Radio-Umstellung: Ja was denn nun?
Schluss mit UKW, alles auf DAB+ und zwar möglichst bald: Der Plan der Radios kommt durcheinander.
Die Radios wollen das UKW-Netz abstellen, lieber heute als morgen. Doch nun zeigt sich, dass alles länger dauern könnte, als man es sich vor einem Jahr innerhalb der Branche vorstellte. Noch mehr Geld soll in eine Werbekampagne fliessen, um den neuen Verbreitungskanal DAB+ zu fördern. Derweil läuft das Internet DAB+ den Rang ab.
Vor einem Jahr war man optimistisch. Damals liess die Radiobranche eine Werbekampagne für DAB+ über das Bundesamt für Kommunikation ausschreiben. Diese sollte bis 2022 laufen und 5,5 Millionen Franken kosten, entnommen aus dem Serafe-Gebührentopf. Bis Ende 2021 sollte das UKW-Netz Geschichte sein, so das interne Ziel der Branche. Neu sind 7,5 Millionen Franken dafür vorgesehen. Vorbehältlich der Bundesrat stimmt der Erhöhung zu.
Begleitet wird der Wechsel von UKW auf DAB+ vom Bundesamt für Kommunikation. Eine Sprecherin sagt auf Anfrage: «Es hat sich gezeigt, dass die Meinungsbildung zur UKW-Abschaltplanung in der Radiobranche noch nicht gefestigt ist und dass die UKW-Frequenzen möglicherweise erst später als angenommen abgeschaltet werden.» Der Prozess könnte bis ins Jahr 2024 dauern. Damit würde das im vergangenen Jahr intern formulierte Ziel verfehlt und auf das ursprüngliche kommunizierte Ziel verschoben.
Wann genau das UKW-Netz Geschichte sein wird, soll noch in diesem Jahr mitgeteilt werden, heisst es beim Bundesamt.
Internet oder DAB+
Das Problem: Die Nutzung von DAB+ wächst nicht wie gewünscht. Im Februar schrieb das Bundesamt für Kommunikation in einer Mitteilung, dass im letzten Herbst 64 Prozent aller Radiominuten über digitale Kanäle liefen: 33 Prozent über DAB+ und 31 über das Internet; der Rest noch immer über das analoge UKW-Netz. Was auffällt: Die Nutzung von DAB+ ist zurückgegangen. Zwar nur um einen Prozentpunkt. Um aber das UKW-Netz in Kürze abzuschalten, müsste der Wert weiter ansteigen. Ansonsten läuft die Radiobranche Gefahr, dass sie ein Netz aufbaut, das weniger Hörer nutzen als angenommen.
Die Radiobranche hatte einen guten Grund, warum sie aufs Tempo drückte. Spätestens 2022 läuft die finanzielle Unterstützung zum Aufbau eines DAB+-Netzes aus. Danach müssen die Radiosender alle Kosten selbst übernehmen. Und: Um das Netz kostengünstig zu betreiben, braucht es möglichst viele beteiligte Radiosender. Läuft nun aber die Verbreitung über das Internet DAB+ den Rang ab, ist klar, wohin die Radiosender tendieren: ins günstige Internet. Gestärkt wird diese Entwicklung von der Branche selber. Im vergangen Herbst lancierte man den Swissradioplayer und konkurrenzierte die eigenen Bemühungen, auf DAB+ umzusteigen.
Die Zahlen des Bundesamts zeigen auch, dass gerade die junge Hörerschaft bereitwillig auf den DAB+-Zug aufgesprungen ist. Im Herbst 2017 wurden 36 Prozent (2016: 22 Prozent) der Radiominuten über DAB+ gehört. Ein Jahr später die ernüchternde Erkenntnis: Der Wert liegt bei dieser Zielgruppe nur noch bei 28 Prozent. UKW hält hingegen seinen Marktanteil, während das Internet wächst. Die Zahlen zeigen: Die bereits laufende Kampagne, wo Schweizer Musiker für den Umzug von UKW auf DAB+ werben, verfängt nicht so, wie man sich das in der Branche vorgestellt hat.
Für Hörer ist die Umstellung mit einem Kauf eines neuen Geräts verbunden. Wer kein Dab+-Gerät kauft, bleibt aussen vor. Im vergangenen Jahr wurden 286'200 solcher Radios verkauft, insgesamt 4,5 Millionen Geräte. Und doch: Die Nutzung stagniert.
Weniger Hörer?
Eine Gefahr ist, dass die Sender Hörer verlieren. In Norwegen hat sich gezeigt, dass kurze Zeit nach dem Wechsel von UKW auf DAB+ die Hörerzahlen einbrachen. Im Dezember 2017 stellte Norwegen auf DAB+ um. Auch wenn je nach Quelle die Einbusse unterschiedlich beziffert wird: Fest steht, dass nun wohl gegen 10 Prozent weniger Norweger Radio hören. Das rief in der Folge auch die Politik auf den Plan. Die Rechtspopulisten wollen UKW wieder einführen. In Dänemark hat man den Umzug ebenfalls gestoppt.
In der Schweiz hat sich Roger Schawinski im vergangenen Herbst auf der Branchenplattform «Persönlich.com» negativ zu DAB+ geäussert. Er bezeichnete die Technologie als teure Übergangslösung und sagte, dass man besser auf die Verbreitung über das Internet setzen solle. Etliche Exponenten der Radiobranche reagierten und setzten sich für den Weg hin zu Dab+ ein.
Jürg Bachmann, Präsident Verband Schweizer Privatradios (VSP), sagte gegenüber «Persönlich.com», dass nur schwer vorauszusagen sei, welche Technologie sich wann durchsetzen werde. «Die Radiobranche tut gut daran, Kurs zu halten. Weiter in DAB+ zu investieren, insbesondere auch in Marketing dafür», sagte Bachmann weiter. Parallel dazu soll auch in der Welt der Internetradios Schritt gehalten werden.
Die EU hilft
Ein Problem sind auch die Autoradios. Noch immer hören nur 40 Prozent aller Nutzer über DAB+ im Auto. Auch wenn fast alle neuen Autos mit DAB+ ausgestattet sind, müssen alte Radios nachgerüstet werden. Das kostet Geld. Für eine gute Lösung, die auch im Test des «Kassensturz» überzeugte, müssen gut und gerne 100 Franken bezahlt werden. Rückenwind erhält die Einführung von DAB+ aus der EU, wo Autohersteller bis 2020 verpflichtet werden, den digitalen Empfang bei neuen Autos zu ermöglichen.
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