslime könnten wieder frei in der Öffentlichkeit essen und trinken, ohne Repressalien zu befürchten. An diesem Tag verschicke selbst er Glückwünsche, sagt El Ghazzali – genau wie auch zu Weihnachten.