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Dua Lipa im Hallenstadion 
Postpandemischer Energieablass 

«Let’s get physical»: Dua Lipa mit zwei ihrer sehr zahlreichen Tänzerinnen. 
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Wie viel Aktionismus braucht es für eine gute Show? Gäbe es zu diesem Themenbereich statistische Erhebungen, würde man wohl etwa zu folgender Gleichung kommen: Je grösser die musikalische Grundsubstanz, desto schmächtiger das zirzensische Tamtam.

Wie das wohl bei Dua Lipa wird, einer der momentan erfolgreichsten Musikerinnen der Welt, die von Sir Elton John für Duette angefragt wird und deren letztes Album von der Grammy-Jury zum besten Pop-Album des Jahres 2020 erkoren worden ist? Im ausverkauften Hallenstadion ist bald klar, wo bei ihr der Entertainment-Hammer hängt. In einem aufwendigen Einspielfilm-Intro werden die Tänzerinnen und Tänzer vorgestellt. Nicht aber die Musiker – zumindest vorerst.

Letztlich bleibt Dua Lipa dann doch anonym und unnahbar wie die Zumba-Instruktorin im Fitnesscenter.

Und wenn dann kurz darauf die Hauptdarstellerin des Abends in hautenger, pinkfarbener Gewandung auf die Bühne springt und in bonbonpoppiger Ausgelassenheit «Lass uns körperlich werden» ins Stadionoval schreit, dann sind die Leitplanken für den Abend endgültig gesetzt.

Soundtrack fürs Homeoffice-Fitnessprogramm

Hier will jemand Verpasstes nachholen. Dua Lipa musste zwei Jahre warten, um ihr zum Pandemiehit arriviertes Album «Future Nostalgia» auf die Bühne zu bringen. Dieses hat in der Zwischenzeit Streamingzugriffe erreicht, die nicht mehr in Millionen-, sondern in Milliarden-Einheiten gemessen werden. Hat Dua Lipa also den Soundtrack fürs Homeoffice-Fitnessprogramm geliefert, soll das Antrainierte nun gefälligst angewandt werden. 

Also wird die vielköpfige Choreografietanztruppe nicht müde, ihr Engagement zu amortisieren und ihre Vorstellung einer guten Show darzulegen. Das Arsenal: symmetrische Körperübungen in Grossformation, Rollschuhtanz mit schwindligmachender Pirouetten-Dominanz, fotogene Hebefiguren (mit Sängerin), Pausentanz-Intermezzi (ohne Sängerin) und eine etwas abgefingerte Regenschirm-Choreo.

Der Eindruck täuscht: Besinnliche Momente hat der Auftritt von Dua Lipa nicht geboten.  

Beim letzten Programmpunkt hat neulich ein Regenschirm-Girl Dua Lipa das Mikrofon aus der Hand geschlagen, welches danach unwiederbringlich im Auditorium verschwunden ist. Das war ein prima Anlass für Bühnenkatastrophen-Analysten, herauszufinden, wie hoch denn eigentlich der Playbackanteil bei Dua-Lipa-Konzerten ist. Das Ergebnis: Sie singt, höchst tontrefflich sogar, aber ihr Gesang ist stets ummantelt von einem Backing-Vocal-Chor. Gehobener Grossshow-Usus also, nur dass das Playback hier praktischerweise gleich auf der Bühne steht. 

Anschauungsunterricht für die Tiktok-Choreo

Kommen wir zum musikalischen Teil. Dua Lipa bezeichnet ihr Kunstwollen gerne als «Dance Weep» – Musik zum Tanzen und zum Weinen also. Für ihre Liveshow hat sie jenen Teil, der zum Flennen Anlass geben könnte, offensichtlich gänzlich aufgegeben. Ihre Musik ist eher das klingende Äquivalent einer Teenager-Poolparty. Alles ist ausgelassen und Tiktok-artig durchchoreografiert. Vieles verweist auf den Hochleistungspop der Achtzigerjahre, und alles ist mit unbedingt unkomplizierten Disco-Rhythmen unterlegt.

«Levitating»; «Don’t Start Now», «One Kiss»: Jeder Song würde sich kurvenlos für den Eurovision Song Contest qualifizieren: alles ein bisschen überdimensioniert, ein bisschen überbelichtet und überdurchtrainiert, aber eben auch ziemlich ohrwurmig und – die Tanztruppe wird es bestätigen – stets prima betanzbar.

Doch irgendwann stellt sich an diesem Konzert ein interessanter Effekt ein: Das im Streamingzeitalter hochgehaltene Gebot, als Pop-Marke möglichst eine spezifische Stimmung zu bedienen, stellt sich im eineinhalbstündigen Abendprogramm von Dua Lipa eher als Nachteil heraus.

Eintönigkeit auf hohem Energielevel: Frau Lipa in einer von vielen Choreografie-Tanz-Verstrickungen.

Dramaturgische Spannungsbögen sind mit ihrem Hitprogramm kaum zu spannen. Es herrscht eine Art musikalischer Dichtestress, und Dua Lipa gerät irgendwann unter Eintönigkeitsverdacht – immerhin eine Eintönigkeit auf hohem Energielevel. 

Auch wenn sie sich in Zürich ein klein bisschen gesprächiger gibt als an anderen Stätten, geht es dann letztlich doch nur ums Wetter und um Dankesbekundungen. Richtig nahe kommt sie einem in diesem durchgetakteten Set nicht. Die 26-jährige Britin mit kosovarischem Stammbaum, die abseits der Bühne durchaus auch zur Welterklärerin taugt, bleibt anonym und unnahbar wie die Zumba-Instruktorin im Fitnesscenter. Aber ja, ins Schwitzen gebracht hat sie dann doch alle hier.