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Mit KI gegen Verbrechen
Big Brother is watching you: Grossbritannien will Morde präventiv verhindern

Der britische Premierminister Keir Starmer betrachtet Bildschirme mit CCTV-Aufnahmen im Engineering Room des Metropolitan Police Command and Control Special Operations Room in der Lambeth Polizei-Zentrale in London am 9. August 2024.
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In Kürze:
  • Britische Behörden setzen verstärkt auf Nachbarschaftspolizisten zur Bekämpfung steigender Kriminalität.
  • Kameras mit KI-Gesichtserkennung überwachen zunehmend öffentliche Plätze in Londoner Stadtbezirken. Behörden greifen nun auch auf Daten aus sozialen Medien für Überwachungszwecke zu.
  • Ein neues Regierungsprojekt stuft bereits eine halbe Million Menschen als potenziell gefährlich ein.

Der britische Premier Keir Starmer forciert das Thema Innere Sicherheit. Die Briten begrüssen den Plan ihrer Regierung, auf den Sommer hin mehr Polizisten auf Patrouillengänge zu schicken.

Nicht ganz so sicher sind sich viele Bürgerinnen und Bürger aber, was eine andere Art der Überwachung angeht. Nicht nur nimmt dieser Tage überall die Zahl der Überwachungskameras dramatisch zu. Neue Methoden elektronischer Gesichtskontrolle und des KI-Abgleichs der erfassten Bilder mit vorhandenen Dateien lassen Bürgerrechtler bereits von orwellschen Zuständen sprechen – schon weil die gefilmten Passanten sich dieser Praxis in der Regel nicht bewusst sind.

London galt schon seit den Neunzigerjahren als die Stadt mit den meisten Überwachungskameras in Europa pro Kopf der Bevölkerung. Mittlerweile aber sind in einem einzigen Londoner Stadtteil wie beispielsweise in Hammersmith und Fulham bereits 2500 solcher CCTV-Kameras in Betrieb.

Und von diesem Monat an sollen die Gesichtszüge aller von den Kameras Erfassten via Algorithmen mit den Datenbanken der Polizei und diverser Behörden verglichen werden. Damit könnten Verdächtige schnell identifiziert und verfolgt werden, versichert die Polizei.

London: Mit Videokameras gegen Bagatelldelikte?

Kritiker dieser Entwicklung warnen vor steter Beeinträchtigung der Privatsphäre und fordern dringlich Schutzmassnahmen. Früher habe die Polizei einzig nach Gewalttätern und Schwerverbrechern gefahndet. Jetzt gehe man mithilfe von KI-Videos schon gegen antisoziales Verhalten oder das Wegwerfen von Müll vor, klagen Bürgerrechtsverbände wie Big Brother Watch.

Unruhe löst etwa aus, dass die betreffenden Systeme inzwischen bereits auf «aggressive Gespräche» anspringen oder «herumlungernde Personen» identifizieren. Jüngst wurde ein Fall bekannt, bei dem ein Stadtrat Kameras auf die Fenster privater Wohnungen in einem Wohnblock ausrichten liess, weil dort jemand Glasflaschen und Möbel auf die Strasse geworfen hatte.

Für die massenhafte Prüfung von Gesichtszügen beliebiger Passanten auf den Strassen sollen derweil künftig auch Bilder aus den sozialen Medien oder aus Haustürkameras benutzt werden. Verhandelt wird zurzeit darüber, ob zu diesem Zweck die gesamte Führerscheindatei des Vereinigten Königreichs benutzt werden darf.

Aktivisten sehen sich an Orwell erinnert

«Beängstigende Züge wie bei George Orwell» sehen Big-Brother-Watch-Aktivisten. Auch die Datenschutzkommission Grossbritanniens zeigt sich «besorgt» darüber, dass hier äusserst leichtfertig «mit einer grossen Menge sensitiver persönlicher Daten umgegangen wird».

Noch mehr Alarm hat die jüngste Enthüllung ausgelöst, dass das Justizministerium nun bereits glaubt, auf Überwachungsvideos potenzielle Mörder ausmachen zu können. Dabei soll – bei einem jetzt angelaufenen neuen Projekt der Regierung – nicht nur nach Personen Ausschau gehalten werden, die in der Vergangenheit auf die eine oder andere Weise straffällig geworden sind.

Auch Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die einmal Opfer von Gewalttaten waren, traut man offenbar Schlimmes zu. Der Organisation Statewatch zufolge sollen auch andere «völlig unschuldige Leute» in eine spezielle Datei eingespeichert werden. Diese umfasst etwa Personen, die einmal Opfer häuslicher Gewalt waren oder bei der Polizei aus anderen Gründen Hilfe suchten.

Eine halbe Million wäre gemeingefährlich

Generell «verdächtige» Charakterzüge wie psychische Probleme, Drogenabhängigkeit, Selbstverletzung oder versuchte Selbsttötung sollen ebenfalls berücksichtigt werden. Eine halbe Million Menschen, deren Daten «aus den unterschiedlichsten Quellen» stammen, wäre demnach als gemeingefährlich eingestuft.

Für die Regierung ist das alles nur ein Forschungsprojekt. Für Statewatch handelt es sich aber um das jüngste Beispiel einer regelrechten Schreckensvision unkontrollierter Überwachung vor allem der Ärmsten und der ethnischen Minderheiten.