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Kanadas Premier in der Kritik
Plötzlich nervt der Posterboy Trudeau das Volk

Wird bewundert oder angefeindet: Der kanadische Premierminister Justin Trudeau im Juli 2023.
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Es ist eigentlich ziemlich normal, dass ein Vater mit seinem 15 Jahre alten Sohn ins Kino geht und ein Erinnerungsfoto für Social Media macht. Wenn der Vater aber Justin Trudeau heisst, sich gerade nach 18 Jahren Ehe von seiner Frau Sophie getrennt hat und für den «Barbie»-Film einen rosa Kapuzenpulli überzieht, sorgt dies für unzählige Reaktionen und hitzige Diskussionen.

Denn Kanadas Premierminister polarisiert enorm: Er wird bewundert oder angefeindet. Knapp 50 Millionen Mal wurde das Foto von Justin und Xavier Trudeau auf dem als Twitter gegründeten Netzwerk X gesehen, und wie auf Instagram gibt es Zehntausende Kommentare.

Der britische TV-Moderator Piers Morgan etwa schrieb unter das Barbie-Bild: «Ich bin so froh, dass ich kein Kanadier bin.» Dies ist eines der Beispiele, die zeigen, dass der selbst ernannte Feminist Trudeau vor allem von Männern oft verachtet wird. Morgans Attacke dürfte Trudeau egal sein, aber seine rasant fallende Popularität unter männlichen Wählern muss ihn beschäftigen. Wer ihn nicht möge, halte Trudeau für «schwach, weiblich und unecht», sagt der Meinungsforscher David Coletto im Gespräch.

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Laut einer aktuellen Umfrage für den «Toronto Star» haben nur 29 Prozent der Kanadierinnen und Kanadier eine positive Meinung von Trudeau, 52 Prozent sehen ihn negativ. Nicht mal jeder Dritte ist demnach zufrieden mit der Regierung. «So unbeliebt war er nie», sagt Coletto über den Absturz. Im Sommer 2021 lagen beide Werte noch bei 40 Prozent. Insgesamt liegen die Liberalen von Trudeau, die trotz des Namens eine sozialdemokratische Politik machen, mit 28 Prozent acht Punkte hinter den Konservativen.

Justin Trudeau paddelt mit einem Kanu auf dem Bowriver in Calgary im September 2015.

Dass Trudeaus Popularität sinke, sei kaum verwunderlich, sagt Aaron Wherry vom kanadischen TV-Sender CBC. Er hat ein Buch über den Posterboy der Progressiven geschrieben und erinnert daran, dass Trudeau bereits 2015 die erste Wahl gewann. «Die Kanadier wählen ihre Premierminister nicht schnell ab. Aber nach sieben oder acht Jahren sind viele genervt, immer das gleiche Gesicht zu sehen und die gleiche Stimme zu hören», sagt Wherry. Ziemlich mies sei die Stimmung in der Bevölkerung: Sie klagen über Inflation, hohe Lebenshaltungskosten und steigende Immobilienzinsen. Für jüngere Familien scheint ein Haus oder auch nur eine Wohnung unbezahlbar.

Trudeau hat die Stärkung der Mittelklasse ins Zentrum seiner Politik gestellt. Nun leidet diese besonders.

Dass die Arbeitslosigkeit gering ist und Kanadas Wirtschaft 2023 um 1,7 Prozent wachsen soll, hilft Trudeau wenig. Seine Regierung hat zwar viel Geld ausgegeben, um soziale Härten abzufedern und etwa die Kosten für Kinderbetreuung zu verringern, doch die Menschen sehen Berichte über Hypotheken mit 50 Jahren Laufzeit und Schlagzeilen wie «Wir werden zahlen bis zum Tod». Massnahmen wie ein temporäres Verbot, Immobilien an Ausländer zu verkaufen, wirken bisher nicht: Es gibt einfach zu wenige Wohnungen. In der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump und während der Pandemie war Trudeau dauerpräsent und konnte sich als Macher beweisen – nun kann er die Lage der Menschen kaum verbessern.

Laut Wherry ist die Lage für Trudeau gerade so schwierig, weil er seit 2015 die Stärkung der Mittelklasse ins Zentrum seiner Politik gestellt hat. Nun leidet diese besonders – und die Liberalen verlieren vor allem bei Wählern im Alter zwischen 30 und 60 Jahren an Zustimmung. Zudem betonte Trudeau stets, dass Regierungen mit kluger Politik mehr erreichen könnten. Doch jenseits schöner Worte sähen viele zu wenige Ergebnisse, sagt Wherry: «Für sie ist Trudeau all talk, no action.»

Oppositionsführer setzt auf Populismus

Pierre Poilievre, der Chef der Konservativen, tritt ganz anders auf. Wenn er die Regierung als Problem bezeichne, positioniert er sich klar gegen Trudeau, erklärt Wherry. Poilievre ist ein glänzender Rhetoriker, der enorm diszipliniert seine Botschaften verbreitet – nicht in Interviews, sondern über soziale Netzwerke. Der Oppositionsführer nennt Kanada «kaputt», «gespalten», «unsicher» und findet für alle Probleme nur einen Schuldigen: «JustinFlation» Trudeau.

Ein glänzender Rhetoriker: Pierre Poilievre, der Chef der kanadischen Konservativen. 

Den Premier stellt Poilievre als privilegiert und abgehoben dar. Dass der 44-Jährige selbst bereits seit 19 Jahren im Parlament in Ottawa sitzt, hindert ihn nicht daran, wütend einen populistischen Kurs zu fahren und auf Eliten und Medien zu schimpfen. So verkündet Poilievre etwa, dass niemand aus seiner Regierung zum World Economic Forum in Davos fahren würde – die Minister sollten sich stattdessen um die Probleme der Kanadier kümmern.

Meinungsforschern zufolge liegt die Stärke der Konservativen in der Schwäche der Liberalen. «Poilievres Popularitätswerte ähneln Trudeaus, aber er wird nicht als mitfühlend wahrgenommen», berichtet David Coletto. Wenn er die Wahl 2025 gewinnen wolle, müsse sich das ändern. Tatsächlich präsentiert ein neues Imagevideo den Konservativen nun als engagierten Vater und liebevollen Ehemann.

Botschaft und Verpackung ändern

Dass dies ein Seitenhieb auf die Trennung von Justin Trudeau und seiner Ehefrau Sophie ist, glaubt Wherry nicht. So schnell würden solche Kampagnen nicht beschlossen. Zudem sei offen, ob das Ehe-Aus Trudeau politisch schaden werde. Allerdings könne er sich nicht mehr als moderner Vater und Partner einer emanzipierten und glamourösen Frau präsentieren, der aus Idealismus Politik mache, sagte die Politologin Geneviève Tellier der «New York Times». Trudeau und seine Berater würden sich nun fragen, «wie sie die Botschaft und die Verpackung verändern».

Im Allgemeinen respektierten die Kanadier das Privatleben ihrer Spitzenpolitiker, so Wherry. Vergleichbar ist Trudeaus Fall ausgerechnet mit dem seines Vaters Pierre, der auch Regierungschef war und dessen Ehe 1977 endete. Die Trennung des Sohnes wurde sehr respektvoll bekannt gegeben, und solange nicht herauskomme, dass der Premier seine Frau lange betrogen habe, meinen Beobachter in Ottawa, könnte ihm die Trennung eher Sympathien bringen. 

Der Besuch von «Oppenheimer» mit Tochter Ella wurde per Foto mit der Welt geteilt.

Aaron Wherry rechnet damit, dass Trudeau bis 2025 versuchen wird zu beweisen, dass er geliefert und durch seine dann zehnjährige Amtszeit das Leben der Kanadier verbessert hat. Die Stimmung im Land müsste sich also drehen. Als Strategie zeichnet sich ab, Poilievre und die Konservativen als gefährliche Rechte darzustellen, die den Klimawandel ignorierten und denen man das Land nicht überlassen könne. Derzeit wird Trudeaus Minderheitsregierung von der linksgrünen NDP gestützt – an deren Anhänger dürften die Liberalen appellieren, durch Stimmen für den Premier den Rechtsrutsch zu verhindern.

Nach der Sommerpause wird man in Ottawa genau verfolgen, wann und wie sich der Premier neu erfindet. Bislang bleibt das Image unverändert. Auf X schickt er Grüsse und Regenbogen an alle Teilnehmer der Pride-Parade in Montreal: «Ich bin auf eurer Seite, heute und jeden Tag.» Auch ins Kino geht er weiter: Der Besuch von «Oppenheimer» mit Tochter Ella wurde per Foto mit der Welt geteilt.

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