Der eigenartige PaktPlötzlich posiert der bedrohte Präsident mit den Ultras
Die SSC Napoli befindet sich sportlich auf einem Höhenflug, doch der Präsident und die Ultras führen eine Dauerfehde. Vor dem Champions-League-Rückspiel gegen Milan machte nun sogar der Innenminister Druck, das Problem zu lösen.
Vielleicht wird der «Patto del Britannique» nie etwas für ernsthafte Historiker, nicht einmal für Fussballhistoriker. Aber eine ganze Ballung lokalpolitischer Bedeutung wohnt ihm natürlich schon inne, für die Neapolitaner ganz sicher. Der Pakt des Britannique ist ein Friedensabkommen. Es heisst so, weil es im Luxushotel Britannique hoch über Neapels altem Zentrum unterzeichnet wurde.
Dort logiert der römische Filmproduzent Aurelio De Laurentiis, wenn er in der Stadt ist. Er schaut recht oft vorbei, ihm gehört die SSC Napoli, was längst nicht allen Neapolitanern gefällt. Manche verachten ihn gar, obschon er sie fussballerisch zu neuer Blüte geführt hat. Der Meistertitel? Imminent, nach 33 Jahren mal wieder. Die Champions League? Da steht man an diesem Dienstag gegen die AC Milan im Viertelfinal: Rückspiel. Das Hinspiel verlor man 0:1, alles ist drin. Und diesmal ist Victor Osimhen mit dabei, den sie «Osi» rufen, ihr Neuner aus Lagos, so etwas wie die Torkasko der Neapolitaner. Mehr Blüte war nie, konzentriert in einer Saison.
Doch in den Kurven war bis vor ein paar Tagen die Wut auf den ungeliebten Präsidenten aus Rom so gross, dass die Feiern zu Flops zu verkümmern drohten. Im Stadio Diego Armando Maradona intonierten sie sehr unfreundliche Chöre gegen De Laurentiis. Die Ultras schmähten ihn dafür, dass er ihre Privilegien gestutzt hatte, dass er ihnen das Mitführen von Megafonen und Trommeln, von Banderolen und Fahnen verboten hatte, weil sie sich oft unflätig aufgeführt hatten, dass er ihnen auch im eigenen Stadion nur noch Tickets verkaufen wollte, wenn sie sich die mit einer «Fidelity Card» erwerben – mit allen persönlichen Details.
Die Sorge vor der totalen Selbstdemontage
De Laurentiis war nie ein Freund leiser Töne. Wenn er nach Ausschreitungen über Ultras sprach, etwa nach der grotesken Prügelei von einigen Hundert von ihnen gegen die Rivalen der AS Roma auf der Autobahn A1 im Januar, fiel oft das Wort «delinquenti», Verbrecher. Neulich wünschte er sich von der Regierung in Rom, sie würde so gegen die Hooligans vorgehen, wie das Margaret Thatcher in den 1980er-Jahren getan habe – mit eiserner Hand. Sonst werde das nie besser. Über die wahre Wirkung von Thatchers Modell wird ja oft kontrovers diskutiert: In Italien lebt aber der Mythos einer erfolgreichen Repression fort.
Die Wut von Napolis Ultras wurde mit der Zeit so gross, die Protestadressen so eklatant, dass sich die Polizei um das Leben des Clubbesitzers sorgte. Vergangene Woche beschloss der italienische Staat dann, De Laurentiis eine Leibwache zur Seite zu stellen. In der Stunde der Glorie, der lange ersehnten, drohte die totale Selbstdemontage.
Und so lud De Laurentiis offenbar auf Druck des italienischen Innenministers, von dessen Präfekten in Neapel und vom Bürgermeister der Stadt, 15 Chefs von ebenso vielen Ultragruppen am vergangenen Freitag ins Hotel Britannique ein. Und die nahmen die Einladung an. Allerdings sollten sie später betonen, dass die Initiative nicht von ihnen ausgegangen sei – oder anders: Wir haben uns nicht kleingemacht.
Und zum Schluss ein Familienfoto
Zwei Stunden dauerte der Gipfel, dann twitterte De Laurentiis: «Napoli sind wir. Präsident und Fans sind vereint für den Sieg!» Dazu muss man wissen: «Napoli siamo noi» war der Slogan der Ultras gegen den Präsidenten aus der römischen Fremde. De Laurentiis postete auch das Familienfoto mit den eher kurvenmässig gekleideten Männern aus dem vornehmen Hotel: der Presidente mittendrin, im Anzug mit Gilet unter dem Sakko. Das Foto der wundersamen Harmonisierung legte sich wie Balsam auf die Stadt.
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Nun wird darüber spekuliert, wie viele Konzessionen De Laurentiis eingestehen musste für den Frieden. Das Lärminstrumentarium, die Spruchbänder und Fahnen durften schon im Meisterschaftsspiel gegen Hellas Verona wieder ins Stadion. Die «Fidelity Card» für den Kauf der Eintrittskarten, die etliche Ultras aus Prinzip und vielleicht auch aus anderen Gründen ablehnen, ist vorerst bis Ende Saison suspendiert. Gratistickets gibt es auch in Zukunft keine mehr, hört man, doch die organisierte Anhängerschaft soll leichter an Karten kommen. Und: Sie dürfen mitreden bei der Organisation der anstehenden Feierlichkeiten für die nationale Meisterschaft.
Der Titel sollte eine Formsache sein, obschon Napoli zuletzt müde war und kaum mehr traf. Ohne «Osi», freilich. Und der ist ja jetzt zurück. Gegen Verona wurde Osimhen kurz vor Schluss erst eingewechselt, begleitet vom Höllenlärm der rundum befriedeten Fans. Zum Tor reichte es ihm nicht, das Spiel endete torlos. Doch einen Ball donnerte er mit einer solchen Wucht an die Latte, dass man die bis nach Capri zittern hörte, mindestens.
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