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Raiffeisen hat noch ein Millionenrisiko in der Bilanz

Die Ära Vincenz lastet immer noch auf der Raiffeisengruppe: Filiale in Zürich-Oerlikon. Foto: Fabienne Andreoli
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Die Raiffeisen-Gruppe ist nach Kräften bemüht, die Affäre um ihren ehemaligen Chef Pierin Vincenz hinter sich zu lassen. Verwaltungsrat und Geschäftsleitung wurden ausgetauscht, von Vincenz gekaufte Beteiligungen wie die Privatbank Notenstein wurden verkauft. Aus Sicht von Heinz Huber, Chef von Raiffeisen Schweiz, ist das Jahresergebnis von 835 Millionen Franken (plus 54 Prozent) der Beweis, dass die Bankengruppe das Kundenvertrauen zurückgewinnen konnte.

Doch die Ära Vincenz wird die drittgrösste Bankengruppe noch eine Weile beschäftigen. Und das könnte noch teuer werden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Vincenz und andere wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung. In diesem Kontext hat Raiffeisen selbst noch einen zivilen Rechtsstreit offen.

Dabei geht es um die Schaffung der Investnet Holding AG. In zwei Schritten beteiligte sich Raiffeisen an der Gesellschaft, die sich an vielversprechenden mittelständischen Firmen (KMU) beteiligen sollte. Die Verträge sehen vor, dass in diesem Sommer die Minderheitsaktionäre der Investnet ihre Anteile Raiffeisen andienen können.

Raiffeisen fühlt sich getäuscht

Neben den Investnet-Gründern Peter Wüst und Andreas Etter zählt auch Pierin Vincenz zu den Minderheitsaktionären mit Verkaufsoption. Vincenz hatte sich nach seinem Abschied von der Raiffeisen-Spitze 2015 ganz offiziell an der Investnet beteiligt. Wie viel die Anteile der Minderheitseigner wert sein können, ist unklar. Die «Handelszeitung» schätzte den Streitwert einmal auf 150 Millionen Franken.

Raiffeisen ficht die Verträge an und fühlt sich getäuscht, da Vincenz verheimlicht habe, dass er beim Einstieg von Raiffeisen bei Investnet im Jahr 2012 bereits zu den Anteilseignern gezählt habe. Der später geschlossene Aktionärsbindungsvertrag sei daher nichtig, die Verkaufsoptionen aller Minderheitsaktionäre hinfällig. Dagegen betont ein Sprecher der Investoren Wüst und Etter, diese hätten sich «jederzeit rechtlich korrekt verhalten».

Wer am Ende Recht bekommt und ob Raiffeisen doch zahlen muss, hängt vom Ausgang des Strafprozesses ab. Huber sagt dazu: «Wir haben 2018 entsprechende Rückstellungen für die rechtliche Auseinandersetzung im Kontext Investnet gemacht. Diese erachten wir als ausreichend.» 2018 hatte Raiffeisen 25 Millionen Franken für den Streit in der Bilanz zurückgestellt.

Neuer Schwung für das Anlagegeschäft

Auch die Investnet-Beteiligung verfolgte schon ein Ziel: die drittgrösste Bankengruppe weniger abhängig vom Zinsergebnis zu machen. Das ist bis heute nicht gelungen. 74 Prozent der Einnahmen von Raiffeisen stammen aus dem Zinsgeschäft, vor allem aus der Hypothekenvergabe. Nur dank geringerer Abschreibungen auf Kreditverluste und sinkender Zinskosten legte das Zinsergebnis im vergangenen Jahr leicht zu.

Um die Zinsabhängigkeit zu lockern, berät Raiffeisen eine neue Geschäftsstrategie: Die Bank will mehr Produkte verkaufen und so die Provisionseinnahmen erhöhen, etwa durch den Verkauf von Versicherungen. Beim Thema «Wohnen» will Raiffeisen nicht nur den Kauf finanzieren, sondern auch dabei helfen, die passende Immobilie zu finden und diese abzusichern. Im Sommer können Raiffeisen-Kunden zudem die automatisierte Vermögensverwaltung nutzen, die Vontobel programmiert hat. So soll das Anlagegeschäft neuen Schwung bekommen.

Banken sollen ihre Prozesse standardisieren

Die Frage ist nun: Wie stark kann Raiffeisen damit den Anteil der Zinserträge an den Gesamteinnahmen von derzeit 74 Prozent drücken? Huber will sich auf kein Ziel festlegen. «Wie der neue Ertragsmix am Ende aussehen wird, dazu ist es zu früh, Angaben zu machen», sagt er im Gespräch.

Immerhin: Dank eines Kostensenkungsprogramms bei Raiffeisen Schweiz von 100 Millionen Franken sank das Verhältnis von Kosten zu Einnahmen um 3,6 Punkte auf 61,3 Prozent. Nun sollen die Raiffeisen-Banken selbst schlanker werden. Ein Jobabbauprogramm soll es aber nicht geben.

Huber will die Prozesse der Banken, wie zum Beispiel den Kreditvergabeprozess, gruppenweit standardisieren und digitalisieren. «Ich halte es für möglich, das Verhältnis von Kosten zu Einnahmen unter die Schwelle von 60 Prozent zu drücken», sagt Huber. Bleibt zu hoffen, dass die Kosten aus dem Investnet-Streit diese Rechnung nicht durcheinanderwirbeln.