Putins Brics-GipfelPutin geht es vor allem um schmeichelhafte Bilder
Der Kremlchef schart über 20 Staats- und Regierungschefs um sich. Er will zeigen, dass er in der Weltgemeinschaft dazugehört. Doch wie tragfähig ist die inszenierte Harmonie?
- Putin empfängt beim Brics-Gipfel über 20 Staatsoberhäupter in Kasan.
- Vier neue Mitglieder inklusive Iran verstärken das Bündnis der Brics-Staaten.
- Chinas Einfluss dominiert die Erweiterung, während Saudiarabien noch zögert.
- Putin strebt ein vom Dollar unabhängiges Zahlungssystem mit China an.
Es ist das Foto, das er brauchte. Neun mächtige Männer und in ihrer Mitte: Wladimir Putin. Die Staatschefs und Regierungsvertreter haben sich aufgereiht fürs Gruppenbild, über ihren Köpfen prangt im Hintergrund ein weiss-blau-rotes Brics-Logo, dazu der Schriftzug: Russia. Die halbe Welt ist zu Gast bei einem Mann, der mit internationalem Haftbefehl gesucht wird. Beim letzten Gipfel fehlte Putin, weil die Gastgeber, seine südafrikanischen Brics-Partner, ihn womöglich hätten festnehmen lassen.
Jetzt aber steht er zufrieden lächelnd in der russischen Stadt Kasan, und alle halten still fürs offizielle Gipfelfoto. Brics, das sind Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, doch der Verbund ist kürzlich gewachsen. Den Gastgeber umrahmen die Vertreter der gewichtigsten Gründungsmitglieder, der indische Premier Narendra Modi und Chinas Präsident Xi Jinping. Putin gibt das Zeichen zum Aufbruch, das Foto ist im Kasten.
Deutlicher könnte Putin kaum demonstrieren, wie wenig der Druck des Westens ihn anscheinend tangiert. Der Westen würde Putin wegen seines Angriffs auf die Ukraine gern als Ausgestossenen verstehen, also isoliert von der Weltgemeinschaft. Stattdessen empfängt er diese Woche mehr als 20 Staatschefs, mit 17 von ihnen führt er laut Kreml bilaterale Gespräche. Brics in Kasan könnte sich zur «grössten aussenpolitischen Veranstaltung entwickeln, die in unserem Land je stattgefunden hat», hatte Putins aussenpolitischer Berater Juri Uschakow vor dem Gipfel noch gesagt.
Zudem ist der Gipfel in Kasan der erste, an dem auch die vier neuen Mitglieder Ägypten, Äthiopien, Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate teilnehmen. In dieser Kombination vertreten die Brics-Staaten etwa 45 Prozent der Weltbevölkerung – also wirklich fast die halbe Welt. Auch Saudiarabien wurde ein Beitritt angeboten, doch Riad wägt noch Vor- und Nachteile ab, schliesslich verkauft es den grössten Teil seines Erdöls in die USA. Statt Kronprinz Mohammed bin Salman kam nur der saudische Aussenminister nach Kasan, ein kleiner Wermutstropfen für Putin.
Der Kremlchef produziert seit Gipfelbeginn Bilder grosser Harmonie für die Kameras. Am Dienstagabend beim Eröffnungskonzert im Saal des alten Kasaner Kreml sass er wieder zwischen Xi und Modi, daneben wippte ein Bein des Aussenministers aus Abu Dhabi im Turnschuh zum Takt von «Kalinka», dem bekannten russischen Tanzlied. Doch bei aller Eintracht: Die Brics-Staaten sind ein sehr heterogener Mix aus demokratischen und autokratischen Staaten mit sehr unterschiedlichen wirtschaftlichen Interessen. Allein die Spannungen zwischen China und Indien, an deren Grenze es immer wieder zu Konflikten kommt, halten das Bündnis zurück.
Die treibende Kraft ist China
Die treibende Kraft hinter der Bündniserweiterung war China – und Putin profitiert davon. Die Zusammenarbeit zwischen Moskau und Peking sei einer der «wichtigsten stabilisierenden Faktoren in der internationalen Arena», sagte Xi bereits zur Begrüssung. Zuvor hatte auf demselben Stuhl gegenüber von Putin Premier Modi gesessen, um als einziger Gast gleich zu Beginn die Ukraine anzusprechen: «Wir glauben, dass Probleme mit friedlichen Mitteln gelöst werden müssen», sagte Modi und sprach sich dann noch für «Frieden und Stabilität» aus, «so schnell wie möglich». Die Kamera fing Putins leicht zerknittertes Gesicht ein.
Brics schlicht als Bündnis gegen den Westen zu beschreiben, wäre daher zu kurz gegriffen. Jedes Mitglied sucht seine eigene Balance, die meisten unterstützen weder die Ukraine öffentlich gegen Russland, noch Moskau oder Peking in ihrem Feldzug gegen den Westen. Brasiliens Präsident Lula da Silva, wegen einer Verletzung nur per Video zugeschaltet, sprach in grosser Runde von zwei Kriegen, in Israel und in der Ukraine.
Russlands Überleben hängt vom Brics-Bündnis ab
Dass Indien, Brasilien und Südafrika sich nicht gegen ihre westlichen Partner stellen wollen, weiss Putin und bemühte sich kurz vor dem Gipfel um versöhnliche Worte. Brics sei keine «antiwestliche», sondern schlicht eine «nicht westliche» Allianz, sagte er vor Journalisten und verwies darauf, dass Modi das schon so gesagt habe. Brics verstehe sich nicht «als Opposition zu irgendwem», betonte Putin, was zynisch klingt angesichts seines wiederholten Versprechens, die alte Weltordnung aufzuheben und alle von Washington dominierten Institutionen auszuhebeln. Für Putin ist das Brics-Bündnis längst viel bedeutsamer als für andere, Russlands wirtschaftliches Überleben hängt davon ab.
Sein wichtigstes Ziel ist nun, gemeinsam mit Xi ein vom Dollar unabhängiges Zahlungssystem aufzubauen, um westliche Sanktionen zu umgehen. Eine gigantische Aufgabe, denn immer, wenn Waren über Landesgrenzen hinweg bezahlt, wenn Währungen umgetauscht werden müssen, spielt der Dollar eine Rolle. Es gibt bisher auch keinen Ersatz für das Swift-System, ohne das Überweisungen ins Ausland praktisch unmöglich sind und aus dem die meisten russischen Banken ausgeschlossen wurden. Wer vom Ausland aus nach Kasan reiste, bekam das sofort zu spüren: An fremde Kreditkarten geben russische Bankautomaten kein Geld heraus.
Kasan, eine alte Handelsstadt östlich von Moskau, glich am ersten Gipfeltag überdies einer Geisterstadt. Am Abend aber konnte man vor dem Kasaner Kreml, der für den Gipfel festlich illuminiert war, Spaziergänger treffen und nach dem Gipfel fragen. Die wenigsten wussten, was Brics genau bedeutet. Putin ist das wohl recht so, Hauptsache, das Staatsfernsehen zeigt ihn am runden Tisch mit internationalen Entscheidungsträgern.
Auch UNO-Generalsekretär António Guterres landete am Mittwoch in Kasan und wurde am Flughafen mit rotem Teppich und Ehrengarde begrüsst. Frauen in tatarischer Tracht reichten Brot, Salz und das frittierte Honiggebäck Tschak-Tschak, das Guterres gleich probierte. Dass er der Einladung des Kriegsherrn folgt, trägt ihm viel Kritik ein. Am Donnerstag trifft er Putin persönlich. Bleibt abzuwarten, wie harmonisch die Bilder dann aussehen.
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