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Corona auf Iberischer Halbinsel
Portugal kommt besser durch Corona-Krise als Spanien

In Spanien fragt man sich, was jenseits der Grenze anders gelaufen ist: In Portugal sind seit dem 4. Mai auch die Kosmetiksalons wieder offen.
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Spanien leidet extrem daran, in Europa mit die höchsten Corona-Fallzahlen zu haben, und das nicht nur aus Sorge um die Kranken und aus Trauer um die Toten. Es hat auch mit dem Selbstverständnis eines Landes zu tun, das sich gern reformbereit und weltoffen zeigt und nun in die Rolle des Krisenfalls zurückgeworfen ist, aus dem es sich nach dem Immobiliencrash herausgearbeitet hatte.

Und da fällt ein neidischer Blick auf das oft als rückständig angesehene Nachbarland, das besser durch die Krise zu kommen scheint. Portugal hat, bezogen auf die Einwohnerzahl, erheblich weniger Corona-Tote als Spanien. Dort waren es Anfang dieser Woche 57 Tote pro 100’000 Einwohner – und in Portugal nur 11. Schon lange fragt man sich in Madrid, was der Nachbar besser gemacht haben könnte.

Frühe Reaktion, Vertrauen und Bürgersinn

Rita Sá Machado, Chefin der Abteilung für Epidemiologie der portugiesischen Generaldirektion für Gesundheit, sagt, Portugal habe eben sehr früh reagiert. Am 12. März beschloss die Regierung in Lissabon den Ausnahmezustand: Damals gab es 78 bekannte Fälle und keinen Corona-Toten. Es ist anzunehmen, dass sich Spaniens Regierung vom kleinen Nachbarn inspirieren liess, als sie eiligst und unerwartet am nächsten Tag den Alarmzustand verhängte. Da war die Epidemie in Spanien jedoch schon erheblich fortgeschritten.

So wahnsinnig vorbildlich sei Portugal aber nicht, sagt der Autor und Kommentator des öffentlich-rechtlichen Senders Rádio e Televisão de Portugal (RTP), Miguel Szymanski, aus Lissabon. So habe er sich Ende Februar auf einem Literaturfest in Portugal angeregt mit dem Schriftsteller Luis Sepúlveda unterhalten. Kurze Zeit später erkrankte Sepúlveda an Covid-19 und verstarb. Szymanski informierte sofort die Behörden. Als Antwort erhielt er nur, das sei schon okay, er solle sich oft die Hände waschen und zu Hause bleiben. «Ich habe mich dann selbst in Quarantäne begeben, getestet oder kontrolliert hat mich nie jemand», sagt Szymanski. Man könne also nicht sagen, dass die Behörden bei der Verfolgung von Ansteckungsketten besonders vorbildlich seien, und sie hätten auch gar nicht die Mittel. Szymanski blieb gesund, die Familie auch, er hatte wohl Glück – wie Portugal.

Auch günstige Umstände

Das Land liegt am Rande Europas. Begegnungen finden bevorzugt im Familienkreis statt, die Leute sind viel draussen, und es gibt wenig Luftverschmutzung. «Das ist hier alles anders als im engen Madrid», sagt Szymanski. Die Menschen hätten sich folgsam an die Regeln gehalten. Es gebe keine Demonstrationen gegen die Ausgangsbeschränkungen. Das Volk mache, was die Regierung sage. Vielleicht noch Folge der Diktatur?

Szymanski zögert. Vielleicht, aber man könne wohl auch sagen, dass die Leute Vertrauen hätten. Darauf setzte Portugal. Die Restriktionen waren nie ein mit so drakonischen Strafen bewehrter Lockdown wie in Spanien, sondern definiert als Bürgerpflicht. Es war eine Art moralischer Imperativ mit einem Rest Freiwilligkeit.

Da die Covid-Zahlen relativ niedrig blieben, begann auch die Öffnung früher als in Spanien: Nach sechs Wochen Ausnahmezustand konnten am 4. Mai kleine Läden öffnen. Ab Montag, 18. Mai, können grössere Geschäfte, Lokale sowie Schulen und Tagesheime starten. Vom 1. Juni an werden Einkaufszentren, Kinos, Theater, Museen wieder Besucher empfangen dürfen, aber in deutlich reduzierter Zahl.

Kollaps des Tourismus ist grosses Problem

Konkrete Pläne für den Tourismus gibt es nicht. Das ist genau das Problem. Corona hat Portugal in einem Moment vorsichtiger Erholung von der Finanzkrise 2008 erwischt. Es erlebte einen Tourismusboom, der nun kollabiert ist.

Ersparnisse hätten Portugiesen kaum, das Sozialsystem existiere nur der Form nach, ohne Hilfe von Familie und Freunden gehe in der Not nichts, sagt Szymanski. Er zahlte seine Putzfrau zwei Monate, obwohl sie nicht kommen konnte. «Die Frau hätte sonst schlicht kein Geld mehr gehabt.» Szymanski wohnt in einem Vorort Lissabons, unweit steht eine Barackensiedlung, wo viele Menschen von informeller Arbeit lebten. Sie verdienten nichts mehr, es kämen immer mehr, die nach Essen fragten, sagt Szymanski. Und ein Gefühl der Gefährdung mache sich breit.