LiveNews-Ticker zur Herbstsession+++ Unbekannte stören Abstimmung im Nationalrat +++ Ausschaffungshaft für Minderjährige soll verboten werden
Am Freitagmorgen haben mehrere Personen die Schlussabstimmungen der Herbstsession gestört. Wir berichten laufend zur Session.
Das Wichtigste in Kürze
- Vom 7. bis zum 25. September halten National- und Ständerat im Berner Bundeshaus die Herbstsession ab.
- Trennwände aus Plexiglas sollen die Ratsmitglieder schützen. Das Tragen von Masken wird dringend empfohlen.
- Auf dem Programm stehen unter anderem: Covid-19-Gesetz, neue Corona-Kredite, Kulturbotschaft, Änderung des Arbeitslosengesetzes und die milliardenschwere Armeebotschaft. Die Diskussion über die AHV-Reform wurde verschoben.
Parlament stimmt für modernisiertes Erbrecht
Das fast hundertjährige Erbrecht wird modernisiert. Nach dem Ständerat hat sich am Dienstag auch der Nationalrat dafür ausgesprochen. Lebenspartnerinnen und -partner erhalten jedoch keinen Anspruch auf Unterstützung.
Das Ziel der Reform ist es, den neuen Beziehungs- und Familienformen besser Rechnung zu tragen. Patchworkfamilien mit Kindern des Partners oder der Partnerin, rechtlich nicht definierte Partnerschaften oder Zweit- und Drittehen sind weit verbreitet. Die Revision des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs soll diese Kluft zwischen Recht und Wirklichkeit verkleinern.
Justizministerin Karin Keller-Sutter gab zu bedenken, dass sich das geltende Erbrecht bewährt habe und deshalb keine «fundamentalen Neuerungen» angezeigt seien. Die Regeln sollten aber «so weit nötig» modernisiert werden.
Grundsätzlich gegen die Reform wehrte sich einzig die SVP-Fraktion. «Wir öffnen diese Büchse der Pandora besser nicht», warnte Pirmin Schwander (SZ). Das Erbrecht solle dem Familienfrieden dienen. Die Revision störe diesen. Eine Revision wäre aus Sicht der SVP einzig dann sinnvoll, wenn der Erblasser ganz frei entscheiden könnte, was mit seinem Nachlass passiert.
Mehr Freiheiten für Erblasser
So weit will der Bundesrat nicht gehen. Er setzt aber bei den Pflichtteilen an. Das ist jener Anteil am Erbe, auf den Kinder, Ehegatten oder Eltern Anspruch haben. Am Konzept wird nicht gerüttelt: Wer ein Vermögen hinterlässt, kann auch in Zukunft nur mit Einschränkungen bestimmen, wer welchen Anteil daran hält.
Erblasser können aber künftig über einen grösseren Teil des Nachlasses frei verfügen. Der Pflichtteil für die Nachkommen wird verkleinert. Heute stehen Kindern vom gesetzlichen Erbteil drei Viertel als Pflichtteil zu. Mit einem überlebenden Ehegatten müssen sie diesen Anspruch teilen. Neu wird der Pflichtteil der Kinder auf die Hälfte reduziert, jener für die Eltern wird gestrichen.
Der Pflichtteil des Ehepartners oder des eingetragenen Partners wird bei der Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs belassen. Das Parlament stimmte diesen Änderungen ohne grosse Diskussion zu.
Pflichtteil für Lebenspartner gescheitert
Der Bundesrat schlug auch vor, eine Regelung für Lebenspartnerinnen und -partner zu erlassen. Diese gehen heute leer aus, wenn der Erblasser keine entsprechenden Anordnungen getroffen hat. Der Bundesrat wollte ihr Existenzminimum mit einem Unterstützungsanspruch sichern, sofern das Paar mindestens fünf Jahre zusammengelebt hat. Das Parlament strich jedoch diese Regelung.
Unumstritten waren verschiedene andere Änderungen, die sich aus der Praxis der vergangenen Jahrzehnte aufdrängen. So soll der überlebende Ehegatte keinen Pflichtteilsanspruch geltend machen können, wenn eine Person während eines Scheidungsverfahrens stirbt. Der Nationalrat präzisierte, dass in solchen Fällen die Pflichtteile gelten, wie wenn der Erblasser nicht verheiratet wäre. Detailänderungen schlägt der Nationalrat auch beim Ehevertrag vor.
Lesen Sie unseren Kommentar dazu: Die Revision des Erbrechts verschärft die Missbrauchsgefahr
Parlament spricht 560-Millionen-Franken-Kredite für IT des Bundes
Kredite von insgesamt 560 Millionen Franken für neue Software für die Geschäftsprozesse der Bundesverwaltung sind unter Dach und Fach. Nach dem Nationalrat hat am Dienstag auch der Ständerat zwei Verpflichtungskrediten zugestimmt.
Ohne Gegenstimme bewilligte die kleine Kammer 320 Millionen Franken für das zivile Programm «Superb» und 240 Millionen Franken für das militärische Programm «ERP Systeme V/ar». Sie folgte dabei der Vorlage des Nationalrats, der in Ergänzung zum Bundesrat zwei Änderungen beschlossen hatte.
So wird die schrittweise Freigabe der Verpflichtungskredite gestrichen. Dafür soll die Steuerung verbessert werden, vor allem in Streitfällen: Können sich die beteiligten Bundesämter und Departemente nicht einigen, soll der oder die Programmverantwortliche eine Weisung erlassen können.
Zudem muss der Bundesrat dem Parlament bis Ende Jahr einen Bericht vorlegen zu den Nutzen- und Synergiepotenzialen der Programme. Die einzelnen Verwaltungseinheiten sollen auf Empfehlung der Finanzkontrolle die erwarteten Nutzen- und Synergiepotenziale bis Ende 2021 offenlegen, damit die Zielerreichung geprüft werden kann.
«Mehr als ein Informatikprojekt»
Die Umstellung ist nötig, weil die heute in der Bundesverwaltung eingesetzten SAP-Systeme vom Hersteller per Ende 2027 nicht mehr unterstützt werden. Es handle sich um mehr als eines der grössten Informatikprojekte der Bundesverwaltung, sagte Finanzminister Ueli Maurer. Die Vorlage sei ein Prozess, der die Verwaltungsarbeit in vielen Bereichen neu regle.

Als Folge müssen in der ganzen Verwaltung die meisten betroffenen Geschäftsprozesse und Anwendungen angepasst beziehungsweise migriert werden. Inklusive Eigenleistungen kostet die Umstellung 780 Millionen Franken.
Das Grossprojekt soll in der Verwaltung laut Maurer auch «Silos auflösen», war doch die Steuerung von IT-Projekten über die Departemente hinweg in der Vergangenheit sehr oft ungenügend und führte mehrmals zum Fiasko. «Wenn wir schon so viel Geld einsetzen, muss ein Effizienzgewinn herausschauen», so der Finanzminister. Ziel seien Einsparungen und bessere Prozesse. Die Umsetzung des Projektes sei trotz Corona-Pause gut unterwegs, auch kostenmässig.
Ständerat nimmt ETH-Gesetz an – schafft aber Differenzen
Der Ständerat hat am Dienstag dem ETH-Gesetz zugestimmt. Anders als der Nationalrat will er den Hochschulen jedoch kein Beschwerderecht gegen Entscheide des ETH-Rats einräumen.
Der Ständerat folgte mit diesem Entscheid dem Bundesrat, der ein Beschwerderecht ausdrücklich ausschliessen möchte. Damit solle Rechtssicherheit geschaffen werden, sagte Bildungsminister Guy Parmelin im Rat.

Die Rechtsunsicherheit entstand, weil das Bundesverwaltungsgericht überraschend auf eine Beschwerde der ETH gegen den ETH-Rat eingetreten war. Statt an ein Gericht zu gelangen, könnten die Hochschulen ein Wiedererwägungsgesuch an den ETH-Rat stellen oder mit einer Aufsichtsbeschwerde an den Bundesrat gelangen, befand der Ständerat mit 24 zu 16 Stimmen. Damit bleibt diese Differenz zum Nationalrat bestehen.
Eine neue Differenz zum Nationalrat schuf der Ständerat mit der Annahme eines Einzelantrags von Thomas Hefti (FDP/GL). Hefti schlug vor, dass die ETH-Beschwerdekommission künftig vom Bundesrat und nicht vom ETH-Rat gewählt werden soll. Das heutige Wahlverfahren entspreche nicht den Prinzipien von Good Governance, argumentierte Hefti. Die Mehrheit des Ständerats stimmte diesem Einzelantrag mit 29 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung zu.
Totalrevision des ETH-Gesetzes
Mit der Überarbeitung des ETH-Gesetzes werden neben der Aufsichtskompetenz des ETH-Rats unter anderem Leitsätze der Corporate Governance zu Stimmrecht und Ausstand im ETH-Rat geregelt. Es handelt sich um Empfehlungen der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK). ETH-Rat und Institutionen sollen damit mehr Rechtssicherheit erhalten, dabei aber ihre Autonomie behalten.
So ist vorgesehen, dass der ETH-Rat den ETH in Zürich und Lausanne und Forschungsanstalten Empfehlungen abgeben, Aufträge erteilen oder gegen sie Massnahmen ergreifen kann, wenn eine Rechtsverletzung festgestellt worden ist. Mit der Revision soll auch die rechtliche Grundlage dafür geschaffen werden, dass die ETH überschüssige Energie weiterverkaufen können, welche ETH-Bereiche gekauft oder produziert haben.
Bei Bildungs- und Forschungsförderung sind noch Punkte umstritten
Das Parlament stellt für Bundesbeiträge an die Berufsbildung in den Jahren 2021 bis 2024 mehr Geld zur Verfügung als der Bundesrat beantragt hat. In einigen Punkten sind sich die Räte aber noch nicht einig.
Eine Differenz betrifft die Erhöhung eines Verpflichtungskredites für die berufliche Bildung um 20 Millionen Franken. Der Nationalrat hatte sie vergangene Woche in die Botschaft zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation (BFI) aufgenommen. Der Ständerat beharrte am Dienstag jedoch auf dem tieferen Beitrag.
Mit 28 zu 14 Stimmen folgte er dem Bundesrat, auf Antrag einer knappen Minderheit. Deren Sprecher Jakob Stark (SVP/TG) argumentierte, dass wegen Corona-Krise Mittel knapp würden. Aus der Branche sei zudem zu hören, dass ein Eingreifen mit diesen 20 Millionen Franken nicht angezeigt sei.
Eine weitere Differenz haben die Räte bei den Krediten zu Gunsten von Forschungseinrichtungen von nationaler Bedeutung. Der Ständerat lehnte nun aber mit 24 zu 18 Stimmen die Aufstockung des Nationalrats um 12 Millionen Franken ab.
Ständerat will keine 15 Millionen Franken für die ETH
Die zusätzlichen Mittel will der Nationalrat dem 3R Kompetenzzentrum Schweiz zufliessen lassen. Dieses will Tierversuche in der Forschung ersetzen, verringern und verbessern. Die Mehrheit im Ständerat lehnte die Erhöhung ab.
Auch nicht einverstanden ist der Ständerat mit den vom Nationalrat gewährten zusätzlichen 15 Millionen Franken für den ETH-Bereich, zu Gunsten der Raumplanung. Germann warnte namens der Bildungskommission vor einem Eingriff in die Autonomie der ETH.
Nationalrat will IKRK ausdrücklich von Terror-Gesetz ausnehmen
Im Kampf gegen den Terrorismus verschärft das Parlament das Strafrecht. Noch sind sich National- und Ständerat aber nicht über alle Details einig geworden. Eine Differenz betrifft die ausdrückliche Ausnahme von der Strafbarkeit für humanitäre Organisationen.
Eine solche hatte der Nationalrat beim Artikel über Beteiligung oder Unterstützung an einer Terrororganisation eingefügt. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) erwähnt er dabei ausdrücklich. Das lehnte der Ständerat ab, weil er befürchtet, dass die Organisation Terroristen als Deckmantel dienen könnte.
Der Nationalrat hat am Montag jedoch mit 111 zu 75 Stimmen an seiner Version festgehalten. Es wäre völlig unverständlich, wenn die Schweiz als Heimatland des IKRK die Organisation nicht von der Strafbestimmung ausnehmen würde, sagte Mitte-Sprecher Martin Candinas (CVP/GR). Ein Fahrer des IKRK, der seinen Lastwagen für Waffentransporte missbrauche, profitiere ohnehin nicht von der Ausnahme, erklärte Léonore Porchet (Grüne/VD).
Die SVP und die Mehrheit der FDP-Fraktion halten die Bestimmung für unnötig, weil keine entsprechenden Verfahren bekannt sind. Auch der Bundesrat lehnt die Ausnahme ab: Die Hilfe für Opfer bewaffneter Konflikte müsse straflos bleiben, sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter. Eine generelle Strafausschlussklausel gehe jedoch zu weit, Einzelfälle müssten gerichtlich beurteilt werden können.

Rechtliche Handhabung gegen «Flegel-Passagiere»
«Flegel-Passagiere» sollen künftig einfacher rechtlich belangt werden können. Der Nationalrat hat am Montag als Erstrat die entsprechende Anpassung des sogenannten Abkommens von Tokio einstimmig gutgeheissen.
Bisher konnten renitente Flugzeugpassagiere gerichtlich oft nicht belangt werden. Es gab keine gerichtlichen Zuständigkeiten in den Staaten, in dem ein Flugzeug zur Landung gezwungen war. Im Protokoll ist deshalb neu eine zusätzliche obligatorische Gerichtsbarkeit für Halter- und für Lande-Staaten vorgesehen. Dieses enthält auch eine Liste der schwersten Straftaten. Ausserdem sieht das Protokoll Schadenersatzansprüche gegenüber der Person vor, die wegen ihres Verhaltens ausgeladen werden musste.
95 Millionen Franken für Neubau von UNO-Gebäude
Der Bundesrat will den Abriss und Neubau eines UNO-Gebäudes am Sitz der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) in Genf mit einem Darlehen in Höhe von 95,6 Millionen Franken mitfinanzieren. Der Nationalrat hat dem Kredit am Montag zugestimmt. Das Projekt soll im Jahr 2026 abgeschlossen sein.

Die 1865 gegründete ITU ist eine UNO-Sonderorganisation für Informations- und Kommunikationstechnologien. Die ITU teilt weltweit Funkfrequenzen zu und fördert die Verbesserung des IT-Zugangs für benachteiligte Bevölkerungsgruppen.
Notwendig wird der Abriss und Neubau, weil das Gebäude nicht mehr den geltenden Normen im Bereich Brandschutz, Erdbebensicherheit und Wärmedämmung entspricht. Mit dem Bau soll im Jahr 2022 begonnen werden. Dieser soll rund fünf Jahre dauern.
Rückzahlbar innert 50 Jahren
Eine Unterstützung des Projekts liegt laut Aussenminister Ignazio Cassis im Interesse der Schweiz. Das schaffe gute Rahmenbedingungen für die internationale Diplomatie und die internationalen Organisationen. Zudem seien Immobilienprojekte eine Visitenkarte für Genf. Schliesslich profitierten oft Schweizer Unternehmen davon.
Das Darlehen soll innerhalb von 50 Jahren zurückbezahlt werden. Das Parlament hatte 2016 bereits ein Darlehen von 12 Millionen Franken zur Finanzierung einer Projektstudie bewilligt. Der Kanton Genf beteiligt sich mit 42,4 Millionen Franken am Projekt. Die Vorlage geht nun an den Ständerat.
Coronavirus: Der Ständerat in Kürze
Covid-Gesetz
Die Räte feilschen weiter an den Details der Corona-Finanzhilfe für «vergessene Branchen» und Selbstständigerwerbende. Nach drei Beratungsrunden sind sich National- und Ständerat in zwei Punkten nicht einig geworden. Nun befasst sich die Einigungskonferenz mit diesen verbleibenden Differenzen.
Der Ständerat hat bei der dritten Beratung am Montag konkretisiert, welche Selbstständigerwerbenden anspruchsberechtigt sein sollen. Als massgeblich eingeschränkt gelten demnach Personen, die in ihrer Unternehmung eine Umsatzeinbusse von mindestens 65 Prozent im Vergleich zum Umsatz in den Jahren 2015 bis 2019 haben. Auch die Härtefallmassnahmen für Unternehmen der Event-, Reise- und Tourismusbranche und für Schausteller hat die kleine Kammer konkretisiert. Dem neuen Vorschlag zufolge liegt ein Härtefall vor, wenn der Jahresumsatz unter 60 Prozent des mehrjährigen Durchschnitts liegt. Über den Antrag der Einigungskonferenz entscheiden die Räte in den nächsten Tagen.
Kitas
Von den Corona-Finanzhilfen für die familienergänzende Kinderbetreuung sollen nicht mehr Institutionen profitieren als bisher. Der Ständerat hat eine entsprechende Motion seiner Bildungskommission (WBK) abgelehnt. Der Vorstoss ist damit vom Tisch. Der Nationalrat hatte vergangene Woche einer gleichlautenden Motion zugestimmt. Gemäss dem Vorstoss sollen auch Institutionen berücksichtigt werden, die vom Kanton oder von der Gemeinde Subventionen erhalten oder von der öffentlichen Hand betrieben werden. Bisher wurden nur private Kitas unterstützt. Die Gegner gaben wie der Bundesrat zu bedenken, dass die familienergänzende Kinderbetreuung in erster Linie Sache der Kantone und Gemeinden sei.
Entschädigung bei Behinderung
Der Bundesrat soll im Hinblick auf eine künftige Krisensituation abklären, wie Eltern und andere Angehörige von Erwachsenen mit einer Behinderung umfassender entschädigt werden könnten. Der Ständerat hat dazu ein Postulat von Marianne Maret (CVP/VS) angenommen - mit 28 zu 10 Stimmen bei einer Enthaltung. Maret kritisierte, dass die Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall nicht alle Eltern und Angehörige von Erwachsenen mit einer Behinderung berücksichtigt habe. Vielen sei der aufgelaufene Erwerbsausfall nicht im Rahmen der Erwerbsersatzordnung (EO) entschädigt worden. Sozialminister Alain Berset gab erfolglos zu bedenken, dass eine Ausweitung des Anspruchs für die Behörden einen erheblichen Aufwand bedeuten würde.
Kein Bericht zu Trinkwasser-Belastung
Der Bundesrat muss keinen Bericht abliefern zur Belastung des Trinkwassers mit Rückständen des seit Anfang Jahr verbotenen Chlorothalonil. Der Ständerat hat ein Postulat von Adèle Thorens Goumaz (Grüne/VD) mit 22 zu 21 Stimmen abgelehnt. Thorens Goumaz hatte einen Zustandsbericht verlangt und unter anderem wissen wollen, wie lange die Sanierungen dauern würden und welche Lösungen der Bund als Verursacher der Verunreinigung in Sachen Finanzierung vorschlage. Der Bundesrat lehnte das Postulat ab, weil die Fragen schon in Klärung seien. Der Bund habe nicht die Absicht, an die Sanierungskosten etwas beizusteuern, sagte Gesundheitsminister Alain Berset im Rat.
Deklarationspflicht für Brot
Der Ständerat will für Brot und Backwaren eine Deklarationspflicht einführen: Das Produktionsland soll für Kundinnen und Kunden gut sichtbar angegeben werden. Die kleine Kammer hat dazu stillschweigend eine Motion ihrer Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) angenommen. Der Bundesrat ist ebenfalls damit einverstanden. Angesichts der steigenden Importe von Backwaren nehme die Bedeutung von deren Rückverfolgbarkeit zu, begründete Kommissionssprecherin Andrea Gmür-Schönenberger (CVP/LU) die Motion. Die Qualität der ausländischen Produkte hinke oft hinter derjenigen von einheimischen Backwaren her. Als nächstes entscheidet der Nationalrat.
Nationalrat bewilligt 14,4 Milliarden Franken für das Bahnnetz
Der Nationalrat ist einverstanden damit, mehr Geld als bisher ins Schienennetz zu investieren. Mit grosser Mehrheit hat er am Montag 14,4 Milliarden Franken für die nächsten vier Jahre bewilligt. Das sind 1,2 Milliarden Franken mehr als bisher.

Die zusätzlichen Mittel sollen dazu beitragen, die Verfügbarkeit und die Qualität des Netzes zu verbessern und damit den Bahnverkehr zu stabilisieren. Zudem soll der höhere Bedarf bei Fahrbahn, Bahnhöfen, Sicherungsanlagen, Brücken und Tunnels sowie bei den Anforderungen des Behindertengleichstellungsgesetzes und des Umwelt- und Naturschutzes gedeckt werden.
Mit dem Geld aus dem Zahlungsrahmen 2021-2024 können Bahnunternehmen zum Beispiel Gleisabschnitte, Brücken oder Signalanlagen sanieren. Damit wird die Substanz des Schienennetzes erhalten. Dieses soll aber auch modernisiert und bei Bedarf auf den aktuellen Stand der Technik gebracht werden können.
Hohe Unterhaltskosten
Mit rund 11,5 Milliarden Franken ist der grösste Teil des Zahlungsrahmens für Erneuerungen vorgesehen. Für Betriebsabgeltungen werden rund 2,1 Milliarden Franken eingesetzt. Rund 350 Millionen Franken sind für Optionen und als Reserve für unvorhersehbare Ausgaben vorgesehen. Mit 500 Millionen Franken werden netz- und unternehmensübergreifende Aufgaben finanziert, zum Beispiel bei der Kundeninformation, dem Zugbeeinflussungssystem ETCS oder beim Bahnstrom.
Die Ausgaben für den Betrieb und den Substanzerhalt der Bahninfrastruktur werden vollumfänglich aus dem Bahninfrastrukturfonds (BIF) finanziert. Sie belasten den Bundeshaushalt nicht.
Kürzung abgelehnt
Ein Antrag aus der SVP, den Kredit um rund 500 Milliarden Franken zu kürzen, scheiterte mit 139 zu 50 Stimmen. Benjamin Giezendanner (SVP/AG) hatte argumentiert, der Zustand der Bahninfrastruktur sei gut. Für den Erhalt würden die bisherigen Mittel ausreichen. Giezendanner warnte auch, dass dem BIF wegen der Corona-Krise die Mittel ausgehen könnten.
Die Kürzung sei nicht mit den Vorgaben vereinbar, sagte Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga. Sie warnte auch davor, ausgerechnet in der Corona-Krise Mittel zu kürzen, die zum grössten Teil Schweizer Unternehmen zugute kämen.
Der Nationalrat stimmte auch einen Rahmenkredit von 300 Millionen Franken für Investitionsbeiträge an private Güterverkehrsanlagen in den nächsten vier Jahren zu. Damit soll der Gütertransport auf der Schiene und die Verlagerung des Güterverkehrs durch die Alpen gefördert werden. Dieser Kredit wird nicht aus dem BIF finanziert, sondern über die Mineralölsteuer und weiteren für den Strassen- und Luftverkehr zweckgebundener Mittel.
Beide Vorlagen gehen nun an den Ständerat.
Parlament verabschiedet Legislaturplanung
Das Parlament hat die Legislaturplanung 2019-2023 angenommen. Nach dem Ständerat hat am Montag auch der Nationalrat über die Vorschläge der Einigungskonferenz entschieden – und alle Vorschläge angenommen.
Nur bei zwei von insgesamt 26 Differenzen zwischen National- und Ständerat war die Einigungskonferenz dem Ständerat gefolgt und nicht dem Nationalrat. Entsprechend gross war die Zufriedenheit in der grossen Kammer über die nun vorliegende Version der Legislaturplanung. Dies bewegte die FDP-Fraktion dazu, kommentarlos allen Änderungsanträgen zuzustimmen und gar nicht mehr das Wort zu ergreifen.
Auch die Grünliberalen zeigten sich mit der nun vorliegenden Planung zufrieden. Kathrin Bertschy (GLP/BE) bemängelte jedoch, dass die Legislaturplanung des Bundesrats zu wenig visionär ausfalle. Es mangle der Schweiz ja nicht an Herausforderungen, die eine ambitioniertere Planung verlangt hätten – gerade beim Klimaschutz.
Die SP stimmte wie die Grünliberalen ebenfalls allen Vorschlägen der Einigungskonferenz zu, nutzte aber die Gelegenheit, dem Bundesrat ins Gewissen zu reden: «Der Bundesrat steht nun in der Pflicht, auch gemäss dieser Planung zu handeln. Die hier angenommenen Massnahmen haben die Rechtswirkung einer Motion und sind entsprechend verpflichtend», sagte Tamara Funiciello (SP/BE).
Individualbesteuerung und Heiratsstrafe
Zu Diskussionen im Rat führte die vorgesehene Verabschiedung der Botschaft zur Einführung der Individualbesteuerung. Leo Müller (CVP/LU) wies darauf hin, dass zuerst die Abschaffung der Heiratsstrafe Tatsache sein müsse. Und er gab zu bedenken, dass mit der Einführung einer Individualbesteuerung zusätzlich 1,6 Millionen Steuerdossiers zu behandeln wären.
Auch die SVP wehrte sich gegen eine solche Botschaft. Gegen die Argumente von SVP- und Mitte-Fraktion wehrten sich Grüne und SP: «Wer als Familie Steuern optimieren will, wird in ein konservatives Familienmodell gedrängt: Er verdient die Brötchen, sie bleibt zu Hause,» argumentierte Franziska Ryser (Grüne/SG). Schliesslich stimmte der Rat mit 115 zu 81 Stimmen bei 3 Enthaltungen auch hier der Einigungskonferenz zu.
Schwerpunkte, Leitlinien und Massnahmen
Insgesamt umfasst die Legislaturplanung drei Leitlinien, 18 Legislaturziele und 53 Massnahmen. Der Bundesrat entschied sich für die Jahre 2019- 2023 für die folgenden Schwerpunkte: «Die Schweiz sichert ihren Wohlstand und nutzt die Chancen der Digitalisierung sowie der nachhaltigen Entwicklung», «Die Schweiz fördert den nationalen Zusammenhalt und leistet einen Beitrag zur Stärkung der internationalen Zusammenarbeit» und «Die Schweiz sorgt für Sicherheit, engagiert sich für den Schutz des Klimas und agiert als verlässliche Partnerin in der Welt.»
Was diese allgemein gehaltenen Ziele im Detail beinhalten, steht im Bundesbeschluss über die Legislaturplanung, den das Parlament nun angenommen hat.
Alle vier Jahre eine lange Debatte
Die Mitwirkung des Parlaments bei der Legislaturplanung führt jeweils zu langen Debatten in National- und Ständerat. Deshalb wurde vor zwei Jahren diskutiert, ob die Mitwirkung des Parlaments eingeschränkt werden soll.
Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK) schlug damals vor, dass das Parlament den Bericht des Bundesrats zur Legislatur zur Kenntnis nehmen soll. Dem Parlament solle aber die Möglichkeit eingeräumt werden, weitere Anträge zu stellen.
Der Bundesrat winkte aber ab: Er befürchtete, mit den zusätzlichen Anträgen würde das Verfahren noch aufwendiger. Schlussendlich zog die SPK ihren Vorschlag wieder zurück.
Der Bundesrat will illegalen Handel mit international geschützten Tieren und Pflanzen härter bestrafen. Er hat dem Parlament am Freitag eine Gesetzesänderung mit diesem Ziel vorgelegt. Diese sieht vor, dass schwere Fälle künftig als Verbrechen behandelt werden.
Ein schwerer Fall liegt dann vor, wenn die Täter gewerbs- oder bandenmässig handeln oder eine grosse Anzahl von geschützten Exemplaren betroffen ist. In der Botschaft ist von Mengen wie hundert Kilogramm Elfenbein oder mehr als fünfzig Schals der Tibetantilope die Rede. Die Höchststrafe beträgt in diesen Fällen bis zu fünf Jahre Gefängnis.
Nicht schwere, aber vorsätzlich begangene Taten sollen künftig als Vergehen statt wie bisher als Übertretung gelten und mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft werden.
Neu gilt zudem eine Informationspflicht für Personen, die Exemplare geschützter Arten in der Presse oder im Internet anbieten: Sie dürfen nicht mehr anonym bleiben und müssen Informationen zu den angebotenen Exemplaren bereitstellen.
Zuchtbetriebe müssen neu eine Bestandeskontrolle führen. Ziel ist es, dem «Weisswaschen» wilder Exemplare in Zuchten einen Riegel zu schieben. Weiter werden die Regeln für die Einziehung präzisiert. Schliesslich soll die Kompetenz des Bundes ausgedehnt werden, für gewisse Tier- und Pflanzenarten Einfuhrverbote zu erlassen.
Mit der Änderung des Bundesgesetzes über den Verkehr mit Tieren und Pflanzen geschützter Arten (BGCITES) kommt der Bundesrat einer Forderung des Parlaments nach. Das Gesetz setzt das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (Cites-Übereinkommen) um. Die Schweiz ist seit 1975 Vertragsstaat.
Der Handel ist beträchtlich: Nach Angaben des Bundesrats gelangen im Durchschnitt jährlich rund 1,4 Millionen Pflanzen und 1000 lebende Tiere, die im Cites aufgeführt sind, in die Schweiz. Hinzu kommen rund eine Million Uhrenarmbänder, 60'000 Paar Schuhe und zehn Tonnen Kaviar.
Widerstand gegen Schengen-Datenbank
Der Nationalrat lehnt die Teilnahme der Schweiz an der ausgebauten Schengen-Datenbank SIS ab. Die Vorlage ist am Donnerstag am Widerstand von SVP, SP und Grünen gescheitert.
Die Abstimmung fiel mit 79 zu 74 Stimmen bei 38 Enthaltungen aus. Die Nein-Stimmen kamen von SVP und Grünen, die SP enthielt sich. Die Fraktionen hatten unterschiedliche Gründe für ihre Vorbehalte.
Für die SVP ging es um die Übernahme von EU-Recht und um das Verhältnis der neuen Regeln zur automatischen Landesverweisung. Die Linke kritisierte, dass mit der SIS-Vorlage auch gleich noch das Ausländerrecht verschärft werde. Justizministerin Karin Keller-Sutter bestritt dies.
Die Schweiz ist als Schengen-Staat zur Übernahme des neuen EU-Rechts verpflichtet. Die Umsetzungsfrist vom 20. November 2020 kann ohnehin nicht mehr eingehalten werden. Mit der Ablehnung durch den Nationalrat verzögert sich die Umsetzung weiter.
Die Vorlage geht nun an den Ständerat. Tritt dieser darauf ein, geht der Entwurf zurück an den Nationalrat. Spricht sich die grosse Kammer erneut dagegen aus, ist die SIS-Vorlage vom Tisch.
Gegenvorschlag zur Transparenzinitiative abgelehnt
Der Nationalrat hat den indirekten Gegenvorschlag zur Transparenzinitiative am Donnerstag mit 168 zu 18 Stimmen bei 9 Enthaltungen abgelehnt. Zuvor war das Gesetz des Ständerats entschärft worden, was die Linken dazu bewegte, die Vorlage abzulehnen.
SP-Nationalrätin Samira Marti (BL) argumentierte insbesondere für eine Offenlegungspflicht der Namen der Spenden. «Ohne eine Namensnennung ist dies kein Gegenvorschlag zur Transparanzinitiative. Da eine Mehrheit im Nationalrat die Anonymität von Spendern beibehalten will, wird die SP in der Gesamtabstimmung die Vorlage ablehnen.»
Auch Nadine Masshardt (SP/BE) erklärte, die SP nehme die nur Vorlage nur an, wenn die Offenlegung der Namen von Grossspendern nicht gestrichen wird, wie dies eine Mehrheit von der vorberatenden Staatspolitischen Kommission (SPK) vorgeschlagen wird.
Schliesslich stimmten alle Fraktionen ausser die FDP gegen den indirekten Gegenvorschlag. Die Vorlage geht nun zurück an den Ständerat.
Abgabe für Privatflüge: Ständerat schlägt Kompromiss vor
Geht es um die CO2-Abgabe für private Flüge, hat der Ständerat dem Nationalrat in der letzten Beratungsrunde zum CO2-Gesetz eine Brücke gebaut. Er will die Abgabe nicht mehr pauschal erheben, sondern ebenfalls gestaffelt. Die Vorlage muss nun in die Einigungskonferenz.
Denn der Nationalrat will für private Flüge eine Abgabe zwischen 500 und 5000 Franken, der Ständerat will nun eine Spanne von 500 bis 3000 Franken. «Dieser Kompromiss ist politisch und wirtschaftlich vertretbar», sagte Damian Müller (FDP/LU) namens der Umweltkommission. Der Antrag wurde oppositionslos genehmigt.
Bei der Berechnung der Abgabe sollen das Gewicht des Flugzeuges, die Flugdistanz und auch die Wettbewerbsfähigkeit des Flugplatzes einbezogen werden. Fällig wird die Abgabe ab einer höchstzulässigen Startmasse von 5700 Kilogramm. Hier sind sich die Räte schon einig.
Auch schon geeinigt haben sich die Räte bei der Abgabe für Passagiere von Linien- und Charterflügen. Diese Reisenden sollen in Zukunft zwischen 30 und 120 Franken extra bezahlen müssen, je nach Reisedistanz und Klasse.
Transparenzinitiative: Nationalrat tritt auf Gegenvorschlag ein
Ja, es brauche Regeln für die Parteienfinanzierung. Nach dem Ständerat ist am Donnerstagvormittag auch der Nationalrat auf ein Geschäft eingetreten, das bei der Finanzierung von Parteien, Kampagnen und Abstimmungen auf nationaler Ebene Gesetze schaffen will.

Die grosse Kammer beschloss mit 136 zu 57 Stimmen bei einer Enthaltung, auf die entsprechende Vorlage einzutreten. Nun feilscht der Nationalrat um die Details.
Kleine Kammer mit Gegenvorschlag
Auf dem Tisch liegt ein Gesetzestext des Ständerats. Die grosse Kammer empfiehlt die Transparenzinitiative zwar zur Ablehnung, beschloss aber in der Wintersession einen indirekten Gegenvorschlag. Das Ziel: Mit einer Gesetzesänderung soll der Initiative der Wind aus den Segeln genommen werden.
Die Gesetzesänderung verlangt, dass die Parteien im National- und Ständerat einmal im Jahr ihre Einnahmen und Spenden im Wert von mehr als 25'000 Franken pro Person offenlegen müssen.
Zudem sollen Einzelpersonen, die eine Wahlkampfkampagne führen, ihre Einnahmen und Ausgaben offenlegen müssen, wenn sie mehr als 250'000 Franken dafür ausgeben. Ständerätinnen und Ständeräte sollen hingegen nicht öffentlich bekannt machen müssen, wie viel Geld sie in den Wahlkampf investieren und wer diesen finanziert.
«Es besteht Handlungsbedarf»
Die Transparenzinitiative geht weiter: Sie verlangt, dass Spenden von mehr als 10'000 Franken für eine nationale politische Partei, einen Wahlkampf oder für nationale Abstimmungskampagnen öffentlich deklariert werden müssen und nicht mehr anonym getätigt werden dürfen.
Am Donnerstagvormittag war nun der Nationalrat am Zug. Für die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK) argumentierte Damien Cottier (FDP/NE) für ein Eintreten auf das Geschäft. «Transparenz und die Glaubwürdigkeit sind in der Politik ein hohes Gut. Es braucht Regeln, um das Vertrauen in die Politik zu stärken.» Die Schweiz sei von mehreren internationalen Organisationen aufgefordert worden, bei der Parteienfinanzierung Transparenz zu schaffen. «Es besteht also Handlungsbedarf.»
SVP und CVP gegen Eintreten
Gegen ein Eintreten auf die Vorlage sprachen sich die SVP und die CVP aus. Gregor Rutz (SVP/ZH) sprach von einer Absurdität, die kaum zu überbieten sei. «Sie wollen, dass sich alle auf die Unterhosen ausziehen müssen. Das Vertrauen in der Schweiz in die Politik ist nicht schlecht. Ich habe zudem noch nie von einem Fall von Korruption in der Schweizer Politik gehört.»
Marianne Binder-Keller (CVP/AG) sprach von einem «administrativen Monster», das hier mit diesem Gesetz geschaffen werde. Aufwand und Ertrag stimmten nicht überein. Zudem müssten die Folgen einer solchen Gesetzgebung bedacht werden, wie eine mögliche staatliche Parteienfinanzierung.
Lieber im Gesetz als in der Verfassung
Justizministerin Karin Keller-Sutter erklärte, der Bundesrat stehe einer Regelung auf Bundesebene weiterhin skeptisch gegenüber. «Die Umsetzung wäre schwierig.» Zudem dürfe der administrative Aufwand nicht unterschätzt werden.
Der Bundesrat ziehe jedoch eine Gesetzeslösung vor einer Festsetzung der Regeln in der Bundesverfassung, wie dies die Transparenzinitiative verlangt, vor. Entsprechend empfehle der Bundesrat, auf das Geschäft einzutreten.
Uneinigkeit bei Regeln zur Datenbearbeitung
Nach drei Jahren Ratsdebatte soll die Totalrevision des Datenschutzgesetz bis zum Ende der Herbstsession bereinigt sein. In einem Kernpunkt, dem Umgang mit der automatisierten Bearbeitung von Personendaten, herrscht aber noch immer Uneinigkeit. Die Vorlage ist absturzgefährdet.
Es geht um das sogenannte Profiling, mit dem bestimmte Aspekte einer Person bewertet werden sollen. Ein Beispiel sind Onlineshops, die das Surfverhalten von Nutzern und Nutzerinnen analysieren und diesen dann Kaufempfehlungen unterbreiten.
Abgeschwächte Variante
Der Bundesrat wollte diese Art der Datenbearbeitung an strengere Bedingungen knüpfen, was der Nationalrat bei seiner ersten Beratung im vergangenen Herbst ablehnte. Der Ständerat brachte dann einen Vorschlag ein, der weniger strenge Regeln für Unternehmen vorsieht. Er will unterscheiden zwischen normalem Profiling und Profiling «mit hohem Risiko», für das eine ausdrückliche Einwilligung nötig wäre.
Wenn Firmen Daten von Personen sammeln, sollen sie sich nur dann an verschärfte Vorschriften halten müssen, wenn mit der Datenverknüpfung wesentliche Aspekte der Betroffenen beurteilt werden können. Oder anders gesagt: wenn Daten verschiedener Herkunft systematisch verknüpft werden oder Rückschlüsse auf unterschiedliche Lebensbereiche zulassen.
«Eine unendliche Geschichte»
«Es ist eine unendliche Geschichte, die wir hoffentlich langsam auf die Zielgerade bringen», sagte Cédric Wermuth (SP/AG). Seine Fraktion plädierte am Donnerstag – zusammen mit den Grünen, der GLP und einigen Abweichlern der Mitte- und der FDP-Fraktion – dem Kompromissvorschlag des Ständerats zu folgen. Dieser schaffe Rechtssicherheit und gewährleiste ein dem geltenden Recht entsprechendes Datenschutzniveau.
Die grosse Kammer lehnte das aber ab. Sie beschloss mit 98 zu 88 Stimmen bei 5 Enthaltungen, an der ursprünglichen Lösung festzuhalten. Demnach ist auf besondere Voraussetzungen für das Profiling zu verzichten, namentlich auf die ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person.
«Swiss finish» befürchtet
Die Lösung des Ständerats hält eine Kommissionsmehrheit für «nicht überzeugend», wie Nationalrat Matthias Samuel Jauslin (FDP/AG) im Namen der Kommission sagte. Mit der Einführung des Begriffs «Profiling mit hohem Risiko» werde ein «Swiss finish» befürchtet, der negative Folgen für die Schweizer Wirtschaft haben könnte.
Die Mitte-Fraktion schloss sich dieser Argumentation mehrheitlich an. Der Vorschlag des Nationalrats sei rechtssicherer und wirtschaftsfreundlicher als jener des Ständerats, sagte Marco Romano (CVP/TI). Das heutige Schutzniveau bleibe bestehen.
Umstrittenes Widerspruchsrecht
Der Nationalrat lehnt weiterhin auch ein Widerspruchsrecht gegen das Profiling ab – mit 105 zu 84 Stimmen bei 2 Enthaltungen. Es gebe bereits heute ein solches Recht, argumentierte Jauslin im Namen der Kommissionsmehrheit. Ein zusätzlicher Artikel sei unnötig.
Auch eine dritte Differenz zwischen National- und Ständerat bleibt bestehen. Der Nationalrat möchte bei den Bonitätsprüfungen, dass Personendaten über zehn Jahre zurückverfolgt werden dürfen, um die Kreditwürdigkeit einer Person abzuschätzen. Dieser Entscheid fiel mit 104 zu 87 Stimmen bei einer Enthaltung. Der Ständerat möchte diesen Zeitraum wie der Bundesrat auf fünf Jahre beschränken.
Vorlage droht zu scheitern
Die Vorlage kommt nun ein letztes Mal in den Ständerat. Wenn dieser an seiner Profiling-Lösung festhält – was wahrscheinlich ist -, muss sich die Einigungskonferenz mit der Revision des Datenschutzgesetzes befassen.
Links-Grün droht mit einem Nein bei der Schlussabstimmung, sollte sich bis dahin nicht der Lösungsvorschlag des Ständerats durchsetzen. Zusammen mit der SVP, welche das neue Datenschutzgesetz aus grundsätzlichen Gründen ablehnt, könnten SP und Grüne die Vorlage am Schluss bachab schicken.
Fragliche Anerkennung der EU
Der nächste Streit wäre vorprogrammiert: Die EU könnte dann das Schweizer Datenschutzniveau als nicht äquivalent einstufen. Die Folgen für Schweizer KMU wären frappant: Die grenzüberschreitende Datenübermittlung zwischen der Schweiz und den EU-Staaten wäre mit zusätzlichen administrativen Hürden verbunden.
«Vielleicht kriegen wir die Kurve noch», sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter. Sie plädierte dafür, das heute geltende Schutzniveau nicht zu unterbieten. Mit dem Profiling-Vorschlag des Nationalrats sei das nicht sichergestellt.
Bern verliert die «Bundesmillion»
Die Stadt Bern wird aller Voraussicht nach auf die sogenannte Bundesmillion verzichten müssen. Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat der Streichung des Bundesbeitrags kommentarlos zugestimmt. Die Schlussabstimmung in den eidgenössischen Räten findet Ende September statt.
Damit dürfte das Schicksal der «Bundesmillion» besiegelt sein. Die Stadt Bern erhält seit den 1970-er Jahren vom Bund einen Zustupf von rund einer Million Franken für besondere kulturelle Leistungen als Bundesstadt.

Der Obolus des Bundes an die Stadt Bern gab schon früher zu reden. Bereits 2017 wollte der Bundesrat den Zustupf schrittweise bis 2019 streichen. Dagegen wehrten sich die Stadtbehörden erfolgreich mit Verweis auf einen bis 2020 geltenden Leistungsvertrag. Auch der Kanton Bern setzte sich für den Erhalt der Bundesmillion ein.
Die eidgenössischen Räte liessen die Subvention vorerst weiterlaufen. Allerdings war klar, dass die Bundesmillion angezählt war.
In der Kulturbotschaft für die Jahre 2021 bis 2024 nahm der Bundesrat denn auch einen neuen Anlauf zur Streichung der ab dem Jahr 2021. Diesmal fand er in den Räten Gehör.
Nationalrat mit freiwilliger E-Vignette einverstanden
Der Nationalrat ist einverstanden mit der Einführung einer freiwilligen elektronischen Autobahnvignette. Sie soll ab 2022 neben der bisherigen Klebeetikette verfügbar sein.
Eigentlich wollte der Bundesrat die Klebevignette ganz abschaffen, liess den Plan aber schon nach der Vernehmlassung fallen. Stattdessen schlug er dem Parlament eine freiwillige E-Vignette vor. Diese ist an die Autonummer geknüpft und soll im In- und Ausland online bestellt und bezahlt werden können. Der Nationalrat nahm die Vorlage nun mit 142 zu 47 Stimmen an bei 2 Enthaltungen.
Lesen Sie mehr dazu: Freiwillige E-Vignette kommt vielleicht 2022

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