Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Interview mit Kispi-Professor
«Eine Stunde mehr Schlaf verbessert die Lebensqualität erheblich»

Der Entwicklungspädiater Oskar Jenni plädiert für einen späteren Schulstart.

An der Sek Uetikon startet die Schule im Rahmen eines Pilotprojekts seit diesem Schuljahr montags und freitags jeweils 50 Minuten später. Auch an vielen anderen Schulen wird über einen späteren Schulanfang diskutiert. Ein führender Experte in diesem Bereich ist Oskar Jenni, Professor am Kinderspital der Universität Zürich. Der Professor für Entwicklungspädiatrie, also für kindliche Entwicklung, beschäftigt sich schon lange mit der Frage, wie sich der Schlaf auf die schulische Leistung der Schülerinnen und Schüler auswirkt.

Herr Jenni, man hört und liest oft, für Jugendliche sei der morgendliche Schulbeginn zu früh. Warum?

Im Alter zwischen 10 und 20 Jahren verschiebt sich die innere Uhr immer mehr in die Nacht hinein. Denn je reifer das Gehirn wird, desto länger ist man in der Lage, am Abend wach zu bleiben. Jugendliche sind deshalb am Abend häufig nicht müde. Wenn man spät ins Bett geht, wacht man morgens auch später auf. Das sind nicht Gewohnheiten, sondern das sind biologische Gründe. Deshalb ist es sinnvoll, wenn man sich über den morgendlichen Schulbeginn Gedanken macht.

Verändern sich Schlafrhythmus und -bedürfnis ausschliesslich bei Jugendlichen?

Nein. Der Schlaf verändert sich im Verlauf der gesamten Entwicklung des Menschen. Die Neugeborenen zum Beispiel schlafen sehr lange, auch tagsüber, da ihr Hirn noch kaum entwickelt ist. Mit etwa 20 Jahren gehen Menschen am spätesten ins Bett. Und dann, je älter man wird, beginnt sich das wieder zurückzuverschieben, bis zur scherzhaft gemeinten «senilen Bettflucht» im Alter.

Kommen wir zurück zu den Jugendlichen: Hat ein früherer Schulstart denn wirklich einen direkten Einfluss auf die Leistung der Schüler?

Es gibt Studien, die belegen, dass Jugendliche, wenn sie ganz früh am Morgen aufstehen müssen, noch nicht leistungsfähig sind. Inwieweit aber ein späterer Schulbeginn eine direkte Auswirkung auf die Noten hat, ist noch nicht besonders gut untersucht. Wir machen im Moment solche Untersuchungen an Schulen.

Funktioniert ein späterer Schulstart, oder gehen die Schüler und Schülerinnen dann einfach später ins Bett?

In verschiedenen Studien konnte man zeigen, dass das nicht so ist. Wir haben zwischen 2017 und 2021 mehrere grosse Befragungen mit über 12’000 Jugendlichen im Kanton Zürich gemacht. Im Corona-Lockdown 2020 sind die Jugendlichen im Schnitt 90 Minuten später aufgestanden. Klar, denn sie hatten ja keinen Schulweg. Sie gingen aber nur etwa 15 Minuten später zu Bett, was die Schlafdauer um 75 Minuten verlängerte. Ein späterer Schulstart führt also nicht zu späterer Bettzeit, sondern zu mehr Schlaf und zu mehr Lebensqualität, wie wir zeigen konnten.

Wie effektiv ist aber eine Verschiebung des Schulstarts, wenn sie nur zwei von fünf Tagen betrifft, wie es in Uetikon der Fall ist?

Wenn man davon ausgeht, dass die Schüler durch den frühen Schulstart unter Schlafentzug leiden, dann sammelt sich die Schlafschuld im Verlauf der Woche. Schon mit nur wenig zusätzlichem Schlaf kann man dieses Schlafdefizit deutlich vermindern. Auch nur eine halbe Stunde nützt etwas. Es ist nicht so, dass man den Schulstart auf 10 Uhr verlegen muss, damit die Schüler wirklich genügend Schlaf bekommen. Aber wichtig ist, dass der Schulstart an allen fünf Tagen verschoben wird.

Sind «Powernaps» eine Lösung für Schlafdefizite bei Jugendlichen?

Wenn ein Jugendlicher tagsüber ein Powernap machen kann, dann ist das sinnvoll. Das Problem ist, dass die meisten das aus Zeitgründen nicht machen können. Ausserdem sollte ein Powernap nicht am späteren Nachmittag gemacht werden. Man nennt die Zeit zwischen 16 und 20 Uhr auch die «forbidden zone of sleep». Man sollte da nicht schlafen, denn man reduziert so den Schlafdruck. Das führt dazu, dass man abends dann überhaupt nicht mehr einschlafen kann.

Welche anderen Massnahmen könnten an Schulen getroffen werden, um Jugendlichen das Lernen zu erleichtern?

Eine Herausforderung für die Schulen ist das Stundenplanmanagement. In unserer Umfrage haben viele Schüler gesagt, dass sie zu lange Pausen hätten, auch über Mittag. Sie hätten auch immer wieder Schulstunden, die ausfallen, wodurch sie gezwungen würden, untätig in der Schule zu bleiben. An manchen Schulen zum Beispiel gibt es einen sehr innovativen Zugang. Dort ist die erste Stunde freiwillig. So lässt man den Schülerinnen und Schülern eine gewisse Wahl, um Rücksicht auf den individuellen Biorhythmus zu nehmen.