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Fall Vincenz/Raiffeisen
Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht

Prozess gegen Pierin Vincenz, Beat Stocker und weitere Angeklagte.
Die Hauptangeklagten sind der ehemalige Raiffaisen-Chef Pierin Vincenz und der Gschaeftsmann Beat Stocker. Fuenf weitere Personen stehen wegen Beihilfe vor Gericht. Der Prozess findet im Volkshaus statt.
Volkshaus statt.
Pierin Vincenz verlaesst mit seinem Anwalt Lorenz Erni das Gericht ueber Mittag.
28.01.2022
(Tages-Anzeiger/Urs Jaudas)
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Eigentlich war er der grosse Sieger. Zumindest glaubten das alle. Denn als das Obergericht das Urteil des Bezirksgerichts im Fall Pierin Vincenz/Raiffeisen kassierte, bezogen sich die Richter, neben der fehlenden Übersetzung der Anklage auf Französisch, auf das Plädoyer von Fatih Aslantas, den Rechtsanwalt des Nebenangeklagten Peter Wüst.

Der einzige Schönheitsfehler an der Geschichte: Aslantas hat nie verlangt, dass das Urteil kassiert wird. Dies vor allem darum, weil sein Klient gestorben ist und «weil das Obergericht hätte festhalten müssen, dass die Einstellung des Verfahrens gegen meinen verstorbenen Klienten rechtskräftig geworden ist und dass die Vermögenswerte definitiv freizugeben sind». Dies umso mehr, weil «die Einstellung nämlich niemand angefochten hat», wie er sagt. Darum hat Aslantas jetzt eine Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht, wie er gegenüber der SonntagsZeitung bestätigt.

Fatih Aslantas

Neben Aslantas hat auch die Staatsanwaltschaft eine Beschwerde gegen das Verdikt der Oberrichter angekündigt. Dies allerdings aus anderen Gründen: Das Obergericht begründete die Rückweisung des Urteils damit, dass das rechtliche Gehör schwerwiegend verletzt worden sei. Einerseits durch «die Ausführlichkeit der Anklageschrift» und andrerseits in Bezug auf einen Nebenbeschuldigten zusätzlich mangels Übersetzung der gesamten Anklage auf Französisch, wie die Staatsanwaltschaft schreibt.

Sie teilt diese Auffassung des Obergerichts aus folgenden Gründen nicht: «Was die angebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs durch eine zu ausführliche Anklageschrift betrifft, konnte sich die Öffentlichkeit an der Hauptverhandlung vor der Vorinstanz davon überzeugen, dass die Anklagevorwürfe von allen Parteien verstanden und gezielt hinterfragt wurden.» Entsprechend habe denn auch keine Partei ihren Rückweisungsantrag an das Obergericht mit der Ausführlichkeit der Anklage begründet.

Sodann sei der Übersetzungsanspruch des französischsprachigen Beschuldigten nicht verletzt worden, was auch die Vorinstanz nach eingehender Prüfung bestätigt hätte.

Der französischsprachige Beschuldigte, Stéphane Barbier-Mueller, der durchaus Deutsch spricht, bestätigte denn auch an der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Zürich, die Anklageschrift vom 26. Oktober 2020 erhalten, verstanden und mit seiner Verteidigung besprochen zu haben. Hinzu kommt, dass das Bundesgericht bereits zweimal Beschwerden von Barbier-Mueller wegen der angeblich fehlenden Übersetzung abgelehnt hat.

Klage wegen Investnet umstritten

In der Sache war die Klage gegen Peter Wüst, Co-Gründer von Investnet, einer der umstrittensten Teile im Raiffeisen-Prozess. Raiffeisen kaufte Investnet vor über zehn Jahren zu 60 Prozent und zahlte dafür Peter Wüst und Andreas Etter je 20 Millionen Franken. Anschliessend überwies das Duo Vincenz’ Berater Beat Stocker 5,8 Millionen Franken. Dazu gab es einen Treuhandvertrag, auf den Wüst Vincenz, der damals noch CEO bei Raiffeisen war, ausdrücklich hinwies. Wüst war unwohl bei der Sache, weil Stocker erst im Namen von Raiffeisen verhandelte, sich dann aber plötzlich bei Investnet beteiligte. Ein möglicher Interessenkonflikt also.

Kurz nachdem er sein Geld erhalten hatte, zahlte Stocker Vincenz 2,9 Millionen Franken. Davon wusste bei Raiffeisen ausser Vincenz niemand – laut eigenen Angaben auch Wüst und Etter nicht. Die alten Eigentümer erhielten daraufhin nochmals Geld, und Raiffeisen gewährte der KMU Capital einen Kredit von 100 Millionen Franken. Als sich Vincenz im Herbst 2015 von Raiffeisen verabschiedete, beteiligte er sich mit 1,5 Millionen Franken an der neu gegründeten Investnet-Holding und erhielt 15 Prozent der Aktien.

Finanziert wurde das mit einem Kredit von Raiffeisen, der ihm unter Umgehung der Richtlinien gewährt wurde. «Andreas Etter und Peter Wüst sind überzeugt, dass sie sich in jedem Moment korrekt und gesetzeskonform verhalten haben», sagte ihr Sprecher Jörg Denzler vor vier Jahren.

Vincenz, Stocker, Etter und der mittlerweile verstorbene Wüst wurden vor zwei Jahren verurteilt. Wüsts Geschäftspartner Etter kämpft gegen die Verurteilung. Daneben führt Raiffeisen ein privatrechtliches Verfahren, in dem sie von Wüst und Etter alles Geld zurückfordert, weil die Verträge nichtig seien. Umgekehrt wollen Vincenz, Wüst und Etter von Raiffeisen 100 Millionen Franken.