Austritt aus Bankiervereinigung So kam es zum Bruch zwischen Raiffeisen und den Grossbanken
Die Gross- und Privatbanken überstimmen im Bankenverband regelmässig die Inlandsbanken, kritisiert Raiffeisen-Präsident Guy Lachappelle. Nun zieht er die Konsequenzen und tritt aus.
Es ist wie einer Ehe, die nicht mehr funktioniert: Das Ende kündigt sich meist Jahre vorher an. So hat auch der Austritt von Raiffeisen aus der Schweizerischen Bankiervereinigung eine Vorgeschichte. Das sagt Guy Lachappelle, Verwaltungsratspräsident von Raiffeisen, im Gespräch mit dieser Zeitung: «Wir haben seit Jahren im Verband bei mehreren Themen Diskussionen, bei denen unser Standpunkt nicht mehr zum Ausdruck kommt.»
Die Liste der Differenzen ist lang: Sie fängt an bei Regulierungsfragen wie bei der Anlegerschutz-Regulierung Fidleg. Sie nötigt den Inlandsbanken teure Vorschriften auf, die letztlich dem Zweck dienen, dass die Schweiz ein vergleichbares Regulierungsniveau wie die EU hat. Das Ziel: Dass die Schweiz doch noch eines Tages ein Marktzugangsabkommen für Finanzdienstleister mit der EU bekommt. Dazu Lachappelle: «Den Inlandsbanken bringt das wenig, kostet aber viel. Dem Thema Marktzugang wird viel untergeordnet.»
Der Kampf der grossen Egos
Was Raiffeisen stinkt: «Die Gross- und Privatbanken haben in der Bankiervereinigung eine Mehrheit und können die Inlandsbanken überstimmen», kritisiert Lachappelle und greift damit die beiden Schweizer Platzhirsche frontal an.
Bevor Raiffeisen die Reissleine zieht und den Verband verlässt, hat die drittgrösste Bankengruppe gemeinsam mit anderen Inlandsbanken noch versucht, interne Reformen anzustossen, damit sich die Inlandsbanken besser aufgehoben fühlen. So gab es den Plan, ein so genanntes «Dissenz-Management» aufzuziehen.
«Die Inlandbanken hätten eigene Stellungnahmen abgeben können, wenn sie bei wichtigen Themen unterliegen», beschreibt Lachappelle den Plan. Doch das Vorhaben scheiterte. Das liegt nicht zuletzt an den beteiligten Egos. So hatten die Grossbanken im inneren Zirkel der Bankiervereinigung oft im wörtlichen Sinn das Sagen. Namentlich UBS-Präsident Axel Weber dominiert die Vorstandssitzungen verbal. Er wird häufig als professoral-belehrend wahrgenommen. Lachappelle habe sich jeweils kaum mehr geäussert.
Streit ums Geld
Weiterer Knackpunkt: Die Kosten für das Swiss Finance Institute, der Forschungs- und Weiterbildungseinrichtung der Branche. «Das Swiss Finance Institute wird anteilig von allen Mitgliedsbanken finanziell getragen», erklärt Lachappelle. «Letztlich sind aber nur 2 Prozent der Absolventen von Raiffeisen.»
Jährlich wechseln 4 bis 5 Doktorandinnen und Doktoranden vom SFI in die Privatwirtschaft. Die meisten gehen zu den grossen Häusern.
Daher hatte Raiffeisen eine Reform der Finanzierung vorgeschlagen: Je mehr Mitarbeiter einer Bank vom SFI profitieren, desto mehr sollte die betroffene Bank zahlen. «Das wurde ebenfalls abgelehnt», sagt Lachappelle. Laut Bankenkreisen haben immerhin die Grossbanken eingewilligt, etwas mehr für das SFI zu zahlen. Doch das Entgegenkommen reicht aus Sicht von Raiffeisen nicht aus.
Zank um Postfinance
Einen Dissens gab es auch in der Frage der Postfinance. Der Bund plant, dass die Postfinance auch Hypotheken vergeben können soll, um der Post-Tochter neue Einnahme-Möglichkeiten zu verschaffen. Denn aufgrund der Negativ-Zinsen verdient die Postfinance mit den Kundeneinlagen immer weniger.
Die Inlandsbanken wie Raiffeisen und die Kantonalbanken laufen Sturm gegen das Vorhaben. Raiffeisen ist die Nummer eins im Schweizer Hypothekenmarkt, neue staatliche Konkurrenz kann die Bankengruppe nicht brauchen. Laut Lachappelle war diese harte Haltung in der Bankiervereinigung offenbar nicht Konsens.
«Die Inlandbanken haben sich unmissverständlich und uneingeschränkt für ein Ablehnung der Postgesetzvorlage ausgesprochen und sich klar gegen Lösungsansätze ausserhalb einer Vollprivatisierung von Postfinance gestellt», erklärt er.
Das heisst im Umkehrschluss: Es gibt innerhalb des Bankenverbandes Gedankenspiele, wie die Postfinance auch ins Kreditgeschäft einsteigen könnte, ohne, dass die Posttochter komplett privatisiert wird.
Kleinere Banken verbünden sich
Raiffeisen ist nicht die einzige Bank, die mit der Arbeit der Bankiervereinigung unzufrieden ist. 2018 haben sich bereits die Regionalbanken wie Valiant oder die Clientis-Banken in einem eigenen Verband zusammengeschlossen, um ihren Interessen mehr Sichtbarkeit zu verleihen.
Und schon im Jahr 2012 haben sich die Inlandbanken auf Initiative von Raiffeisen zur Koordination Inlandbanken (KIB) zusammengefunden. Die KIB umfasst die Raiffeisen-Schweiz-Genossenschaft, den Schweizerischen Verband der Kantonalbanken (VSKB), die Zürcher Kantonalbank, die Migros-Bank, die RBA-Holding (Regionalbanken) und die Acrevis-Gruppe. Die KIB diente aber primär der internen Koordination der Bankiervereinigung. Lachappelle hat nach eigenen Angaben nicht vor, aus der KIB nun einen Gegenverband aufzubauen.
Auch wenn aus Reihen der Kantonalbanken hin und wieder Murren über die Arbeit der Bankiervereinigung zu hören ist, so bleiben sie dem Dachverband doch weiter treu. Und die grösste Kantonalbank, die Zürcher Kantonalbank (ZKB), outet sich auf Anfrage regelrecht als Fan der Bankiervereinigung: «Sie ist ein wichtiger Akteur, der die Interessen eines starken Finanzplatzes vertritt», heisst es von der ZKB.
Mit ihrem Auslandsgeschäft in Österreich und dem eigenen Investmentbanking und ihrer riesigen Bilanzsumme ähnelt die ZKB allerdings mehr UBS und CS als einer Bank der Raiffeisen-Gruppe.
Verband kontert Kritik
Und was sagt die verlassene Braut? Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) «bedauert» den Austritt von Raiffeisen. Der Bankenverband werde «sich weiterhin für das Gesamtinteresse des Bankenplatzes engagieren», heisst es etwas trotzig.
Den Vorwurf, nur Politik für die Grossen zu machen, will der Verband nicht auf sich sitzen lassen: «Die Finanzmarktregulierung ist heute sehr stark international geprägt. Internationale Standards haben auch Auswirkungen auf die nationale Regulierung. Alle Banken sind von internationalen Regulierungstrends betroffen», heisst es.
Durch den Austritt von Raiffeisen klafft nun ein Loch in der Verbandskasse. Wie die gefüllt werden soll, ist nach Angaben des Verbandes noch unklar. Einen Stellenabbau soll es aber deswegen nicht geben.
Fehler gefunden?Jetzt melden.