Bericht veröffentlichtQuerelen, Führungsprobleme und Intransparenz bei Institut des Bundes
Eine E-Mail, die versehentlich an alle ging, brachte das Institut für Rechtsvergleichung in die Schlagzeilen. Nun zeigt ein Bericht, dass da einiges im Argen liegt.
Am Institut für Rechtsvergleichung in Lausanne hängt der Haussegen schon seit längerem schief. Es geht um interne Querelen, Führungsprobleme, Diskussionen über die Institutsausrichtung und Intransparenz. Das alles erschwert die Zusammenarbeit am Bundesinstitut. Es kostet den Bund 8 Millionen Franken, beschäftigt 40 Mitarbeitende und versorgt Gerichte, Anwälte, Bundesämter, das Bundesparlament, Kantonsstellen, Unternehmen und Privatpersonen mit Expertenwissen zu ausländischem Recht.
Der letzte Tiefpunkt: In einer irrtümlich ans ganze Institut adressierten E-Mail schlug die Vizedirektorin der Direktorin vor, sich eine Mitarbeiterin im nächsten Personalentwicklungsgespräch vorzuknöpfen und diese mit einer schlechten Note zu sanktionieren, was sich wohl wiederum negativ auf ihre Lohnentwicklung ausgewirkt hätte.
Es ging um eine Lappalie. Doch dies löste am Institut eine Vertrauenskrise aus. (Diese Zeitung hat darüber berichtet.)
Vier Rücktritte innert weniger Monate
Auch im Institutsrat, dem direkten Aufsichtsgremium des Instituts, scheint die Zusammenarbeit schwierig. Im März traten drei von ursprünglich sieben Mitgliedern zurück: Bundesrichterin Florence Aubry Girardin, Rechtsanwältin Dominique Brown-Berset und der Lausanner Professor Andrea Bonomi. Über die Gründe will sich das Eidgenössische Departement für Justiz und Polizei (EJPD), dem das Institut organisatorisch angegliedert ist, nicht äussern. «Der Institutsrat war und ist auch nach diesen Rücktritten zu jeder Zeit uneingeschränkt handlungsfähig», heisst es aus dem EJPD.
Im Dezember 2022 war schon ein Basler Professor zurückgetreten. Sein Rücktritt war unfreiwillig. Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) hatte festgestellt, dass er der Ehemann der Vizedirektorin ist, und entsprechend interveniert.
«Dauerhafte Interessenkonflikte schliessen eine Mitgliedschaft im Institutsrat aus.»
Am Mittwoch hat die EFK einen Prüfbericht über das Institut publiziert. Sie rügt darin, dass der Bundesrat «nicht ausdrücklich auf das Verwandtschaftsverhältnis aufmerksam gemacht» wurde. Die diesbezüglichen Prinzipien des Bundes seien klar: «Eine solche Beziehung kann Interessenkonflikte hervorrufen. Dauerhafte Interessenkonflikte schliessen eine Mitgliedschaft im Institutsrat aus.»
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Damit der Institutsrat personell nicht kollabiert, hat der Bundesrat auf Antrag von Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider die Anzahl Ratsmitglieder von drei auf fünf aufgestockt. Neu in den Rat kommen Eric Cottier, ehemaliger Waadtländer Generalstaatsanwalt, und Pascal Mahon, emeritierter Staatsrechtsprofessor. Präsidieren wird ihn weiterhin der Freiburger Rechtsprofessor Franz Werro. Die Frage, ob er den EFK-Bericht als Kritik an seiner eigenen Arbeit verstehe, beantwortet Werro mit «Nein». Er werde den Institutsrat weiter präsidieren und sehe das Institut trotz kritischem EFK-Bericht weiter auf einem guten Kurs.
Leitlinien fehlen
Das Institut wird in den kommenden Monaten auch eine neue Direktorin oder einen Direktor bekommen. Gemäss Recherchen dieser Zeitung geht die aktuelle Direktorin, die seit einiger Zeit abwesend ist, Ende Jahr in Pension. Die neue Führung muss diverse von der EFK aufgezeigte Probleme angehen. So wurde internationales Wirtschaftsrecht als neuer Institutsschwerpunkt gewählt. Dafür hat das Institut aber weder Leitlinien definiert, noch hat es unabhängige Experten konsultiert. Auch wurden die eigentlichen Nutzniesser des Instituts wie Gerichte, Bundesämter, aber auch das Bundesparlament nicht darüber informiert.
Zudem konzentrierte sich die Institutsleitung auf die wissenschaftliche Forschung und drosselte die Produktion von Rechtsgutachten. Gerade Gerichte sind aber auf das Expertenwissen aus Lausanne angewiesen, um etwa zu prüfen, ob ein im Ausland begangenes Delikt auch in der Schweiz strafbar ist, aber auch bei Rechtsfällen im Erb- und Familienrecht.
Dass das internationale Wirtschaftsrecht als Schwerpunkt gefragt wäre, sei weder ausgewiesen noch dokumentiert, schreiben die Finanzkontrolleure des Bundes. Pikant ist: Das internationale Wirtschaftsrecht ist das Rechtsgebiet der Vizedirektorin, deren Ehemann noch bis vor einem halben Jahr im Institutsrat sass.
Das Institut vergibt laut EFK Posten an Personen, die keine der Landessprachen ausreichend beherrschen.
Problematisch ist gemäss EFK auch, dass der Institutsrat und die Direktion ihre Entscheide in ihren Protokollen nicht systematisch festhalten. «Die fehlende Nachvollziehbarkeit der Beschlüsse der Organe führt zu Missverständnissen und/oder Unklarheiten über deren Rollen und Kompetenzen», so die EFK. Auch würden Posten zunehmend an Mitarbeitende vergeben, die keine der Landessprachen ausreichend beherrschten, und «die Kriterien für die Festlegung des Beschäftigungsgrades sind nicht dokumentiert», stellt die EFK fest. Während die einen Mitarbeiter auf drei Jahre begrenzte Verträge bekommen, werden andere mit unlimitierten Verträgen angestellt, was zu Spannungen führt.
Das Institut reagiert auf die Vorwürfe: Es habe «bereits damit begonnen, die Kriterien und Prozesse im Zusammenhang mit Forschungsprojekten zu definieren und zu dokumentieren». Man wolle «einem möglichen Konflikt zwischen Forschungsarbeit und Rechtsgutachten entgegenwirken».
Die Institutsleitung hat zudem zur Kenntnis genommen, dass die Unzufriedenheit mit dem Arbeitgeber unter den Mitarbeitenden so gross ist wie nirgendwo sonst in der Bundesverwaltung. Nun will sie die Gründe dafür klären.
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