Populisten und Brexit: Sorgen bei der Europawahl
Die Brexit-Partei liegt nach Umfragen vorne. Das Bündnis der Rechtspopulisten um Matteo Salvini breitet schon die Arme aus.

Die Europawahl hat begonnen – begleitet von Sorgen über ein Erstarken rechter Populisten und einer Zuspitzung der Brexit-Krise. Als Erste stimmten am Donnerstag die Niederländer und die Briten ab, obwohl Letztere die Europäische Union Ende Oktober verlassen wollen.
Bis zum Sonntag können bei der Superwahl rund 418 Millionen Menschen in den 28 EU-Mitgliedsstaaten 751 neue EU-Abgeordnete bestimmen. Der Sprecher der EU-Kommission, Margaritis Schinas, sagte, die Europawahl sei «die grösste grenzüberschreitende Wahl auf dem Planeten und eine Chance, über unsere Zukunft zu entscheiden». Nun sei die Stunde des Volkes, sagte er am Donnerstag.
Der Wahlausgang entscheidet nicht nur über die Sitzverteilung im EU-Parlament und die Chancen des Deutschen Manfred Weber auf den Posten des EU-Kommissionschefs. Der bisherige Amtsinhaber Jean-Claude Juncker, der wie Weber aus der christdemokratisch-konservativen Parteienfamilie der EVP (Europäische Volkspartei) kommt, scheidet aus. Es geht auch darum, wie die grosse Koalition in Berlin weiter zusammenarbeitet.
Hohe Stimmanteile für EU-kritische Parteien?
Gerechnet wird mit hohen Stimmanteilen für EU-kritische und rechtspopulistische Parteien. Das könnte die Gesetzgebung und die Besetzung von Spitzenposten in Brüssel extrem kompliziert machen. Die grossen Parteienfamilien der Christdemokraten und Sozialdemokraten müssen im Vergleich zur Wahl 2014 deutliche Verluste befürchten. Voraussichtlich werden sie im EU-Parlament zusammen keine Mehrheit mehr haben, sondern auf Liberale, Grüne oder Linke angewiesen sein.
Nach einer Projektion des Portals «Politico» kann die EVP im Parlament auf 171 Mandate hoffen, die Sozialdemokraten auf 144. Die Liberalen kämen zusammen mit der Partei LREM des französischen Präsidenten Emmanuel Macron auf 107 Mandate. Die neue Allianz von Rechtsnationalen und Populisten würde mit 74 Sitzen Platz vier erreichen; die ebenfalls EU-kritische Fraktion EKR hätte weitere 57 Sitze. Danach folgen die Grünen mit 56 und die Linke mit 51 Mandaten.
In Grossbritannien zeichnete sich ein Triumph für die Brexit-Partei von Nigel Farage ab, die nach Umfragen bis zu 38 Prozent der Stimmen erhalten könnte. Das neue «Bündnis Europäische Allianz der Völker und Nationen», das der Chef der italienischen Lega, Matteo Salvini, am vergangenen Wochenende mit weiteren rechtsnationalen Kräften angekündigt hat, sieht in seinen Reihen noch Platz für die Brexit-Partei von Nigel Farage.
Auch die Liberaldemokraten und die Grünen, die sich gegen den EU-Austritt aussprechen, erleben Höhenflüge. Die Wähler scheinen die Gelegenheit nutzen zu wollen, um die beiden grossen Parteien, Konservative und Labour, für das Chaos um den EU-Austritt abzustrafen. Für die konservativen Tories von Premierministerin Theresa May dürfte es bitter werden, sogar ein einstelliges Ergebnis scheint nicht ausgeschlossen.
Tritt Theresa May am Freitag zurück?
May steht unter massivem Druck, von ihrem Amt zurückzutreten. Spekulationen zufolge könnte sie bereits am Freitag gezwungen sein, ein Datum für ihren Abschied zu nennen.
Die Briten hatten vor fast drei Jahren in einem Referendum für den EU-Austritt gestimmt. Dass sie dennoch an der Wahl teilnehmen, liegt daran, dass die britische Regierung ihr mit der EU ausgehandeltes Austrittsabkommen nicht rechtzeitig durch ihr Parlament gebracht hat. Der EU-Austritt soll nun spätestens am 31. Oktober erfolgen, doch werden auch an diesem Termin Zweifel laut.
Tritt Theresa May am Freitag zurück?

In den Niederlanden waren knapp 13 Millionen Menschen zur Abstimmung aufgerufen. Mit Spannung wurde dort das Abschneiden des neuen Stars der rechten Szene, Thierry Baudet, und seines Forums für Demokratie (FvD) erwartet. Die Partei will ein Referendum über die niederländische EU-Mitgliedschaft und hatte überraschend die jüngste Provinzwahl gewonnen. Bei der Europawahl 2014 existierte die Partei noch nicht.
Letzte Umfragen sahen die Rechtspartei FvD und die konservativ-liberale VVD von Ministerpräsident Mark Rutte gleichauf an der Spitze mit jeweils 15 Prozent. Die sozialdemokratische PvdA rangierte mit 13 Prozent an dritter Stelle. Im europaweiten Fokus steht Frans Timmermans, der Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten von der PvdA. Die Wahlbeteiligung lag in den Niederlanden bei der Europawahl 2014 bei mässigen 37 Prozent.
Insgesamt erstreckt sich die Europawahl über vier Tage: Irland und Tschechien folgen am Freitag, einige weitere Länder wählen am Samstag, der grosse Rest zum Abschluss am Sonntag.
SDA/red
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