Missstände im Fussball der FrauenDiese Schweizerin spielte beim «Albtraum-Club». Das hat sie erlebt
Pomigliano steigt von der Serie C bis in die Serie A auf und verlockt auch Torhüterin Emilie Gavillet. Dann kommt der tiefe Fall. Nicht nur auf dem Rasen.
- Pomigliano CF stieg von der Serie C in die Serie A auf.
- 2024 stieg der Club ab.
- Die Spielergewerkschaft beschreibt Pomigliano als «Albtraum-Club».
- Die Schweizer Torhüterin Emilie Gavillet hat die Abstiegssaison miterlebt.
Im Mai 2021 erschien im italienischen Fussballmagazin «L Football» ein Artikel mit dem Titel: «Pomigliano CF in der Serie A: eine schöne Geschichte des Frauenfussballs». Im September 2024 publizierte die Spielergewerkschaft Fifpro auf ihrer Internetseite einen Artikel mit dem Titel: «Pomigliano CF: Insider-Geschichte eines Albtraum-Clubs.»
Zwischen den beiden Publikationen liegen weniger als dreieinhalb Jahre. Was ist in dieser Zeit passiert?
Der Fussballverein Pomigliano CF wurde 2019 gegründet, in einem Vorort von Neapel und als Frauenteam des ASD Calcio Pomigliano, der in der Serie D der Männer spielt. Die Macher von damals übernahmen dafür den Club Vapa Virtus Napoli. Mit dessen Lizenz startete Pomigliano in der Serie C. In der ersten Saison stieg der Verein in die Serie B auf, in der zweiten in die Serie A, die höchste Liga. Das erstaunte viele, denn in der Serie A Femminile spielen praktisch nur Teams, die einer der grossen italienischen Fussballmarken angehören: Juventus, AC Milan, Fiorentina, Lazio Rom, Inter Mailand, AS Roma.
Auch deswegen schrieb das Magazin «L Football» von der «schönen Geschichte des Frauenfussballs». Zweimal schaffte Pomigliano den Ligaerhalt. Dann begann die Saison 2023/24. Vier verschiedene Trainer standen an der Seitenlinie, bis das Team am Ende abstieg. Danach verzichtete der Verein darauf, eine Liga tiefer anzutreten.
Dass die Fifpro von einem «Albtraum-Club» schreibt, hat mit dem Abstieg wenig zu tun. Vielmehr hat die Spielergewerkschaft den Titel wegen all der Geschichten gewählt, die neben dem Platz passiert sind.
Unangemeldete Besucher in der eigenen Wohnung
Seit 2022 haben Fussballerinnen in der Serie A den Profistatus. Die Episoden von anonymen Spielerinnen des Pomigliano CF, die die Fifpro auf ihrer Website publiziert, zeichnen ein anderes Bild. Sie erzählen von Löhnen, die nicht bezahlt worden seien; von rechtlichen Schritten, die ihnen angedroht worden seien, wenn sie nicht trotz Verletzung trainieren würden; von gefälschten Unterschriften auf Verträgen; von Partien, für die sie selbst Fahrgemeinschaften organisieren mussten; oder von Mitarbeitern, die Schlüssel zu Wohnungen des Clubs hatten und unangemeldet bei Spielerinnen im Wohnzimmer gestanden hätten.
Eine der Spielerinnen, die die Abstiegssaison in Pomigliano erlebt hat, ist Emilie Gavillet, Tochter eines Schweizers und einer Österreicherin, geboren im Jahr 2000 in Montreux. Am Telefon sagt sie: «Als Spielerin wirst du ausgenutzt. Weil sie genau wissen, dass du fast schon dankbar sein musst, in der Serie A spielen zu dürfen. Aber wir waren nicht die Einzigen. Ich habe Freundinnen, die in Serbien und Ungarn spielen und sagen, dass es dort ähnlich abläuft.»
Gavillet kam als Sechsjährige zum Fussball und war vom ersten Tag an Goalie. Weil sie nicht gerne renne, sagt sie. Als Gymnasiastin entschied sie sich, ein Jahr im Ausland zur Schule zu gehen. Weil sie dort eine Tante hat, ging sie dafür nach München. Die Eltern riefen bei den Bayern an und organisierten ein Probetraining. So kam sie in die Nachwuchsabteilung der Münchnerinnen. Heute sagt sie: «Diese Zeit hat meine Karriere erst möglich gemacht.»
Danach spielte sie vier Jahre in den USA. Sowohl dort als auch in Deutschland sah sie, wie vorbildlich Strukturen im Fussball der Frauen sein können. Dann unterschrieb sie in Pomigliano ihren ersten Profivertrag in Europa. Sie sagt: «Nach meiner Zeit in den USA dachte ich: Wenn ich jetzt nach Europa zurückkehre, treffe ich auch dort ein professionelles Umfeld an. Das war eine Illusion. Ich kam nach Pomigliano und fiel aus allen Wolken. Das war ein Schock, ich dachte: O mein Gott, es hat sich nichts verändert.»
Ein Modelabel als Ablenkung
Nach dem Abstieg haben einige Spielerinnen innerhalb von Italien nach Parma, Cesena oder Sassuolo gewechselt. Andere sind nach Belgien gegangen oder in die Schweiz, wie etwa Chiara Manca, die für den FC Aarau stürmt. Emilie Gavillet hat in Slowenien bei ZNK Mura unterschrieben.
Sie fühlt sich bereit für dieses nächste Auslandabenteuer. Auch weil sie die Zeit in Pomigliano inzwischen als Lektion interpretiert. Sie sagt: «Ich weiss jetzt zum Beispiel, dass ich das Kleingedruckte in einem Vertrag unbedingt lesen muss.»
In Slowenien lebt sie als Profi, doch Fussball ist nicht ihr einziger Antrieb. Während ihrer Zeit in den USA hat sie Industriedesign und Mode studiert. Und weil sie neben den zwei Trainings pro Tag noch Zeit habe, etwas anderes zu machen, hat sie das Label IME gegründet. Unter diesem Namen, rückwärts gelesen ihr abgekürzter Vorname Emi, widmet sie sich dem Thema Upcycling. Aus alten Goalie-Handschuhen, Stulpen oder Fussballschuhen produziert sie Schlüsselanhänger, Portemonnaies, Hüte oder Taschen.
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In Pomigliano habe sie für alle Mitspielerinnen eine Tasche genäht. Diese Tasche und viele Lektionen für Profijahre, die noch kommen, nehme sie mit aus der Zeit bei einem Verein, der seit der Publikation der Spielergewerkschaft das Label «Albtraum-Club» trägt.
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