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Shitstorm in Pakistan
Premier und Ex-Playboy Khan macht Frauen mitverantwortlich für Vergewaltigungen

Erschüttert über den moralischen Freischein für Vergewaltiger: Proteste gegen Premier Khan in Islamabad. 
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Frauen sollen sich bedecken, dann werden sie nicht vergewaltigt. So etwa hat es Pakistans Premierminister Imran Khan, 68, erklärt, als er vergangene Woche auf die Vergewaltigungswelle in seinem Land angesprochen wurde. Das ist auch für ein streng muslimisches Land eine Aussage, die nicht ohne Shitstorm bleiben kann. Mehrere Frauenrechtsverbände meldeten sich am Donnerstag zu Wort, um ihre Erschütterung über diesen moralischen Freischein für Vergewaltiger auszudrücken. Dabei war die Absicht von Khan eine ganz andere gewesen.

Vor einigen Wochen schon hatte er darauf hingewiesen, dass Frauen unbeabsichtigte Verführung vermeiden sollten, indem sie sich vollständig bekleiden – und damit Empörung ausgelöst.

«Wir haben hier keine Discos und Nachtclubs, wir haben hier gesellschaftlich einen ganz anderen Lebensstil.»

Imran Khan, Premierminister von Pakistan

Die aktuelle Aufregung entspringt dem Versuch Khans, sich in einem Interview mit dem australischen Fernsehjournalisten Jonathan Swan zu rechtfertigen. Swan wurde international berühmt, durch ein besonders irres Interview mit Ex-US-Präsident Donald Trump. Der hatte behauptet, andere Covid-19-Ansteckungszahlen zu kennen als der Rest der Welt, und dem zunehmend irritierten Reporter ein paar Zettel als Belege gereicht.

Im Interview mit Imran Khan wollte Swan nun wissen, ob der Premier tatsächlich behauptet habe, dass nicht jeder Mann genug Willenskraft hätte, um unverhüllten Frauen zu widerstehen. «Kompletter Nonsens», erwiderte Khan. «Wir haben hier keine Discos und Nachtclubs, wir haben hier gesellschaftlich einen ganz anderen Lebensstil.»

«Es geht nicht um mich, sondern um meine Gesellschaft»: Imran Khan, ehemaliger Kricket-Star und heute Premier von Pakistan, versucht, seine Aussagen zu rechtfertigen. 

In seiner ersten Karriere als Kricket-Star hatte Imran Khan sich allerdings durchaus selber als Playboy vermarktet, es gibt alte «Vanity Fair»-Homestorys, die ihn im Seiden-Pyjama im Schlafzimmer zeigen, oder Schnappschüsse, auf denen er in enger Badehose aus dem Meer steigt, neben ihm eine Frau im Bikini. «Es geht nicht um mich, sondern um meine Gesellschaft», erklärte Khan nun. «Wenn ich sehe, dass sexuelle Verbrechen stark zunehmen, muss ich überlegen, was ich dagegen tun kann.»

Enttäuscht, dass sich Biden noch nicht gemeldet hat

In dem Interview ging es auch um viele andere Themen, vor allem politische. Dass Joe Biden sich beispielsweise noch nicht bei ihm gemeldet habe, dass der Abzug der US-Truppen aus Afghanistan ihm Sorgen bereite. Er wies darauf hin, dass der ungelöste Kashmir-Konflikt die Region seit Jahrzehnten in Geiselhaft nehme. In Kashmir streiten sich die riesigen Atommächte Indien und China sowie die eher instabile Atommacht Pakistan um Grenzlinien und Landeszugehörigkeiten. Eine potenzielle Bedrohung für ganz Asien, wenn nicht die ganze Welt.

Dass nun ausgerechnet seine Erklärungen zur Sexualmoral so starke Reaktionen hervorrufen, liegt daran, dass sie einem uralten Entschuldigungsmuster folgen, bei dem eine Vergewaltigung dem Opfer angelastet wird und nicht dem Täter. Das stösst jedoch in Pakistan zunehmend auf Ablehnung. So ging im vergangenen Jahr der besonders brutale Fall einer Frau durch die Nachrichten, die nachts in Lahore ohne Benzin liegen blieb und die Polizei rief. Während sie auf Hilfe wartete, wurden die Fenster ihres Autos eingeschlagen, sie wurde aus dem Wagen gezerrt und von mehreren Männern vor den Augen ihrer Kinder vergewaltigt. Zwei Männer wurden dafür zum Tode verurteilt, haben aber Berufung eingelegt.

Vollverschleierte Frauen fordern Todesstrafe

Umar Sheikh, Polizeichef von Lahore, erklärte später, die Frau hätte sich anders verhalten sollen. Niemand in der pakistanischen Gesellschaft «würde seiner Schwester oder seiner Tochter erlauben, nachts noch alleine unterwegs zu sein». Die darauf folgenden Proteste in Pakistan zeigten tiefgläubige, vollverschleierte Frauen, die die Todesstrafe für die Vergewaltiger forderten.

«Wir fordern eine öffentliche Entschuldigung des Premierministers», erklärte die pakistanische Menschenrechts-Kommission am Donnerstag, Khans Äusserungen würden nicht einmal den Bemühungen der Regierung gerecht werden, «diese ernsthaften und verbreiteten Verbrechen in Pakistan in den Griff zu bekommen». Auch Frauenrechtsverbände gaben auf der gemeinsamen Pressekonferenz in der Hauptstadt Karachi zu bedenken, dass Khan es versäumt habe, darauf hinzuweisen, dass Vergewaltigungen Gewaltakte seien und keine Folge von fehlender sexueller Impulskontrolle.

Pro Tag werden elf Frauen vergewaltigt

In einem gemeinsamen Statement erklärten die Organisationen, «die Überlebenden sexueller Gewalt können nicht nur Frauen, sondern auch Mädchen, Männer, Jungen oder Transgender sein. Und diese Taten geschehen an Schulen, Arbeitsplätzen, zu Hause, an öffentlichen Orten. Geschlecht, Alter oder Kleidung schützen einen nicht vor Vergewaltigung.» Vergangenes Jahr wurden in Pakistan jeden Tag im Durchschnitt elf Frauen vergewaltigt. Das sind nur die gemeldeten Fälle. Die Verurteilungsquote liegt bei 0,3 Prozent.