Regierungskrise in TschechienPremier Babis ist angezählt
Der tschechische Regierungschef übersteht eine weitere Vertrauensabstimmung im Parlament. Nicht verhindern kann er Ermittlungen der neuen EU-Staatsanwaltschaft wegen seiner Interessenkonflikte.
Zum dritten Mal musste sich die tschechische Regierung unter der Führung von Premier Andrej Babis heute Donnerstag einem Misstrauensvotum stellen. Der Grund war sein von der EU festgestellter Interessenkonflikt. Weil der Unternehmensgründer aus Sicht der Kommission noch immer entscheidenden Einfluss auf die Agrofert Holding ausübt, dürfen die Firmen keine EU-Subventionen mehr erhalten – solange Babis als Premier gleichzeitig über deren Verteilung mitentscheidet. Nun wird auch die zum 1. Juni neu geschaffene europäische Staatsanwaltschaft in diesem Fall ermitteln. (Lesen Sie zum Thema den Artikel «Die furchtlose Korruptionsjägerin».)
«Das Kabinett hat in vielen Dingen versagt, praktisch in allen», sagte der Vorsitzende der konservativen Oppositionspartei ODS der tschechischen Presseagentur CTK. Von einer «Regierung des Chaos und der enttäuschten Hoffnungen» sprach der Vorsitzende der liberalen Partei Stan, Vit Rakusan.
Vor einer «Agrofertisierung» des Staates warnte der Vorsitzende der in Umfragen führenden Piratenpartei, Ivan Bartos. Die schlechte Bewältigung der Pandemie ist einer der Hauptkritikpunkte: Mit mehr als 30’000 Toten hat das Land im internationalen Vergleich sehr viele Covid-Opfer zu beklagen.
«Stoppt Babis», lautete die schlichte Botschaft der Demonstranten, die am Dienstagabend durch Prag gezogen waren. Ein Schild zeigte Babis als Vergewaltiger der Demokratie. «Wir weichen nicht zurück», ist das Motto der Organisation «Eine Million Augenblicke für die Demokratie». Sie hat seit Ende April erneut Tausende im ganzen Land auf die Strassen gebracht, weitere Grossdemonstrationen sind geplant. Eine weitere Regierungszeit der Babis-Partei Ano nach der Wahl im Oktober möchten die Aktivisten verhindern.
Schon heute Vormittag jedoch wurde klar, dass Babis und seine Regierung auch dieses Misstrauensvotum überstehen würden. Die kommunistische Partei, welche die Minderheitsregierung toleriert, verliess geschlossen den Saal, damit reichten die Stimmen nicht aus.
Doch die Regierung ist angezählt. In der aktuellen Umfrage liegt die Ano mit 23 Prozent auf Platz zwei, es führt der Zusammenschluss der liberalen Piratenpartei mit der Partei der Bürgermeister und Unabhängigen (Stan). Premier Babis bezeichnete die Abstimmung als «brutale Wahlkampagne».
An die Piratenpartei gerichtet, sagte er im Parlament: «Wir in Tschechien wollen keinen multikulturellen ökofanatischen Piratenstaat. Wir wollen unser Land nicht teilen. Wir wollen nicht, dass das Europäische Parlament unser Land regiert.» Den Bericht der EU-Kommission erkennt Babis nicht an. Und weiter: «Niemand aus dem Ausland wird uns hier hineinreden.»
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