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Pro-Nawalny-Proteste in Russland
Putins System steuert auf eine Zerreissprobe zu

Proteste in St. Petersburg: Polizisten verhaften einen Mann, der an einer Pro-Nawalny-Demonstration teilgenommen hat. 
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Proteste in Russland bleiben nie folgenlos. Kurzfristig führen sie zu Festnahmen, langfristig zu härteren Gesetzen. Stets führen sie zur Frage, ob sich dieses Mal etwas ändert und sich Wladimir Putin zu Zugeständnissen zwingen lässt. Die Antwort lautet: vermutlich nicht dieses Mal und auch nicht nächstes Mal, aber irgendwann. Putins starres System steuert auf eine Zerreissprobe zu.

Am Sonntag protestierten erneut Tausende in vielen Städten. Wohin ihre Unzufriedenheit führen wird, weiss der Kreml wahrscheinlich selbst nicht. Der verzweigte Sicherheitsapparat reagiert mit der alten Repressionsroutine, er verschafft dem Kreml kurzfristig Ruhe, doch sonst ändert sich nicht viel. Putin wird die Demonstrationen auch dieses Mal aussitzen, die Wünsche der Protestierenden ignorieren. Er schadet sich damit selbst, jetzt vielleicht mehr denn je.

Entschlossener und verwegener

Obwohl die Proteste nicht grösser sind als in früheren Jahren, gibt es Unterschiede. Die Demonstrierenden erscheinen entschlossener und verwegener, sie winken ihrer korrupten Regierung mit golden besprühten Klobürsten zu, werfen Schneebälle auf Polizisten. Einzelne reagieren gewaltsam auf die Gewalt der Einsatzkräfte. Das Team von Alexei Nawalny, das zum Protest aufgerufen hat, hat binnen einer Woche seine Taktik geändert. In Moskau hat es die Menschen über soziale Medien von einem Ort zum nächsten gelotst. Es hat Katz und Maus gespielt mit dem unflexiblen Sicherheitsapparat.

Für den Kreml ist der Gegner ohnehin schwerer greifbar geworden. Den Menschen Nawalny kann man einsperren. Doch die Wut und der Spott, die sich wegen des Mordanschlags auf Nawalny und dessen Inhaftierung auf den Strassen und im Internet entladen, lassen sich nicht einfach eindämmen. Befeuert hat sie Nawalnys Video über den privaten Palast am Schwarzen Meer, der für Putin gebaut worden sein soll. Der Kreml reagierte darauf mit einer Reihe schlecht durchdachter Dementis und Erklärungen, die manchmal gleich von russischen Medien widerlegt wurden.

Den Protest möchte sein Team nun verstetigen wie in Belarus, wo seit Monaten gegen Lukaschenko protestiert wird.

So viel Rückenwind wie Nawalny hatte schon lange kein Kremlkritiker mehr, auch das macht diese Unruhe besonders. Seit Nawalny aus dem Koma erwacht ist, greift er Präsident und Geheimdienst direkt an. Nawalny beschuldigt Putin, hinter dem Attentat auf ihn zu stecken. Er stellt die Truppe der Geheimdienstler bloss, die offenbar für die Vergiftung zuständig waren. Er kehrt nach Moskau zurück, lässt sich einsperren, veröffentlicht das Palastvideo. Anders als der Kreml scheint Nawalny eine Strategie zu haben.

Den Protest möchte sein Team nun verstetigen wie in Belarus, wo seit Monaten gegen Machthaber Alexander Lukaschenko protestiert wird. Die Lage dort ist anders, der Protest folgte auf eine gefälschte Wahl, eine Mehrheit lehnt Lukaschenko inzwischen ab. Dasselbe gilt nicht für Putin. Doch im Herbst wird die Staatsduma gewählt. Dann wird wichtig, was Russlands schweigende Mehrheit denkt. Diese macht es so schwierig, die Proteste einzuordnen.

Nicht unbedingt für Nawalny, aber gegen Putin

Die Menschen, die auf die Strasse gehen, stehen nicht unbedingt hinter Nawalny, aber sie stellen sich gegen Putin. Sie protestieren gegen eine Regierung, die sich bereichert, während die meisten Russen unter niedrigen Löhnen leiden. Der Kreml hat ausreichend Ressourcen, um die Proteste auszusitzen oder gewaltsam zu beenden. Aber der Unmut der Menschen verschwindet dadurch nicht.

Bereit in Wladiwostok: Sicherheitskräfte erwarten den anrückenden Demonstrationszug.