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Polizisten in Deutschland erschossen
Polizei findet Waffenarsenal und nennt Wilderei als Tötungsmotiv

Polizeibeamte sperren die Kreisstrasse 22 bei Kusel, an der zuvor zwei Polizeibeamte bei einer Verkehrskontrolle erschossen worden waren. 
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Einen Tag nach den tödlichen Schüssen auf zwei junge Polizeibeamte in Deutschland ist gegen die beiden Tatverdächtigen Haftbefehl erlassen worden. Das teilte die zuständige Staatsanwaltschaft auf einer Pressekonferenz mit. Gegen die Männer werde wegen Jagdwilderei und gemeinschaftlichen Mordes ermittelt. Die Polizei hatte am Montagabend einen 38-Jährigen und einen 32-Jährigen festgenommen. Man gehe davon aus, dass beide auf die Polizeibeamten geschossen hätten.

Zudem haben die Ermittler offenbar ein grosses Arsenal an Waffen sichergestellt, die sie bei mehreren Hausdurchsuchungen fanden. Vermutlich seien auch die Tatwaffen darunter, teilte die Polizei mit. Die Deutsche Presse-Agentur berichtete von fünf Kurzwaffen, einem Repetiergewehr, zehn weiteren Langwaffen, einer Armbrust sowie einem Schalldämpfer und Munition. Der festgenommene 38-Jährige soll Zugang zu den Waffen gehabt haben.

Kastenwagen mit vielen Tieren drin

Bei einer Verkehrskontrolle in der Nähe der Kreisstadt Kusel, nahe der Grenze zum Saarland, war am frühen Montagmorgen einer Polizeianwärterin und einem Oberkommissar in den Kopf geschossen worden. Am Abend wurden zwei Männer festgenommen. Die Tat sei noch nicht ganz rekonstruiert, teilten die Ermittler mit. Sie gehen bisher davon aus, dass die Frau mit einem Schuss aus einer Schrotflinte getötet wurde und der Mann mit vier Schüssen aus einem Jagdgewehr.

Wie sie am Dienstag mitteilten, vermuten sie, dass die beiden Verdächtigen die Polizistin und den Polizisten töteten, um zu verdecken, dass sie gewildert hatten. Damit sei das Mordmerkmal der Verdeckung einer anderen Straftat erfüllt.

Nach Angaben der Ermittler hatten die Polizeibeamten einen Kastenwagen kontrolliert und darin viele Wildtiere entdeckt. Sie setzten noch einen Funkruf ab, dass geschossen werde. Der Polizist zog seine Waffe und schoss 14-mal zurück – bis auch er getroffen wurde.

Etwa zehn Minuten später kam Verstärkung an. Die Beamten fanden ihre Kollegin tot vor dem Polizei-Zivilfahrzeug, den Kollegen schwer verletzt und nicht mehr ansprechbar dahinter in einer Böschung. Zudem fanden sie den Führerausweis und den Personalausweis eines 38-jährigen Saarländers.

Nach diesem Wildhändler aus dem saarländischen Kreis Neunkirchen wurde am Montag schliesslich öffentlich gefahndet. Er wurde laut Polizei vor dem Wohnhaus des 32-Jährigen im saarländischen Sulzbach festgenommen. Er ist nicht vorbestraft, war aber der Polizei bekannt – wegen Jagdwilderei und einer Fahrerflucht, wie am Dienstag mitgeteilt wurde. Laut Staatsanwaltschaft hat er sich zur Sache bisher nicht geäussert.

Der Deutsche Jagdverband erklärte, der 38-Jährige sei nicht im Besitz eines gültigen Jagdscheins gewesen. Nach derzeitigem Kenntnisstand habe die zuständige Behörde im Saarland seinen Antrag, erneut einen Jagdschein zu lösen, wegen fehlender Zuverlässigkeit abgelehnt. Gegen den 38-Jährigen lief im Saarland ein Insolvenzverfahren. Es gebe Hinweise darauf, dass die Wilderei möglicherweise in gewerblicher Form betrieben worden sei.

«Müssen die Hintergründe aufklären»


Nach der Festnahme des 38-Jährigen durchsuchte die Polizei das Haus, fand dort den 32-Jährigen und nahm ihn fest, wie die Ermittler mitteilten. Er habe bei den Vernehmungen eingeräumt, gewildert zu haben, auch die Schiesserei habe er bestätigt – er habe aber bestritten, selbst geschossen zu haben. Wegen Betrugsdelikten sei er bereits auffällig geworden. Die Ermittler gehen inzwischen davon aus, dass es keine weiteren Mittäter gab; zu politischen Hintergründen der Tat, etwa zu Verbindungen zur sogenannten Reichsbürger-Szene, gebe es «keinerlei Erkenntnisse».

Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz kündigte eine «sehr, sehr intensive Vernehmung» der beiden an. «Wir wollen lückenlos wissen, was dort geschehen ist», sagte der SPD-Politiker dem SWR. Es stehe der Vorwurf im Raum, dass die beiden Männer «sehr, sehr brutal zwei Polizeibeamten das Leben genommen» hätten. «Die Staatsanwaltschaft muss die konkrete Einschätzung vornehmen.»

«Wir müssen die Hintergründe der Tat schnell aufklären», forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einem Tweet. Die Tat in Kusel bedrücke ihn sehr. «Mein Mitgefühl gilt den Angehörigen der beiden jungen Opfer. Und ich denke an die vielen Polizist*innen, die jeden Tag ihr Leben riskieren, um uns Bürger*innen zu schützen.» Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) ordnete Trauerbeflaggung für das Land an, auch im Saarland wurden die Flaggen auf halbmast gesetzt. In vielen Bundesländern hängt Trauerflor an den Streifenwagen der Polizei.

«Nicht aus unseren Herzen gerissen»

Ums Leben kamen bei dem Einsatz eine 24 Jahre alte Studentin der Landespolizei-Hochschule, die laut Innenministerium ein Praktikum gemacht hatte, und ein 29 Jahre alter Oberkommissar der Polizei in Kusel. Beide stammen aus dem Saarland. Der Saarländische Fussballverband veröffentlichte eine kurze Mitteilung: «Die saarländische Fussballfamilie ist tief bestürzt und unglaublich traurig.»

Der getötete Polizist sei aktiver Fussballspieler des FC Freisen gewesen. In einer Traueranzeige des Vereins heisst es, er sei «aus dem Leben, aus unserer Mitte, aber nicht aus unseren Herzen und unserem Team gerissen» worden.

Dass sich die Polizei künftig auf Verkehrskontrollen völlig anders einstellen müsse, denke er nicht, sagte Innenminister Lewentz. «Die beiden Einsatzkräfte haben Schutzausstattung getragen und sind vorsichtig herangegangen. Was dort mit aller Brutalität abgelaufen ist, erlebt die Polizei bei den Kontrollen nicht im Normalfall.» Ein solch schreckliches Ereignis sei die Ausnahme. Es sei aber allgemein mehr Aggression gegen Einsatzkräfte festzustellen, meinte Lewentz.

«Es ist unbegreiflich, wenn Polizistinnen oder Polizisten bei der Erfüllung ihrer Aufgabe, die Bevölkerung vor Gefahren zu schützen, zum Angriffsziel werden und ihr Leben verlieren», sagte der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.